In den letzten Monaten wurde das linke Zentrum "Kafe Marat" in der Thalkirchner Straße 102 wiederholt zur Zielscheibe staatlicher Willkür. Innerhalb kurzer Zeit fanden dort insgesamt vier Hausdurchsuchungen statt. Als Begründung wurde jeweils angebracht, dass im Kafe Marat zu Straftaten aufgerufen werde, da dort angeblich die autonome Zeitschrift "Interim" erhältlich sei. Ähnlich ging es verschiedenen Buch- und Infoläden in Berlin.
Die "Interim" ist seit 1988 ein fester Bestandteil linker Bewegungen in der BRD. Sie stellt ein spektrenübergreifendes Diskussionsforum für linke Aktivisten und Aktivistinnen dar. Hier finden unter anderem Debatten zum jährlichen Castor-Transport, zu Fragen der Flüchtlingspolitik oder zu antifaschistischen Aktivitäten statt. Die Polizei begründet ihre andauernden Durchsuchungsaktionen mit der Veröffentlichung von Bauanleitungen zur Erstellung von Brandsätzen in einzelnen Ausgaben der Interim. Aber darum geht es nicht wirklich:
Denn dann müsste der Aufruf des "Unsichtbaren Kommitees", der nach bürgerlichem Recht zu schweren Straftaten aufruft genauso verfolgt werden. Er ist mittlerweile unter den Bestsellern im SZ-Verlag zu finden. Detailliertere Anleitungen für Sprengsätze aller Art finden sich in handelsüblicher Militär-Literatur der Bundeswehr. Hier kann zudem in Erfahrung gebracht werden, wie Mensch am besten Leute vergiftet, mit friendly-fire umgeht und dass Kollateralschäden laut Bundeswehr ein notwendiges Übel sind. Wenn ihr Interesse daran habt: Bei Hugendubel und Amazon werdet ihr fündig.
Das Beispiel illustriert ganz gut, dass es von gesellschaftlichen Kontexten abhängt, was verfolgt oder massenhaft gehypt wird. Im Normalfall geht es bei Repression um politisch motivierte Kriminalisierungen - meistens an dem Punkt, wo linke Positionen gesellschaftliche Relevanz erlangen. An diesem Punkt wurde die Bevölkerung schon immer zum inneren Feind. Sei es beim damaligen Widerstand gegen die WAA in Wackersdorf oder die Startbahn West. Und heute trifft es die Proteste gegen Stuttgart 21 und den Castor Transport. Dafür müssen noch nicht einmal Steine geschmissen werden. Es reicht schon aus einfach nur vor Ort zu sein um einer von den Hunderten Verletzten zu werden.
Der Paragraph §130a - Aufforderung zu Straftaten, unter dem wiederholt die Durchsuchungen in Berlin stattfanden, wurde 1987 wieder eingeführt. Er ist das Pendant zum Paragraphen §111, mit dem die Durchsuchungen in München begründet wurden. Seit seiner Einführung sind erst vier Menschen danach verurteilt worden. Dass der Paragraph für eine strafrechtliche Verfolgung nicht wirklich brauchbar ist, erkannte bereits ein BGH-Richter. In seinem damaligen Urteilsspruch meinte er das die praktische Bedeutung äusserst gering sei. Er kommt zum Schluss das heute Teile der Filmindustrie detailiertere Anleitungen für schwerste Gewaltverbrechen liefern. An eine strafrechtliche Verfolgung denkt in diesen Fällen niemand ernsthaft nach.
Letztendlich geht es um einen Vorwand, um gesellschaftskritische Räume, die staatlichen Instanzen ein Dorn im Auge sind präventiv durchsuchen zu können. Es geht um Überwachung und Einschüchterung.
Jegliches Anzeichen von Leben, Protest oder einfachem Zweifel ist vom Standpunkt nationaler Sicherheitsdoktrin bereits eine potenzielle Gefährdung. Deshalb wurden komplizierte Präventions- und Bestrafungsmechanismen entwickelt. Um effektiv arbeiten zu können, muss staatliche Repression willkürlich eingesetzt werden. Sie zielt darauf ab, die Bevölkerung durch Angst zu lähmen.
Die permanenten Angriffe auf das Kafe Marat sind als das zu verstehen, was sie sind: Als ein Angriff auf linke Öffentlichkeit im Allgemeinen. Heute trifft es die Interim und unsere Räume, und wie aktuell zu beobachten ist, bereits friedliche Blockaden gegen Nazi-Aufmärsche. Morgen vielleicht jegliche öffentliche Kritik an den bestehenden Verhältnissen. Es geht dabei immer auch um Haltungen. (Leute, die für die verfolgten Läden ihren Namen hergeben, werden nicht für das belangt, was sie etwa tun, sondern für das, was sie sich dabei denken.) Sie werden stellvertretend für alle politisch aktiven Menschen verfolgt.
Darum müssen wir die Angriffe offensiv beantworten. Für eine vielfältige Widerstandspresse und eine starke linke Bewegung. Vervielfältigt und verbreitet die kriminalisierten Medien. Schafft viele unabhängige Kommunikationsplattformen.
Das Verfahren gegen den Geschäftsführer des Buchladens oh21 in Berlin wurde wegen denselben Vorwürfen bereits eingestellt. Es war nicht durchsetzbar, ihn für sämtliche Inhalte, die in einem Buchladen ausliegen verantwortlich zu machen. Es darf allerdings nicht bei einer rein juristischen Auseinandersetzung bleiben. Denn: Wir bestimmen die Mittel unseres Widerstand immer noch selbst.
Betroffen sind einzelne - gemeint sind wir alle!
Gegen jede Repression!
Kein Strafverfahren, kein Verbot wird unsere Stimme übertönen!
Für eine militante Perspektive
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Beiträge aus Mexiko
Unter anderem waren zwei Genossinen aus Mexiko auf der Anti-Repressionswoche in München.
Ein Interview mit den beiden könnt ihr hier nachhören: