Prozessbeginn der Revision im Fall Oury Jallohs

Oury Jalloh

Wir fordern: Wahrheit - Aufklärung - Gerechtigkeit!

Am 07.01.2005 verbrannte Oury Jalloh, an Händen und Füßen gefesselt, in einer Dessauer Polizeizelle. Der Prozess gegen die angeklagten Polizisten endete im Dezember 2008 mit einem Freispruch. Auf Verlangen der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh legte die Neben­klage Widerspruch gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof (BGH) ein – und bekam Recht.

 

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Exakt am fünften Todestag Oury Jallohs bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH), was die Initiative Oury Jalloh und andere Organisationen bereits seit Langem anprangerten:

 

Der Prozess, der gegen die diensthabenden Polizeibeamten begann, war eine Farce: Vertuschung des Mordes an Oury Jalloh, Kungelei und Mauern der Polizisten, Lügen und Falschaussagen der Zeugen und Angeklagten - ohne Konsequenzen. Der BGH hat daher folgerichtig entschieden, dass der Prozess gegen einen der angeklagten Polizisten neu aufgerollt werden müsse, denn die Familie des Opfers hat ein Recht auf ein rechtsstaat­liches Verfahren. Es scheint sich die Befürchtung zu bestätigen, dass die Entscheidung, eine Revision zuzu­lassen, bloß der Versuch ist, den Druck zu mildern; denn der Prozess wird jetzt genau wie der erste verschoben und verschleppt. Dies zeigt abermals, dass das Rechtssystem in Deutschland keinerlei Interesse hat, die Wahrheit aufzudecken.

 

Die Anklage gegenüber Schubert bleibt "Körperverletzung mit Todesfolge". Es wird weiter­hin nicht in Richtung "Mord" ermittelt. Wir gehen jedoch davon aus, Oury Jalloh wurde ermordet.

 

Die wesentlichen Fragen, die zur Aufklärung des Mordes hätten führen können, wurden nicht beantwortet:

  • Wer hat kurz vor Ausbruch des Feuers die Zelle, in der Oury Jalloh gefesselt lag, undokumentiert betreten?
  • Wie gelangte ein Feuerzeug in die Zelle, obwohl Oury Jalloh zuvor gründlich durch­sucht worden ist?
  • Wie kann ein an Händen und Füßen gefesselter Mensch eine schwer entflamm­bare, unbeschädigte Matratze in Brand setzen?
  • Was für eine Flüssigkeit befand sich kurz vor Feuerausbruch auf dem Boden der Zelle?
  • Wie wurde Oury Jallohs das Nasenbein gebrochen, eine Verletzung, die bei der ersten Obduktion nicht festgestellt wurde?
  • Wo ist das Video der Tatortermittlungsgruppe und wie konnte es einfach verschwinden?
  • Wie konnte die zweite Handschelle, die als Beweismittel gelten sollte, weggeworfen werden?

So entstand der Eindruck, der erste Prozess diente nur dazu, die beteiligten Polizisten zu entlasten.

 

Oury Jalloh - Das war Mord! Alle Versuche, den Prozess weiter zu verzögern sind Ausdruck des institutionellen und strukturellen Rassismus in Deutschland. Wir geben nicht auf! Wir vergessen nicht!

 

Beteiligt euch an den Aktionen! In Gedenken an Oury Jalloh wird eine Demonstration an seinem Todestag in Dessau stattfinden. Am 8. Januar wird eine weitere Demonstration in Magdeburg organisiert. Am 12. Januar beginnt der Prozess gegen den Angeklagten Andreas Schubert.

 

 


Pressemitteilung von thevoiceforum.org:

 

Wir kommen zusammen in unserem überzeugten Einsatz dafür, die rassistischen Strukturen des Staates und der Gesellschaft in der Sache Oury Jalloh zu enthüllen - symbolisch für all die Opfer staatlich organisierter Verbrechen und für die Erfahrungen, die im Kampf dafür gemacht worden sind, die Mörder Oury Jallohs beim Namen zu nennen. Wir wollen auch unseren Aufruf bekräftigen, Polizeibrutalität zu bekämpfen und zu stoppen und gegen das rassistische Profiling der Behörden vorzugehen.

