Zehntausende Kurd_Innen aus dem gesamten Bundesgebiet versammelten sich am Samstag den 19. März auf den Düsseldorfer Rheinwiesen um das Frühlings- und Neujahresfest „Newroz“ zu feiern. Vorher waren sie in zwei Demonstrationszügen durch Düsseldorf gezogen und hatten unter dem Motto „Frieden für Kurdistan – Freiheit für Öcalan“ gegen die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung in der Türkei, dem Iran, dem Irak, Syrien und Europa protestiert. Das „Newroz“-Fest entwickelte sich in den kurdischen Gebieten der Türkei seit den großen „Serhildans“ (Volksaufständen) Anfang der 1990er Jahre von einem kulturellen Frühlingsfest zu einem politischen Symbol der kurdischen Befreiungsbewegung gegen Kolonialismus, Krieg, Besatzung und Fremdbestimmung. Heute gilt Newroz unter der kurdischen Bevölkerung in allen Teilen Kurdistans und der Diaspora als Widerstandsfest mit einer starken politischen Bedeutung.
Unzählige Busse aus dutzenden Städten verstopften am Samstag Morgen den Düsseldorfer Stadtverkehr. Auch die Polizei war im Stadtgebiet großflächig vertreten und mit Einheiten aus verschiedenen Bundesländern angereist. Der Veranstalter, die Föderation der kurdischen Vereine YEK-KOM mit 30 000 Demonstrant_innen gerechnet. Die Polizei zählte lediglich 10 000. YEK-KOM gab im Nachhinein die Zahl von 70 000 Teilnehmer_innen aus. Es werden wahrscheinlich so um die 25 000 – 30 000 gewesen sein.
Im Gegensatz zu den letzten Jahren gab es dieses Jahr auch den Versuch ein nennenswerten Mobilisierung von Seiten linksradikaler Gruppen aus der BRD. Die Kampagne „Tatort Kurdistan“, zu der sich vor einem Jahr durchaus unterschiedliche Gruppen zusammengefunden hatten um gegen die deutsche Unterstützung für den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei mobil zu machen, hatten zu einem eigenem Block auf der Demonstration aufgerufen. Ca. 200 Leute die ebenfalls aus verschiedenen Städten angereist waren, folgten dem Aufruf.
Die Polizei bedachte diesen Block mit besonderer Aufmerksamkeit. Fast über die gesamte Zeit der Demo lief nur ein diesem Block ein Spalier Riot-Cops. Schon im Vorfeld hatte die Polizei auf den Veranstalter Druck ausgeübt und im Bedenken wegen einer Teilnahme der „Antifa“ an der Demo geäussert. Die Vermischung der hiesigen radikalen Linken mit kurdischen Jugendlichen ist für die deutsche Behörden eine potentielle Bedrohung die sie versucht mit präventiver Repression zu verhindern. Wie schon bei ähnlichen Demos in Heilbronn, Stuttgart und Berlin gesehen versucht die Polizei Solidarisierungseffekte mit allen Mitteln zu verhindern.
Gleich zu Beginn an der Cecielenallee griff die Polizei die Spitze des Demonstrationszuges brutal an und verhaftete ein Person wegen dem angebliche Zeigen verbotener Symbole. Nach einen kurzen Handgemenge beruhigte sich die Situation und die Demonstration ging los. Von Beginn an filmte die Polizei die gesamten Teilnehmer und Greiftrupps warteten an jeder Ecke um Leute mit PKK oder KCK-Fahnen aus der Menge zu ziehen. Nach einigen Minuten tauchten im hinteren Teil der Demo mehrere dutzend grüne KCK-Fahnen auf. Die Polizei formierte sofort grössere Kräfte um einen Zugriff vorzunehmen. Kurz bevor die Situation zu eskalieren drohte, sammelten die Ordnungskräfte von YEK-KOM die kriminalisierten Stücke Stoff ein.
Einige Meter später zog die Polizei mit einem massiven Spalier um den Tatort-Block auf. Immer mehr Einsatzkräfte wurden hinzugezogen. Helme aufgesetzt. Handschuhe angezogen. Diesmal war der Grund für die martialische Geste das Seitentransparente in dem Block angeblich Auflagenwidrig verknotet seien. Die Teilnehmer_innen des Blocks weigerten sich die Transparente Auseinanderzuknoten solange die Polizei in Angriffstellung ist, weil sie einen Übergiff befürchteten. Um dies zu verhindern bildeten von die Ordner_innen der kurdischen Vereine bis zum Ende der Demo ein „Schutzspalier“ zwischen Tatort-Block und der Polizei.
Trotz der massiven Polizeipräsenz ließen sich die Demonstrant_innen nicht einschüchtern, immer wieder wurden an verschiedenen Stellen in der Demo KCK- und PKK-Fahnen gezeigt bis die Polizei schließlich (vorerst) vor der Menge der Fahnen und Demonstranten kapitulierte.
Mit vielen Transparenten und Fahnen unterschiedlicher linksradikaler und revolutionärer Gruppen machte der Block der Kampagne „Tatort Kurdistan“ einen kämpferischen und entschlossenen Eindruck. Neben den Fahnen der KCK und ERNK waren das vor allem Antifa-Fahnen, Rote Hilfe, MLKP-Fahnen, Fahnen von Zusammen Kämpfen Duisburg und der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB). Immer wieder wurden Parolen wie „Hass, Hass, Hass wie noch nie auf die gesamte Kriegsindustrie“, „Hoch die internationale Solidarität“ und „RAF-PKK-Autonome Antifa“ gerufen.
Viele Kurd_innen freuten sich und zeigten sich begeistert über die oft vermisste Solidarität der europäischen Linken. Insgesamt wurde sowohl der Block wie auch ein Redebeitrag der Kampagne auf der anschließenden Festveranstaltung auf den Rheinwiesen sehr positiv aufgenommen. Dort hatten sich gegen 13 Uhr beide Demonstrationszüge vereint und vor einer riesigen Bühne begann ein vielfältiges Programm aus verschieden kurdischen Bands und politischen Beiträgen, unter anderem von der Linkspartei und der MLKP. Den ganzen Tag über feierten zehntausende auf den Rheinwiesen den Frühlingsbeginn und das Neujahr. An zahlreichen Ständen konnten Bücher auf kurdisch und über den kurdischen Konflikt erworben werden, es gab allerlei Merchandis wie CDs, T-Shirts, Ketten, Teppiche, Handytaschen und Tücher mit Bezug auf die kurdische Befreiungsbewegung zu erwerben. Natürlich durften auch etliche Döner und Teestände nach Städten aufgeteilt nicht fehlen. Auch einen Stand der Informationsstelle Kurdistan (ISKU) und der Kampagne Tatort Kurdistan mit einer Informationswand gab es zu bewundern.
Die Polizei vagabundierte derweil auf den Festwiesen rum und belästige minderjährige Jugendliche und nahm sie wegen dem Zeigen verbotener Fahnen Fest (während 2 Meter weiter dutzende Leute selig die gleichen Fahnen schwenken). Ausserdem mackerten sie die ganze Zeit mit Pferden rum und versuchten stundenlang kurdische Jugendliche vom Rheinufer zu vertreiben. Die Bullen sprechen im Nachhinein von einem friedlichen Verlauf. Die Festnahmen und Schikanen werden mit keinem Wort erwähnt. In den deutschen Medien fand die Veranstaltung praktisch keine Erwähnung. Lediglich ein paar Lokalblätter regten sich über die Verkehrsbeeinträchtigung und die Lautstärke auf.
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