Rom, 6. Februar. Vier Kinder verbrennen bei lebendigem Leibe in einer Hütte am Rande der italienischen Hauptstadt, im Viertel Tor Fiscale. In der Baracke ist nicht viel drin. Ein paar Holzbretter, einige Plastikteile, und weitere wertlose Dinge. Es reicht nur ein Funke oder ein Kohlebecken für den Winter und das Feuer frisst alles, was es finden kann.
Der Rest ist schon tausend Mal gesehen worden. Die Verzweiflung der Verwandten, die Empörung des post-faschistischen Bürgermeister der Hauptstadt, der nach Sonderbefugnisse schreit, um das Lager "zu sichern", und der sich deswegen gegen die Bürokratie auflehnt. Ein sehr wackeliges Alibi, aber wen interessiert es. Es sind doch schließlich nur Zigeuner.
Am nächsten Morgen kommen die Bulldozer und alle Baracken sind nach wenigen Stunden verschwunden. Die Ordnung ist wiederhergestellt.
Es kommt auch die Staatsanwaltschaft, die eine Untersuchung gegen den Vater und die zwei Mütter veranlasst. Die Mutter von drei der vier Kindern und die Großmutter des vierten glauben nicht an die Theorie des Unfalls: Die Feuerschale war weit entfernt, das Feuer brach zu schnell aus.
Eine ähnliche Geschichte passiert vor nur ein paar Jahren. Vier Roma-Kinder starben im Feuer einer Holzhütte unter einer Überführung in der Nähe der Raffinerie Stagno, in Livorno, am 11. August 2007. Die Eltern wurden wegen Verlassen eines Minderjährigen [abbandono di minore] und Brandstiftung verhaftet, obwohl sie sagten, dass sie angegriffen wurden.
Freigesprochen vom Vorwurfe der Brandstiftung, handelten sie mit der Staatsanwaltschaft eine Strafe aus und wurden aus dem Gefängnis entlassen, weil beide nicht vorbestraft waren.
Was von den Medien und der Polizei verschwiegen wurden, war der Bekennerschreiben der GAPE, der "Bewaffneten Gruppe für Ethnische Sauberkeit" (it.: Gruppo Armato di Pulizia Etnica); die Gruppe übernahm die Verantwortung für die Brandstiftung an der kleinen Hütte1.
Wenn es um Roma geht, dann wird das gesamte Spektrum an rassistischen Vorurteile gegen sie ausgepackt. Wenn ihre Kinder sterben ist es ihre eigene Schuld, denn statt auf sie aufzupassen, gehen sie stehlen, und lassen sie alleine in Wohnwagen und Hütten zurück. Als würden einige von ihnen es – wirklich – freiwillig vorziehen, von Almosen in winzigen Hütte zu leben.
Beispielhaft sind die rassistischen Äußerungen von Tiziana Maiolo, Pressesprecherin der mailändische Fraktion von Futuro e Libertà (die neue Partei Finis), nach dem Brand von Tor Fiscale. Sie meinte, es wäre einfacher, Hunde aufzuziehen als Roma-Kinder. „Sie pinkeln an Wände: mein Hund pinkelt nicht an Wände.“2
In Juli 2008 sagte ein Roma-Mädchen nach der Räumung der ehemaligen Fabrik, in der sie und ihre Familie in der via Pisa in Turin wohnten: "Zumindest für eine Weile habe ich in einem richtigen Haus gelebt." Ein Haus mit Toilette, Türen, Fenster, Strom... Danach wurden die ehemalige Bewohner in einem Notlager vertrieben, der sie mit Mäusen teilen mussten.
In Turin, am 14. Oktober 2008, wurde der Roma-Lager in via Vittorio in Brand gesetzt. Drei Molotowcocktail, an drei verschiedenen Stellen der Siedlung an den Ufern der Stura geworfen und schon war das Lager Geschichte. Dort wohnten 60 Menschen. Es gab keine Tote, weil ein Junge rechtzeitig das Feuer bemerkte und die anderen alarmierte. Die Zeitungen erwägten ernsthaft die Möglichkeit, dass die Roma selbst das Feuer gelegt hätten, um die Stadt unter Druck zu setzen und einen besseren Wohnplatz für sich auszuhandeln. Die Beweise? Bei dem Brand war ja niemand ums Leben gekommen!
Ein paar Monate später, nach Dutzenden von Angriffen auf EinwanderInnen und Drogenabhängigen, konzentrierten sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auf die faschistische Gruppe "Barriera Domina", weil in ihren Handys die Scans von Zeitungsartikeln über den Brand in via Vittorio gefunden wurden. Zwei Zeilen in den Zeitungen und dann war die Sache vergessen.
Leute wie Alemanno wollen die Roma in Lagern haben, um sie besser zu „beschützen“ und natürlich im Auge zu halten. Andere würden sie am liebsten sofort verjagen. Die Mehrzahl der Bevölkerung hält die Augen geschlossen, um bloß nichts zu sehen. Vielleicht waren sogar ein paar Menschen mehr als sonst von der aktuellen Tragödie berührt, Kinder sind schließlich immer süß.
Die Brände in Tor Fiscale machten Schlagzeilen, weil die Verstorbenen Kinder, sonst hätte der Vorfall nicht so viel Aufmerksamkeit erregt. Ein Kind stirbt an Kälte, einanderes verbrennt, ein weiteres stirbt an den Folgen einer gewöhnlichen Grippe.
Die Liste von Roma-Lager, die überfallen wurden, ist endlos. Manchmal wurden sie von BürgerInnen zerstört, die „aufzuräumen“ wollten. Oder sie wurde Ziel von ausländerfeindlichen Gruppierungen. Andere Male gab es Brände mit Toten, denn Armut gewährt keine Sicherheit.
Es bleibt die Tatsache, dass die vier Kinder getötet wurden. Es bleibt die Tatsache, dass jeden Tag, irgendwo, jemanden stirbt. Er stirbt an Armut.
Armut ist nicht vom Schicksal bedingt.
Die Verantwortlichen sitzen in den Verwaltungsräten der Banken und Unternehmen, und sind Mitglieder der Regierungen.
Niemand soll glauben, sie/er sei nicht für diese Zustände verantwortlich, denn Gleichgültigkeit ist genauso tödlich.
Alte Post im Termini
Wer sehen will, wie Menschen in Italien behandelt werden, soll nach Rom fahren und in dem Hauptbahnhof (Termini) nach der alten Post fragen. Diese liegt an der Rückseite des Bahnhofes und dort schlafen so viele obdachtlose Flüchtlinge. Oft liegen sie auch nur einfach mit etwas Pappe auf dem Bürgersteig.
In Rom gibt es durch die dortige Kirche ein üppiges Hilfsangebot, d.h. für Flüchtlinge und obdachtlose Menschen z.B. ein Buch, was kostenlos an diese Menschen verteilt wird, in dem sie sich dann über kostenlose Schlaf-, Wasch- und Nahrungsmöglichkeiten in der Stadt informieren können. Herausgegeben wird es von der "Comunita di Sant´Egidio".
Trotzdem gibt es sehr viele Polizeikontrollen und solchen kirchlichen und staatlichen Einrichtungen wird sehr wenig Vertrauen entgegengebracht.