 

Der Tod von Oury Jalloh durch Polizeigewalt, dessen wir gedenken, ist lediglich ein Aspekt der gesamten rassistischen gesetzlichen Manifestation der Ausgrenzung und Unterdrückung von Flüchtlingen und MigrantInnen. Wir erinnern uns auch an die Opfer, die an den Außengrenzen Europas gestorben sind, in Abschiebegefängnissen, während der Abschiebung oder durch die Verweigerung medizinischer Fürsorge, und sogar die Zerstörung von Leben in den Lagern ist ein Beweis für dieselbe rassistische Struktur der Gesellschaft.

 

Die VOICE-Flüchtlingskonferenz, die im Dezember 2010 in Jena stattgefunden hat, verabschiedete einen Appell an alle, sich uns anzuschließen in der Verurteilung des rassistischen Systems und die Öffentlichkeit über die Tode und die Misshandlungen von Flüchtlingen und MigrantInnen zu informieren sowie die verschiedenen Kampagnen miteinander und dem Fall Oury Jalloh zu verbinden. - Der Kampf um Gerechtigkeit im Fall Oury Jalloh wird fortgesetzt, auch wenn wir keinerlei Wahrheit vom Gerichtsprozess erwarten, der nächste Woche in Magdeburg beginnt.

 

Wir fordern die deutsche Rechtsprechung auf, eine gründliche Untersuchung des Falles durchzuführen und die rassistischen Polizeimörder Oury Jallohs festzustellen oder sich den Konsequenzen des organisierten Polizeiverbrechens der rassistischen Institutionen und Behörden zu stellen.

 

Wir fordern eine unabhängige Kommission zur Untersuchung des Mordes an Oury Jalloh in der Polizeizelle in Dessau.

 

Obwohl und vielleicht weil wir von dem neuen Prozess keine Gerechtigkeit erwarten, muss auch dieser Prozess von unabhängigen JuristInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und Betroffenen kritisch beobachtet werden. Diese Beobachtung des Prozesses soll nicht als Legitimation der Vertuschung durch das Gericht verstanden werden, sondern als eine Delegation zur Dokumentation des Prozesses und seiner Ergebnisse.

 

Wir werden den Fall sehr kritisch verfolgen und fordern immer noch Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung der Familie von Oury Jalloh.

 

Genauso werden wir es im Fall von Laye Alama Condé halten, dem anderen Fall, wo keine Gerechtigkeit im Gerichtsverfahren erzielt wurde. Doch beide sind nur ein Teil vieler Fälle von Polizeigewalt, die tödlich endete. N'deye Mareame Sarr, Halim Dener, John Achidi, Zdravko Nikolov Dimitrov, Aamir Ageeb, Arumugasamy Subramaniam, Dominique Koumadio und viele andere sind Opfer der deutschen Polizei und ihrer rassistischen Straflosigkeit geworden. Die Mehrheit dieser Fälle wurde nicht einmal vor Gericht gebracht.

 

Fast sechs Jahre nach Oury Jallohs bestialischem Tod in Zelle Nr. 5 in Dessau sagen wir weiterhin: Oury Jalloh – das war Mord!

 

Wir fordern: Break the Silence! Wahrheit! Gerechtigkeit! Entschädigung!

 

The VOICE Refugee Forum
Januar 2011

 

Link: PM - Verschiebung und Verschleppung des LG Magdeburg im Fall Oury Jalloh

 


Termine auf einen Blick:

  • 07. Januar 2011: Demonstration in Dessau anlässlich des sechsten Todestages Oury Jallohs. 14 Uhr, Hbf Dessasu.
  • 08. Januar 2011: Demonstration in Magdeburg. 13 Uhr, Hbf Magdeburg.
  • 12. Januar 2011: Voraussichtlicher Prozessbeginn im Landgericht Magdeburg; ab 9 Uhr Mahnwache vor dem LG Magdeburg (Halberstädter Str. 8).

 


Pressemitteilung des Landgerichts Magdeburg

Landgericht Magdeburg - Pressemitteilung Nr.: 080/10

Magdeburg, den 8. Dezember 2010

(LG MD)  Strafprozess um den Tod von Ouri Jallow beginnt

21  Ks 141 Js 13260/10 (8/10) – 1. große Strafkammer


Am
Mittwoch, 12. Januar 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23.

beginnt die Neuauflage des Prozesses um den Tod von Herrn Ouri Jallow  am 07.01.2005 im Polizeirevier in Dessau.

