Protest gegen Gentrifizierung: Hausbesetzung im Jungbusch endet friedlich

Das besetzte Haus in der Hafenstraße 66

Aus Protest gegen steigende Mieten und die Gentrifizierung des Stadtteils hat das Bündnis WGDS (Wem gehört die Stadt?) ein leerstehendes Haus im Jungbusch besetzt. Die Immobilie in der Hafenstraße 66 wurde vor einigen Jahren als sogenannte “Problemimmobilie” von der Stadt gekauft und steht seitdem leer. Am Montag wurden im Rahmen einer SPD Veranstaltung Pläne bekannt, dass ein weiteres “Kreativzentrum” in der Immobilie eingerichtet werden soll. Von Wohnraum war keine Rede.

 

Stadt zeigt sich verhandlungsbereit

Am Nachmittag der Besetzung liefen Verhandlungen zwischen Vertretern der Stadt und dem Bündnis WGDS. Petar Drakul, Referent des Oberbürgermeisters, äußerte Verständnis für das Anliegen der BesetzerInnen und bot ein Gespräch an. Er könne aber aufgrund des baulichen Zustands der Immobilie keinen Aufenthalt im Haus dulden. Das Haus sei vor sechs Jahren aus Sicherheitsgründen geräumt worden. Ein Gutachten hätte ergeben, dass es einsturzgefährdet sei. WGDS berichtet später, ein hinzugerufener Statiker konnte die Bedenken der Stadt nur zum Teil bestätigen. Das Haus sei nicht einsturzgefährdet, es gebe lediglich einige gefährliche Bereiche. Zu den Verhandlungen, die auf der Straße vor dem Haus stattfanden, kamen auch der Quartiermanager, Stadträte und weitere lokale Akteure hinzu.

Kritik an Gentrifizierung des Stadtteils

“Die Stimmung im Jungbusch droht zu kippen! Das sagen mittlerweile sogar die Regierungsparteien inklusive der SPD öffentlich”, so die SprecherInnen von WGDS. “In den letzten Jahren sind die Mieten explodiert. Zahlreiche Häuser wurden aufgekauft und luxussaniert – für die Bewohner*innen des Jungbuschs ist das ein Riesenproblem. Denn häufig können sie die neuen Mieten nicht zahlen und müssen ihre Wohnungen verlassen.” Insbesondere ein Investitionsfond der französischen Großbank BNP Paribas und die Mannheimer Skandalimmobilienverwaltung Hildebrandt & Hees täten sich dabei hervor, aber auch die übrigen, teils alteingesessenen HausbesitzerInnen zögen mittlerweile mit, schreiben die BesetzerInnen. Bis vor Kurzem habe die Stadt diese Entwicklung begrüßt und mit dem Ansiedeln von Start-Up-Unternehmen sowie der Popakademie bewusst ein Umfeld für private Investor*innen geschaffen. “Mittlerweile ist ihnen klargeworden, dass sie über das Ziel hinausgeschossen haben”

Sozialer Wohnraum über das Modell des Mietshäuser Syndikat

Am Nachmittag fand eine Pressekonferenz statt, bei der die BesetzerInnen ihre Forderungen formulierten. Das Haus soll sozialen Wohnraum bieten, insbesondere auch für MigrantInnen und Geflüchtete. Außerdem soll Raum für Werkstätten, Kultur und soziale Projekte geschaffen werden. Die Nachbarschaft solle in die Plaungen einbezogen werden.  Realisiert werden könne das über das Modell des Mietshäuser Syndikat. Die BesetzerInnen seien bereit, für die Immobilie 450 000 Euro zu zahlen – das ist der Betrag, den die Stadt Mannheim vor sechs Jahren für die Immobilie zahlen musste.

Am Abend soll ein Vortrag über das Mietshäusersyndikat stattfinden und einen Film gezeigt werden. Außerdem gibt es Essen und Getränke. Im Verlauf des Nachmittags findet unmittelbar in der Nähe, vor der Aral-Tankstelle, das “Käsebrezelfest” statt, eine von Künstlern ins Leben gerufene Veranstaltung, die sich ebenfalls mit der Gentrifizierung des Jungbusch beschäftigt und den geplanten Abriss der Tankstelle kritisiert. Dort gebe es nämlich die beste Käsebrezel.

Anwohner solidarisieren sich

Im Zuge der Besetzung veröffentlichten, Kulturschaffende, Gewerbe und Vereine aus der Nachbarschaft eine Solidaritätserklärung für die BesetzerInnen. Darin heißt es: “wir (…) sehen die jüngsten Entwicklungen mit Sorge. Der unverwechselbare Flair des Jungbusch lebt von Menschen mit Migrationshintergrund, Studierenden, Künstlerinnen und Künstlern und unangepassten Menschen. Diese Mischung mag Schwierigkeiten beinhalten, aber macht letzten Endes den Reiz unseres Viertels aus. (…) Wir unterstützen die Forderungen des „Wem gehört die Stadt?“ Bündnis nach preisgünstigem Wohnraum im Jungbusch. Wir unterstützen die Hausbesetzung in der Hafenstraße 66 und das vorgeschlagene Nutzungskonzept nach dem Modell des Mietshäusersyndikats.”

