Von den heimischen Medien wenig beachtet, wohl aus Angst, die Menschen hier könnten auf dumme Gedanken kommen, machen gerade Hundertausende u.a. in Spanien und Griechenland nach, was dieses Jahr in arabischen Ländern seinen Anfang genommen hat: Sie besetzen zentrale Plätze, und ihre Botschaft ist: So nicht weiter!
Sie haben es satt, dem Lauf der Geschichte nur zuzusehen, sie haben keine Lust mehr, so regiert zu werden. Und sie fangen an, sich über alle Grenzen die ihnen diese Gesellschaft aufzwingt hinweg zu organisieren. Sie wollen ihr Leben in Zukunft weder in die Hände von Banken noch von korrupten Politiker_innen legen, sie nehmen es selbst in die Hand. Sie haben die Angst, nicht genau zu wissen, wie es von hier an weitergehen soll, über Bord geworfen. Kein Wahlprogramm irgendeiner Partei könnte ihnen versprechen, was sie wollen, denn sie wollen nicht weniger als ein selbstbestimmtes Leben, echte Demokratie und eine gerechte Verteilung von Ressourcen. Um das zu erreichen, werden sie die herrschenden Verhältnisse auf den Kopf stellen müssen. Sie haben damit angefangen.
Wir werden auch hier endlich damit aufhören, nicht anzufangen.
Wir werden in Kürze auch in Wien ein Protest-Camp aufbauen, um einen permanten Ort zu schaffen, an dem wir uns über unsere Lage und unser weiteres Vorgehen austauschen können. Außerdem ist das Ziel öffentlich sichtbar, nicht mehr ingorierbar, nicht mehr verschweigbar zu werden, denn wir sind bereits überall, in den Rissen im Gemäuer dieser Welt, wo man unsere Existenz gern leugnet. Wir laden alle ein, vorbeizuschauen, immer wieder zu kommen, eine Weile zu bleiben. Unsere Anliegen betreffen alle Menschen, um unsere Probleme zu lösen, müssen wir viele sein.
Der WEF-Gipfel, der vom 7.-9. Juni in Wien tagt, ist für uns höchstens ein Anlass.
Den Damen und Herren, die sich in der Hofburg treffen, haben wir schon länger eigentlich gar nichts mehr zu sagen. Wir sind auch nicht motiviert, wie man uns gerne nachsagt, uns mit ihren bewaffneten Einheiten zu prügeln. Wir würden auch gerne darauf verzichten, mit Tränengas oder Gummigeschossen gejagt zu werden, wie das in anderen europäischen Ländern üblich ist, weil es dort eine stärkere Tradition gibt, sich nicht alles an staatlicher Willkühr gefallen zu lassen. Auch sind wir nicht scharf darauf, auf der Straße von der Polizei ermordet zu werden, wie es im arabischen Raum derzeit am laufenden Band passiert, zuletzt auch in Albanien und in Afghanistan durch deutsche Soldaten.
Die Drohung der Polizei, man habe für das WEF bereits "Festnahmestraßen" mit "Schnellrichtern" eingerichtet und eine Etage in der Rossauer Kaserne für Gefangene freigemacht, kann uns nicht einschüchtern. Wenn wir erst einmal alle aus unseren Löchern gekrochen kommen, haben sie in ihren Knästen schnell keinen Platz mehr.
So viele von uns verbringen die meiste Zeit mit Warten. Darauf, dass endlich die anderen anfangen, den Zustand der Welt nicht mehr hinzunehmen, ihn aktiv zu ändern. Wir warten darauf, dass wir genug sind, dass die anderen endlich auch sehen, was wir sehen, dass wir uns mit anderen verbünden können, um unser Leben wieder in unsere eigenen Hände zu nehmen. So warten wir, verbringen unsere Zeit auf der Arbeit, in der Schule oder Uni, alleine vor dem Fernseher oder Computer, eingezwängt in Verpflichtungen und Rituale, während unsere Zeit dahinschwindet, und wir auf dem besten Weg sind, den nächsten Generationen nur noch einen Schrottplaneten voller Leid und Krieg zurückzulassen.
Und das, obwohl genug Wohlstand und Produktivität vorhanden ist, um ein gutes Leben für alle zu ermöglichen, bei dem wir noch die Zeit haben uns als Menschen zu spüren und nicht überall in maschinenartige Abläufe eingespannt zu sein. Dieses Leben ist eigentlich zum Greifen nahe – wir müssen uns nur darüber bewusst werden, dass wir es wollen, und dass wir, die es wollen, viele sind. Viel mehr als jene, die vom aktuellen Zustand profitieren.
Vor allem müssen wir endlich aufhören, zu warten.
Wir werden unserem Bruch mit dem Warten einen Ausdruck verleihen, und wir werden bleiben. Vielleicht vorerst nur ein paar Tage, aber auch wenn wir von einem Ort weg gehen, werden wir, vielleicht an einem anderen, wiederkommen.
Wir werden immer wieder kommen, und unsere Botschaft wird sein: Que se vayan todos! – Bis sie alle gehen! - die Bosse, Banker, Politiker_innen und sonstigen selbsternannten Anführer_innen.
Wir rufen alle Menschen auf, es uns gleich zu tun, an den Orten an denen sie leben. Zuerst werden wir vor allem viel miteinander reden müssen. Der Weg in eine freiere Gesellschaft ist lang, und keineswegs klar. Aber wenn wir wollen, können wir ihn gehen. Geschichte ist immer von Menschen gemacht, und kann auch von Menschen verändert werden. Wir werden uns nicht spalten lassen nach unserer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexuellen Orientierung, Berufsgruppe, Bildungsstand oder sonstigen zugeschriebenen oder tatsächlichen Eigenschaften. Wir wissen, dass wir viele sind, sehr viele, die das Interesse eint, eine andere Welt aufzubauen.
Lieber heute als morgen.
Angst, die Menschen hier könnten auf dumme Gedanken kommen
ich glaube das hat weniger was mit angst zu tun. würde es den jungen leuten in spanien nämlich auch nur annähernd so gut gehen wie den meisten jungen und jugendlichen hier, würden keine demos in dem maße stattfinden, wie sie denn stattfinden. abgesehen davon demonstriert auch nur ein verschwindend kleiner teil der jugendlichen.
in einer welt, in der ca. 1.000.000 leute friedlich seinerzeit um die goldelse tanzten, kann es also so schlecht nicht sein, sonst hätten die spanier bereits vor jahren demonstriert. als es denen aber noch so gut ging wie uns heute, hat da auch keiner einen gedanken dran verschwendet. erst wenn es an eigene eingemachte geht, werden halt die meisten leute wach.
wäre hier in deutschland wohl ähnlich. würde für jedes brennende auto von normalen familien irgendwas autonomes im gegenzug in flammen aufgehen, würden vielleicht einige anfangen zu überlegen und ihren pubertierenden grillanzünder-freunden ins gewissen reden. vorher wohl nicht.