Sexueller Missbrauch

Vergewaltiger, wir kriegen euch!

In den vergangenen Tagen war mein Blog so beliebt wie nie zuvor. Eigentlich ist das eine schöne Sache. Schade nur, dass das Interesse scheinbar lediglich daraus bestand, meine Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Ich schreibe diesen Text am Computer in einer Klinik, in der ich mich seit 6 Wochen therapieren lasse.

 

Ich leide seit 2 Jahren an Depressionen und Angsterkrankung. Zuvor hatte ich bereits zahlreiche Krankheitssymptome, die mir das Leben sehr schwer machten. Ich machte eine lange Ärzteodyssee durch, in der die Ärzte mir immer wieder versicherten, ich sei gesund, obwohl ich Atembeschwerden, Magenbeschwerden, Schlafstörungen uvm. hatte. Die Schmerzen häuften sich und wechselten sich ab, ich beendete mein Studium im August 2009 mit letzter Kraft.

 

Meine Hausärztin war die erste, dich mich darauf hinwies, dass ich an einer Depression leide. Seitdem nehme ich Antidepressiva um das Leben halbwegs zu ertragen. Daraufhin kam die Frage auf, warum ich an Depressionen leide. Zurückblickend begann mein Leiden, als ich mich auf eine Frage hin mit einer Geschichte befassen musste, die 2001 stattfand und seitdem andauert.

 

Ich bekam zu meinem Geburtstag im Jahr 2001 eine Urlaubsreise von unserem Pfarrer P.W. geschenkt, in welcher er mich sexuell missbrauchte. Was P.W. im Detail von mir verlangte und mit mir machte, darum soll es hier nicht gehen. Fakt ist, dass ich von ihm sexuell missbraucht wurde. Und dass ich an den Folgen dieses Missbrauchs bis heute leide.

 

Nachdem ich eine Traumatherapie machte, um das Ereignis zu verarbeiten, hatte ich gehofft, wieder am Alltag, am Leben teilnehmen zu können. Ich hatte mich jedoch geirrt. Plötzlich kam der Fall in die Öffentlichkeit. Das hatte ich nicht gewollt, ich wollte lediglich, dass er nicht mehr mit Jugendlichen, wie ich 2001 einer war, wegfährt und sich an ihnen vergreift.

 

P.W. musste die Dienststelle verlassen. Die Kirchengemeinde wusste zuerst nicht, was passiert ist, denn es wurde u.a. mir auferlegt, über den Fall zu schweigen, solange über den Sachverhalt verhandelt wurde.  In dieser Zeit hieß es, P.W. sei krankheitsbedingt nicht mehr im Dienst. Wenn ich von Gemeindemitgliedern gefragt wurde, ob ich denn mehr wüsste verneinte ich. Es war nicht sehr einfach, schon wieder schweigen zu müssen. Ich schwieg auch noch, als die Gerüchte herumgingen.

 

In der Zeitung stand das Jahr, in dem der Vorfall des sexuellen Missbrauchs stattgefunden hat, nämlich 2001. Viele wussten, dass ich in diesem Jahr mit P.W. im Urlaub war und schlossen folgerichtig auf mich. Missbrauch? Was nicht sein darf kann nicht sein. Viele Leute, von denen ich einst viel hielt, reagierten empört auf den Vorwurf und stellten sich hinter P.W.

 

Plötzlich kam die Frage auf, wer denn der Böse sei, der den armen Mann angezeigt habe. Wer 1 und 1 zusammenzählen konnte wusste, dass mein Vater dahinter steckte. Briefe landeten im Briefkasten meinter Eltern, in denen ich als Lügner, Drogenkonsument und Verräter tituliert wurde. Menschen distanzierten sich von meinem Vater und hielten zu P.W.

 

Ich konnte die Welt nicht mehr verstehen. Ich, als Opfer sexuellen Missbrauchs  sage die Wahrheit um andere zu schützen und stehe plötzlich als Nestbeschmutzer und Übeltäter dar, während der Täter als Opfer da steht. Plötzlich ist der Rückhalt, die Kirche, die Gemeinde ein Hinterhalt geworden. Plötzlich stelle ich mir die Frage, wo Nächstenliebe, ja letztlich die christlichen Werte hin sind. Ich habe mich an das achte Gebot „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten“ gehalten. Hat P.W. das auch getan?

