Ehemalige Mitglieder aus der RAF werden im März als ZeugInnen im Stuttgarter Prozess gegen Verena Becker vorgeladen und es droht ihnen bei Aussageverweigerung Beugehaft bis zu sechs Monaten. Am 10. März müssen Günter Sonnenberg, Stefan Wisniewski, Rolf Heißler und Adelheid Schulz, am 24. März Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt, am 25. März Sieglinde Hofmann, Rolf Clemens Wagner und Irmgard Möller und am 31. März Siegfried Haag erscheinen. Bis auf Irmgard Möller, die sich seit 1972 im Knast befand, waren alle Mitte der siebziger Jahre in der RAF organisiert.
Hintergründe zum Prozess gegen Verena Becker und den Beugehaftandrohungen
Am 30. September letzten Jahres begann in Stuttgart-Stammheim
vor dem Oberlandesgericht der Prozess gegen Verena Becker, einem
ehemaligen Mitglied der RAF, die 1983 aus dem Kollektiv der
Gefangenen aus der RAF ausgeschlossen wurde.
Angeklagt ist sie wegen der Aktion gegen den damaligen
Generalbundesanwalt Buback, der im April 1977 vom „Kommando Ulrike
Meinhof“ erschossen wurde. Buback, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied, war
verantwortlich für die Verschärfung der
Isolationshaftbedingungen und den Tod von vier Gefangenen aus der RAF:
Holger Meins, Katharina Hammerschmidt, Siegfried Hausner und Ulrike
Meinhof.
Im Rahmen der seit 2007 laufenden Ermittlungen wurde gegen
einige ehemalige Gefangenen bereits Beugehaft angedroht. Gegen Rolf
Heißler und Stefan Wisniewski laufen laut Medien weiter
Ermittlungsverfahren. Aus Gazetten ist weiterhin zu entnehmen,
das die Kronzeugen Jürgen-Peter Boock, Werner Lotze, Silke Maier-Witt
und Sigrid Sternebeck im Prozess gegen Verena Becker
geladen sind oder waren. Alle Vier haben durch ihre Aussagen
ehemalige RAF-Mitglieder denunziert und dadurch weitere Jahre Knast
verursacht.
Die Verfolgung von ehemaligen RAF-AktivistInnen geht weiter
Bereits im Vorfeld hatte der Prozess einigen Wirbel in der
Presse ausgelöst. Quer durch alle Zeitungen gingen Verdächtigungen, dass
die RAF vom Geheimdienst geleitet worden sei. Den
Ehemaligen wurde vorgeworfen, sie hätten sich ein mafiaähnliches
Schweigegelübde („Omerta“) auferlegt, welches "Schweigen bis ins Grab"
bedeute.
Ehemalige Gefangene aus der RAF erklärten in einem Papier, das
„von Einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in der RAF waren“ im Mai
2010 veröffentlicht wurde: "Wenn von uns niemand Aussagen
gemacht hat, dann nicht, weil es darüber eine besondere
'Absprache' in der RAF gegeben hätte, sondern weil das für jeden
Menschen mit politischem Bewusstsein selbstverständlich ist. Eine
Sache der Würde, der Identität - der Seite, auf die wir uns
gestellt haben."
Die RAF verstand sich als Befreiungsbewegung im Kontext mit den
Kämpfen im Trikont und in den Metropolen. Sie stand für Aufrichtigkeit,
Mut und Hoffnung, auch unter schwierigen Bedingungen zu
agieren und war für viele Linke ein wichtiger Bezugspunkt.
So ist klar, dass weder die Vorladungen oder die
Beugehaftandrohungen, noch die weitergehenden Ermittlungen und die
flankierende Medienkampagne dazu beitragen werden, die angestrebte
Abrechnung der Herrschenden mit der RAF oder mit dem bewaffneten
Befreiungskampf weiter voranzutreiben. Diese Maßnahmen laufen ins
Leere, da die 10 Ehemaligen aus der RAF nichts „sagen“
werden.
Die Gesetze werden auch gegen den heutigen und künftigen
Widerstand von den Herrschenden weiter ausgebaut. So sind in BRD-Knästen
migrantische und alle anderen kämpfenden Eingesperrten
ähnlichen und teilweise noch
drakonischere Isolationshaftbedingungen unterworfen, wie damals die
RAF-Gefangenen. Die Eingekerkerten kämpften deshalb in zehn kollektiven
Hungerstreiks
gegen diese Haftbedingungen an. Neun von ihnen überlebten die
Haft nicht. Zu den Toten zählen neben den vier schon genannten auch
Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Ingrid
Schubert aus der RAF, sowie Sigurd Debus, der einer anderen
bewaffneten Gruppe angehörte.
