Am. 09.10.2010 fand im Bochumer Sozialen Zentrum die 2. Vollversammlung für autonome Politik in NRW statt. Wieder kamen weit über 60 Personen aus verschiedenen Spektren zusammen um miteinander über die gemeinsamen Perspektiven autonomer Politik zu diskutieren.
Am Anfang des Treffens stand erneut eine kurze Vorstellungsrunde. Wie schon bei der ersten AVV waren Teilnehmer aus zahlreichen Städten vertreten.
Die Organisator_innen aus Bochum und Gelsenkirchen hatten im Anschluss an die Diskussionen des ersten Treffens einige Orientierungspunkte für die Tagesordnung zusammengestellt.
Die Fragen „Was ist das Autonome an unserer Politik?“ und „Wir wollen wir unsere Autonomie gestalten?“ sollten für das heutige Treffen im Fokus stehen. Dazu legten die Einladenden die Möglichkeit nahe, sich für eine dreiviertel Stunde in Arbeitsgruppen zusammen zu finden, um Einzelpersonen den Zugang zur Diskussion zu erleichtern.
Bevor sich die Gruppen zusammen fanden, wurde in einem kurzen Referat auf eine 2011 anstehende „Volkszählung“ hingewiesen. Im Rahmen der statistischen Erhebung sollen knapp 10% der Bevölkerung zur Abgabe von umfangreichen persönlichen Daten gezwungen werden. Die Verweigerung kann mit Bußgeldern bis zu 5000 Euro bestraft werden. Darüber hinausreichende Informationen sollen aus bereits bestehenden Datensätzen zusammengeführt werden. Eigentümer_innen von Gebäuden und Wohnräumen sollen unabhängig vom statistischen Zufallsprinzip zwangsbefragt werden. Um auf diese skandalösen staatlichen Zugriffsversuche zu reagieren und im besten Fall die Widerstandstradition gegen die „Volkszählung“ von 1987 fortzusetzen, wurde über die Möglichkeit einer breit angelegten Kampagne und individueller Gegenstrategien diskutiert.
Aus den insgesamt vier Diskussionsgruppen kamen verschiedene Impulse, die auch die Debatte auf der kommenden Vollversammlung bestimmen können. Definitionsversuche autonomer Politik umfassten u.a.: Die autonome Strategie wird als unabhängige, gering vermittelte Politik abseits fester Mitgliederstrukturen verstanden. Auch ihre theoretische Basis liegt in einem grundlegendem Bedürfnis nach höchstmöglicher Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Darüber hinaus wird autonome Politik auch maßgeblich von ihren Aktionsformen bestimmt: Schwarzer Block und das Konzept Kleingruppe umfassen gezielte Brüche mit dem Legalen und zielen auf revolutionäre Agitation. In einem umfassenden Prozess der „Selbsttransformation“ sollen durch individuelle und gemeinsame Reflexion Herrschaftsstrukturen – beispielsweise rassistische und sexistische Wahrnehmungs- und Handlungsformen – erkannt und beseitigt werden. Manche Gruppen betonten zudem den Aspekt Subkultur – Kleidung, Musik und selbst gemeinsame Sprache wurden als Nebenaspekte der gemeinsamen Politik erwähnt. Für einige Gruppen war dies Anlass, über eine Grundlagenkritik an den Autonomen zu diskutieren.
Im Anschluss an die zusammengetragenen Ergebnisse wurde zudem über das Aktionskonzept der Kampagne „Castor schottern“ im Hinblick auf den im November anstehenden Castor-Transport informiert. In der darauf folgenden Diskussion ging es für einige Anwesenden überraschend heiß her. Erfahrenere Castor-Gegner_innen formulierten Kritik an der Kampagne, da sie durch sie die Vielfältigkeit des Protests gefährdet sehen. Nach einigen hitzigen Minuten konnte die Diskussion allerdings beruhigt werden, um eine Organisationsgruppe für die kommende VV zu finden. Die Verantwortlichen werden in Abstimmung mit anderen wichtigen Daten zeitnah einen Termin bekannt geben.
Schottern oder schlottern?
Kaum schließen sich GenossInnen aus dem Wendland und dem Bundesgebiet zusammen, um eine Kampagne zu organiseren, werden die Zeigefinger erhoben. Ein paar Kostproben:
>„Das ist kein Spaß, sondern ein gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr“, sagte Ministeriumssprecher Klaus Engemann am Freitag in Hannover. Die Polizei werde alles tun, um die Entfernung von Schotter zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg prüft nach eigenen Angaben, ob bereits der Aufruf eine strafbare Handlung ist.< (Innenministerium Niedersachsen)
>Erfahrenere Castor-Gegner_innen formulierten Kritik an der Kampagne, da sie durch sie die Vielfältigkeit des Protests gefährdet sehen< (Autonome VV NRW)
>Manipulationen am Gleiskörper oder ähnliche Aktionen gefährden Menschenleben. Kein Protest, und sei er noch so verständlich, berechtigt zu solchen Taten.< (SPD-Fraktion Niedersachsen)
Worin sind sich also einige Autonome aus NRW, das niedersächsische Innenministerium und die SPD aus dem dortigen Landtag einig? Darin, daß das organisierte Handeln von Menschen, die kollektive Regelübertretung, der gemeinsame Schritt vom Protest zum Widerstand für die jeweils eigene Politik ein Problem darstellt. Gruselig!
Dabei ist im Wendland Platz für alle: Für die, die gewaltfrei sitzen wollen genauso wie für die, die sich militant in der Kleingruppe an die Aktion machen. Unerwünscht ist nur, die Aktion der jeweils anderen kaputt zu machen - der Protest bleibt bunt und vielfältig.
Für alle, die Bock auf kollektiven Widerstand haben, heißt es weiter: Atomausstieg ist Handarbeit. Trainiert das Schottern! Bereitet euch darauf vor, im Wendland den Castor zu stoppen :-)
Infos über die Kampagne (in der natürlich jede Menge autonome GenossInnen aus dem Wendland und drumherum mitarbeiten) gibt es unter www.castor-schottern.org