 

Nun ja, ich möchte nicht verschweigen, dass ein großer Teil der Gemeinde hinter meinem Vater und mir steht und mir glaubt. Aber es gibt auch einen anderen Teil. Es ist kein schönes Gefühl, wenn einem nicht geglaubt wird sondern man als Lügner tituliert wird. Wieso hätte ich lügen sollen? Ich hatte Angst vor der Wahrheit, die Wahrheit auszusprechen, und vor allem Scham vor dem, was mir passiert ist.

 

Ich schluckte es 7 Jahre herunter und gab mir die Schuld, mich damals nicht gewehrt zu haben. Ich weiß jetzt, woher meine Depression kommt, kann mir mein mangelndes Selbstwertgefühl erklären und hoffe nun, endlich wieder zu leben und nicht mehr vegetieren zu müssen. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.

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Ihre Geschichte ist wirklich traurig und es ist sehr mutig nun darüber zu reden, ich danke Ihnen von ganzem Herzen!

 

Depressionen sind schrecklich, ich spreche aus Erfahrung, aber auch Depressionen kann mensch besiegen.

 

Ich wünsche Ihnen ganz viel Kraft und Mut dabei!

Vielen Dank.Ihre Antwort gibt mir Mut.

Es hat sich ja viel getan. Nicht nur negativ. Depressionen sind ja mitlerweile eine der größten Krankheiten in der Gesellschaft geworden. Und zum Glück werden sie langsam nicht mehr als Schwäche gesehen. Meiner Meinung spielt neben Missbrauch da der kapitalistische Leistungsdruck, der Existenzängste schafft eine große Rolle. Man brauch nur Tagesschau gucken, in der einem Angst gemacht wird von Arbeitslosigkeit usw...

Venceremos

Das Phänomen, dass Missbrauchsopfern nciht geglaubt wird, findest sich leider nicht nur in solchen Fällen sondern in fast jeden Missbrauchs und/oder Vergewaltigungs-Fall. Diese GEfühl der Ohnmacht und ungerechtigkeit was auch der Anlass für feministische Strömungen das Prinzip der Definitionsmacht einzuführen, dass ja heute in der Linken wieder eher umstritten ist. Zwar ist es nicht umsonst umstritten. ALlerdings sollte man sich doch in der Diskussion evt genau das mal wieder vor Augen führen und das Konzept auch vor diesem Hintergrund interpretieren.

Erstmal alles Gute!

 

"denn es wurde u.a. mir auferlegt, über den Fall zu schweigen, solange über den Sachverhalt verhandelt wurde." Wie das? Und vorallem: Von wem?

 

Ist ja leider nichts neues dass die Kirchengemeinde das eher unter den Teppich kehren will. Von daher begrüße ich es im Grunde immer wenn so ein Fall in die Öffentlichkeit kommt, kann aber natürlich auch verstehen wenn das Opfer davor zurückschreckt.

 

Ich bin schon länger aus der Kirche ausgetreten. Auch, aber nicht nur, wegen der Missbrauchsfälle. Auch abgesehen von den Missbrauchsfällen und der Umgang der Kirchen damit: Die Kirchen sind schlicht reaktionäre Institutionen und werden vom Staat auch noch mit Privilegien und finanziell aus Steuermitteln ordentlich gesponsort (unter anderem aufgrund von mit den Nazis geschlossenen Staatskirchenverträgen auf welche sie sich heute noch beziehen und womit die Nazis sich die Kooperation der Kirchen erkauft haben). Das Geld wäre viel besser angelegt wenn es direkt in soziale Projekte investiert werden würde, inklusive Kirchensteuer von der nur ein Bruchteil für soziales verwendet wird.

 

Ob atheistisch, agnostisch oder gläubig, die Kirchen braucht niemand! Tretet aus und unterstützt antiklerikale Organisationen und Initiativen!

 

www.kirchenaustrittsjahr.de

www.laizisten.de

www.giordano-bruno-stiftung.de

www.freidenker.org

www.hpd.de

Ich habe als Kind leider auch sex. Missbrauch erlebt und habe ebenso eine lange Ärzte- und Psychologenodyssee hinter mir. Depressionen kenne ich auch.

Am wichtigsten ist, glaube ich, dass man ein gutes und mitfühlendes Umfeld hat. Dann kann man das alles durchstehen.

Der Kapitalismus mit seinen Auswüchsen ist sicherlich mit- oder gar hauptverantwortlich für so manches (psychische) Problem.

Das macht es einem in einer Situation wie deiner u.U. noch schwerer. Wenn du allerdings deine Augen nur auf die negativen Seiten deines Lebens richtest, kommst du aus der Depression nur sehr schwer wieder raus.

Ich denke, du verstehst, was ich damit sagen will.

Ich wünsch dir viel Kraft und viele positive Erlebnisse!