Die politischen Verfahren nach den §§129a/b werden damals wie heute vor Sondergerichten geführt und es werden Linke und Revolutionäre zu Strafen verurteilt.
Warum weiterhin dieses Verfolgungsinteresse und die Hetze?
Der legitime und notwendige Kampf gegen Ausbeutung und
Unterdrückung wird im Rahmen der Aufstandsbekämpfung mit allen
erdenklichen Mitteln bekämpft, angefangen bei Desinformations- und
Hetzkampagnen, bis hin zu Folter und extralegalen Hinrichtungen.
Verantwortlich für diese Hetze sind u.a. Figuren wie Reemtsma,
Koenen, Kraushaar und Aust, die alle eng mit dem BKA und den
Geheimdiensten zusammenarbeiten und ihre Ergüsse dann über die
Medien lancieren.
In diesem Kontext muss auch jetzt der Prozess gegen Verena
Becker gesehen werden. Denn auch 40 Jahre nach ihrer Gründung und 12
Jahre nach ihrer Auflösung steht die RAF noch immer im
Fadenkreuz der Repressionsorgane.
Der Prozess soll dazu dienen, ein weiteres Mal mit der
Geschichte der RAF abzurechnen, indem diese umgedeutet, diffamiert und
letztlich entpolitisiert wird. Vor Gericht steht also nicht nur
Verena Becker, sondern auch die Geschichte und Politik der RAF
und damit verbunden die revolutionären Kämpfe in der BRD und weltweit.
Wie werden sich die 10 Ehemaligen aus der RAF verhalten
Jetzt sollen die 10 vorgeladenen GenossInnen zu den Aktionen der
RAF im Jahre 1977 befragt werden. Neben der Aktion gegen Buback gab es
weitere Aktionen: Gegen den Bankier und Kanzlerberater
Jürgen Ponto, den Ex-Nazi und Kapitalistenfunktionär
Hanns-Martin Schleyer und der versuchte Anschlag auf die
Bundesanwaltschaft. Ziel dieser Angriffe war es u.a. Gefangene aus der
RAF zu
befreien. Vier von diesen Inhaftierten, Andreas Baader, Gudrun
Ensslin, Jan-Carl Raspe und Ingrid Schubert, überlebten den Knast 1977
nicht.
Es ist klar, dass die 10 Vorgeladenen nichts sagen werden. In
dem bereits erwähnten Papier erklärten Ehemalige aus der Guerilla, dass
die Justiz und die Medien von ihnen nur
"Selbstbeschuldigung und Denunziation" forderten, so dass auch
sie – als ProtagonistInnen dieser Zeit – mit dem bewaffneten Kampf als
Teil der revolutionären Geschichte abschließen, um die
Abrechnung des Staates zu komplettieren und dabei helfen, die
Geschichte im Sinne der Herrschenden umzudeuten und umzuschreiben. „Wir
machen keine Aussagen, weil wir keine Staatszeugen sind,
damals nicht, heute nicht.“
In dem Papier stellten sie abschließend fest: „Wir waren im
Knast, weil wir hier den bewaffneten Kampf angefangen haben, und in den
Prozessen ging es uns höchstens darum, Inhalt und Ziele
unserer Politik zu vermitteln. Einer Politik des Angriffs in der
Metropole, die ihre Praxis im Zusammenhang weltweiter Kämpfe um
Befreiung vom Kapitalismus begriffen und bestimmt hat. Wenn es
noch etwas zu sagen gibt, dann dazu.“
Solidarität mit den 10 vorgeladenen GenossInnen!
Wir müssen die RAF als wichtigen und elementaren Bestandteil unserer Geschichte – der Geschichte der revolutionären Linken – begreifen und vehement verteidigen. Von daher rufen wir dazu auf, die vorgeladenen GenossInnen vor Gericht zu unterstützen und sie durch einen gut gefüllten Prozesssaal zu unterstützen. Nicht zuletzt gegenüber den herrschenden Medien, die zahlreich anwesend sein werden. Denn jede/r, die/der schon einmal vor der Klassenjustiz stand, weiß, wie wichtig es ist, wenn man hinter sich solidarische GenossInnen weiß.
Die Vorladungen sind am 10., 24., 25. und 31. März im Landgericht Stuttgart, Urbanstr. 20, Stuttgart-Mitte (Nahe Charlottenplatz), Saal 153.
Zeigt euch solidarisch mit den 10, lasst sie bei ihren Vorladungen nicht allein und kommt zum Prozess!
Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen!
Solidarität mit den 10 ehemaligen Gefangenen aus der RAF!
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen
www.political-prisoners.net
www.nullaefinito.jimdo.com
RAF Prozesse - eine Geschichte ohne Ende
RAF Prozesse - eine Geschichte ohne Ende. Der Prozess gegen Verena Becker.
http://www.youtube.com/watch?v=nijEH9QtLRk