Folgende weitere Fortsetzungstermine wurden bereits festgesetzt:

Freitag, 14. Januar 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Freitag, 21. Januar 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Freitag, 4. Februar 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 10. Februar 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Freitag, 11. Februar 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 3. März 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Freitag, 4. März 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 10. März 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Freitag, 11. März 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 31. März 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Freitag, 1. April 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 7. April 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Freitag, 8. April 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 14. April 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Freitag, 15. April 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 28. April 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 5. Mai 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 12. Mai 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 19. Mai 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,
Donnerstag, 26. Mai 2011, 9.30 Uhr, Saal A 23,

Die Anordnung weiterer Hauptverhandlungstermine jeweils mittwochs bis 31.08.2011 bleibt vorbehalten

Die Hinweise für die Akkreditierung von Medienvertretern und den  Möglichkeiten als Zuhörer am Prozess teilzunehmen bitte ich gesonderten Pressemitteilungen zu entnehmen.

Hintergrund nach der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 3/10 vom 07.01.2010

„Am 7. Januar 2005 verstarb der in Sierra-Leone geborene Ouri Jallow in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau. an den Folgen eines durch den Brand der Matratze, auf der er fixiert worden war, ausgelösten Inhalationshitzeschocks.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten, der als Dienstgruppenleiter der Polizei die Verantwortung für den Gewahrsamsbereich getragen habe, zur Last gelegt, er habe es unterlassen, sofort nach dem Ertönen des Alarmsignals des Rauchmelders Rettungsmaßnahmen einzuleiten, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass beim Ansprechen eines Rauchmelders stets vom Ausbruch eines Feuers auszugehen sei. Dabei habe er mögliche Verletzungen Ouri Jallows durch Rauch- und Feuereinwirkung billigend in Kauf genommen.

Das Landgericht Dessau-Roßlau hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen.

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Landgerichts mit folgender Begründung aufgehoben: Nach den Urteilsausführungen ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand der Matratze im Einzelnen entwickelt hat. Insbesondere bleibt unklar, ob ein vom Landgericht angenommenes "Anschmoren" des Matratzenbezuges ohne Verbrennungen der Hand und entsprechende Schmerzenslaute möglich wäre, die den Angeklagten zu einem frühzeitigen Eingreifen hätten veranlassen müssen. Zudem hat das Landgericht bei der Bemessung der für die Rettung Ouri Jallows zur Verfügung stehenden Zeit nicht bedacht, dass der Rauchmelder bereits Minuten vor dem Entzünden der Schaumstofffüllung der Matratze, das innerhalb von zwei Minuten zu einem tödlichen Inhalationsschock führte, möglicherweise bereits dadurch ausgelöst worden war, dass der schwer entflammbare Matratzenbezug zunächst unter Verwendung eines Gasfeuerzeuges angeschmolzen wurde, um die Schaumstofffüllung freizulegen. Dann hätte der Angeklagte aber möglicherweise den Todeserfolg verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm die erforderlichen Rettungsmaßnahmen eingeleitet hätte. Der 4. Strafsenat hat im Übrigen die Annahme des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte habe sich pflichtgemäß verhalten, obwohl er den Alarm zunächst wegdrückte, anschließend ein Telefongespräch mit seinem Vorgesetzen führte und danach auf dem Weg zu dem Gewahrsamsbereich umkehren musste, weil er vergessen hatte, die Fußfesselschlüssel mitzunehmen.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen. Dort muss sie nunmehr neu verhandelt werden.

BGH Urteil vom 7. Januar 2010 – 4 StR 413/09

LG Dessau-Roßlau – Urteil vom 8. Dezember 2008 – 6 Ks 4/05“

Christian Löffler
Pressesprecher

Impressum:

Landgericht Magdeburg
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Halberstädter Str. 8
39112 Magdeburg
Tel: (0391) 6 06 20 61 oder -2142
Fax: (0391) 6 06 -20 69 oder -20 70
Mail: pressestelle@lg-md.justiz.sachsen-anhalt.de

 

 

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Der Fall Oury Jalloh wird ab nächster Woche vor dem Landgericht Magdeburg erneut verhandelt. Ein Gespräch mit Araz Ardehali

Araz Ardehali ist Aktivist der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrantinnen und kämpft für die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh

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