H: Hausräumung + Demo kommenden Samstag

Aktivist kopfüber auf dem Dach

Wie viele vielleicht (nicht) mitbekommen haben, wurde vergangenen Mittwoch das Gelände der Limmerstraße 98 in Hannover-Linden besetzt. Wir möchten uns zunächst für die mangelnde Berichterstattung über die Grenzen Hannovers hinaus entschuldigen. Die letzten Tage waren jedoch sehr anstregend, viele waren übernächtigt.

 

Die Besetzung wurde von der Grünen Jugend initiiert, um gegen den Abriss der mindestens 100 Jahre alten Häuser zu protestieren und auf einen schleichenden Gentrifizierungsprozess in Linden aufmerksam zu machen, die Forderung selbstverwalteten Zentrums entwickelte sich erst im Laufe der Tage im Rahmen des Hausplenums. Die Limmerstraße ist so zu sagen das Identifikationsmerkmal des Stadtteils. Inzwischen eröffnet eine hippe Bar neben und gegenüber der anderen, Mietpreise für Neueinzüge stehen in keinem Verhältnis zu den Mieten der "Alt-Eingessenen". Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet auf der belebtesten Konsummeile des Stadtteils die Besetzung mehrere Tage überdauern konnte und vorallem wie sie sich entwickelt hat.Wahrscheinlich hat aus dem Vorbereitungskreis niemand damit gerechnet, was für Kreise diese Aktion ziehen würde. Neben einigen Autonomen waren es in erster Linie Anwohner_innen, die sich an der Besetzung beteiligten. Die Besetzung wurde zur Selbstläuferin, als sich der Vorbereitungskreis zunehmend aus ihr zurückzog. Das sorgte manchmal für Irritation, weil dadurch zunächst Infrastruktur wegfiel, die aber Dank der breiten Unterstützung schnell wieder aufgebaut werden konnte.
Am Sonntag, am Tag vor der Räumung, hat es eine Spontandemonstration durch Linden gegeben, um Druck auf den Eigentümer und der Stadt aufzubauen, weil sich abzeichnete, dass die laufenden Verhandlungen mit dem Eigentümer im Sande verlaufen würden. Obwohl nur ca. 8 Stunden für die Demo mobilisiert wurde, beteiligten sich etwa 200 Menschen (für hannoversche Verhältnisse ganz klar ein Mobilisierungserfolg)
Aber es half zunächst nicht. Gestern (Montag,6.Juni) wurde um kurz vor 10 Uhr mit der Räumung begonnen, also zu einer Zeit, als niemand mehr für diesen Tag mit einer Räumung rechnete. 13 Menschen erhielten einen Platzverweis, eine Person wurde vorrübergehend in Gewahrsam genommen, ist aber inzwischen wieder frei. Der Eigentümer hat Strafanzeige.
Gegen die Räumung und für ein selbtverwaltetes Zentrum wird es am kommenden Samstag, den 11.6, erneut eine Freiraum Demo in Linden geben.
Am Abend findet dann ein Konzert mit Schall und Rauch aus Neumünster im UJZ Korn statt, für eine nette Abendunterhaltung ist also gesorgt. Für Pennplätze schreibt eine email an: Limmerstrasse_98(at)gmx.de.




Hier der Aufruf zur Demonstration, im Anhang findet ihr ihn auch als pdf:

Fünf Tage lang war das Hinter- und das Vorderhaus, die ehemalige Zweiradwerkstatt und der Hof der Limmerstraße 98 in Hannover-Linden besetzt. Als die Besetzung vergangenen Mittwoch begann, waren die Forderungen klar: Ein Abriss der Gebäude aus der Gründerzeit der Limmerstraße sollte verhindert werden, um sie für eine unkommerzielle Nutzung zur Verfügung zu stellen. Die Folgen dieser Aktion waren alles andere als absehbar. Viele Menschen im Stadtteil und darüber hinaus solidarisierten sich. Anwohner_innen versorgten die Menschen im Haus mit Lebensmitteln, Möbeln oder boten konkrete Unterstützung bei Renovierungsarbeiten an. Das Plenum, das höchste Entscheidungsgremium der Besetzung, entwickelte sich zu einem großen Treffen von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, die letztendlich eins verband: Die Unzufriedenheit mit der aktuellen Stadtentwicklung. Die Hausbesetzung schaffte eine Kommunikationsplattform, die es ermöglichte, die Vielseitigkeit dieser Unzufriedenheit miteinander zu diskutieren. Dem Diskussionsprozess entsprechend entwickelten sich auch die Forderungen weiter: Die lose Vorstellung einer unkommerziellen Nutzung wurde durch die Idee eines selbstverwalteten Stadtteilzentrums mit Inhalt gefüllt und, neben der Erhaltung der Gebäude, zu einem zentralen Element der Forderungen. Das Projekt L98 sollte den ersten Raum auf der Limmerstraße schaffen, in dem Menschen nicht nur als Konsument_innen verstanden werden, sondern selbst aktiv werden können. So gab es bereits verschiedene Ideen wie z.B. eine Fahrradwerkstatt, ein Infocafé , einen Umsonstladen und eine Volxküche zum Selbstkostenpreis. Es sollte einen Raum entstehen, in dem Herrschaftsverhältnisse wie Sexismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus keinen Platz haben und sich Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Geschlechts und ihrer (sexuellen) Orientierung begegnen können, ohne scheiße behandelt zu werden.
In den folgenden Tagen wurden stundenlange Verhandlungen mit dem Eigentümer geführt, um den Wunsch eines Zentrums auf dem Gelände der Limmerstraße 98 in die Tat umzusetzen. Die Besetzer_innen erklärten sich bereit einen Verein zu gründen und einen Nutzungsvertrag zu vereinbaren. Die zunächst signalisierte Bereitschaft des Besitzers offenbarte sich schließlich als leere Floskel, sodass die so vielversprechend gestarteten Verhandlungen immer aussichtsloser erschienen und die Androhung von Polizeigewalt begann, die Gespräche zu dominieren.
Der Rückgriff auf Polizeigewalt zur Durchsetzung der bestehenden Eigentumsverhältnisse ist charakteristisch für bürgerlich-kapitalistische Gesellschaften. Sie wird immer wieder herangezogen um sicherzustellen, dass sich Stadtentwicklung an der Verwertungslogik des Kapitals orientiert, statt an den Bedürfnissen der Bewohner_innen. Wenn es um die Planung und Veränderung unseres unmittelbaren räumlichen und sozialen Lebensumfelds geht, wird Mitbestimmung klein geschrieben. So kommt es, dass es Platz für unzählige profitorientierte Cafés & Bars auf der Limmerstraße gibt, obwohl kein Mensch danach gefragt hat, und kein Platz für ein selbstverwaltetes Zentrum ist, obwohl Hunderte dafür durch die Straßen ziehen.
Dieser Irrsinn gilt nicht nur für die kulturelle Struktur eines Stadtteils, sondern auch für die bestehenden Wohnverhältnisse. Die Frage lautet nicht, ob die Bewohner_innen Lindens Luxussanierungen oder einen zunehmenden Wandel von Miet- in Eigentumswohnungen wollen, sondern ob es sich rentiert. Mit dieser Entwicklung gehen Prozesse einher, in denen Menschen räumlich und sozial ausgegrenzt werden, weil sie ökonomisch nicht die Mittel haben, sich dieser Entwicklung anzupassen. Es handelt sich also um soziale Verhältnisse, aus deren Widersprüchlichkeit immer wieder gesellschaftliche Konflikte resultieren, die nicht mit Polizeigewalt zu lösen sind, sondern mit ihr nur verschärft werden.
Auch bei dem Konflikt um die Limmer98 handelt es sich um einen gesellschaftlichen. Deswegen kann sich weder der Besitzer noch die Stadt einfach aus Affäre ziehen, indem sie immer nur auf die geltende Rechtslage verweisen und wir mit Polizeigewalt geräumt werden. Eins ist für uns klar: Die Auseinandersetzung um ein selbstverwaltetes Zentrum hat gerade erst begonnen. Die Räumung der L98 ist nicht das Ende, sondern der Anfang. Wir werden uns weiterhin für ein selbstverwaltetes Stadtteilzentrum einsetzen und es die Aufgabe der Stadt, im Dialog mit uns, eine Lösung für diesen Konflikt zu finden. Deswegen lasst uns am Samstag gemeinsam auf die Straße gehen, um gegen die Räumung, den Abriss und Stadtteilaufwertung zu demonstrieren. Lasst uns am Samstag gemeinsam auf die Straße gehen, um uns ein selbstverwaltetes Zentrum zu erkämpfen!

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Die Demo startet am 11.06. 15:00 Uhr Küchengarten Platz Hannover Linden (Stadtbahn Linie 10 Richtung Ahlem, Haltestelle Küchengarten).