Das monatliche “Offene Stadtteiltreffen” fand ebenfalls im besetzen Haus statt. Daran nahmen auch Vertreter von SPD und Grünen teil. Beim Stadtteiltreffen ist die Gentrifizierung des Jungbusch seit Monaten ein heiß diskutierten Thema (das Kommunalinfo berichtete).

Hausbesetzung endet ohne Eskalation

Gegen Abend erklärten die BesetzerInnen die Besetzung für beendet. Die Aktion sei ein Erfolg für den Stadtteil und ihr Anliegen gewesen. „Wir haben das Haus für den Stadtteil geöffnet und den Nachmittag über mit verschiedenen Veranstaltungen gezeigt, wie eine zukünftige Nutzung des Hauses aussehen könnte. Wir haben die breite Aufmerksamkeit genutzt, um mit Vertreter*innen der Stadt in Verhandlungen zu treten und es ist uns gelungen, unsere Standpunkte deutlich zu machen.“, resumierte die Sprecherin Eva Schmitt. Am Sonntag sei ein Gespräch mit der Stadt vereinbart, bei dem es über die zukünftige Nutzung des Gebäudes gehen solle.

Das Abendprogramm wurde spontan in das Nachbargebäude des besetzten Hauses verlegt, in dem der Verein Kulturbrücken seine Räume hat. Dort soll es den Vortrag über das Mietshäuser Syndikat geben, außerdem ein Konzert mit dem Rapper Chaoze One und einen Film, der ebenfalls das Mietshäuser Syndikat zum Thema hat.

 

Der Artikel auf Kommunalinfo-Mannheim.com mit Stellungnahmen von WGDS und Parteien

 

Fotos von der Besetzung

 

Webseite des Bündnis WGDS

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Eine symbolische Aktion. Mit Sicherheit hat sie Berechtigung. Aber was glaubt ihr denn wird sich ändern? Die Kommunen benehmen sich bei denen von ihnen zu verwaltenden Gemeingut wie Privateigentümer. Gemeineigentum gehört somit der Verwaltung, deren Interessen sich nicht nach Gemeinwohl oder denen der Bedürftigen richtet, sondern an der Profitmaximierung.

Warum seit ihr nicht in dem Gebäude geblieben und habt das Besitzverhältnis und das ökonomische System in Frage praktisch gestellt?

Weil die Menschen die diese "Besetzung" durchgeführt haben und vor allem die Bündnismitglieder in diesem Bereich überhaupt keiine Ahnung haben und sich größtenteils auf die Mannheimer SPD und Grünen verlassen. Das waren keine radikalen Linken sondern irgendwelche Leute die ungefähr auf einem Level mit Attac oder Campact-Aktivisten sind. Also darf man nicht mehr als das erwarten. Eine Aktion mit ernstgemeintem antikapitalistischen Anspruch war das nicht und sowas darf man von diesem Bündnis auch einfach nicht erwarten.

Wäre natürlich viel besser gewesen, wenn die Leute ganz heroisch drin geblieben wären und von dort aus ab morgen dann den Kapitalismus beseitigt hätten.

Ich geh mal davon aus, dass du keine Ahnung von der Planung der Sache hattest und vermutlich auch nicht vor Ort warst, dass du allgemein keinen Plan von Hausbesetzungen hast und vielleicht sogar denkst, erfolgreiche Besetzungen seien immer auf die heroische Aufopferungsbereitschaft der Besetzer*Innen zurückzuführen.

Ob es strategisch sinnvoll war das Haus erstmal nur symbolisch für einen Tag zu öffnen wird sich zeigen.

Du kannst dir beim ZK jetzt jedenfalls die Silbernadel "Held der Indymedia-Kommentarspalte" abholen. Hoffe dein Tag ist dadurch schöner geworden.

Auf der ganzen Welt bzw. in den scheindemokratischen kapitalistischen Ländern praktizieren zwei Arten von Leuten Haus- und Wohnungsbesetzungen:

 

1. Aktionisten

 

2. Aktivisten

 

Die Kategorie 1 war im vorliegenden Fall zu beobachten, Kategorie 2 sind die, die Besetzungen erfolgreich durchziehen - wenigstens ein paar Jahre lang.

 

Von denen gibt es wiederum zwei Sorten bzw. zwei verschiedene Methoden werden angewandt:

 

1. "Illegale" Besetzung mit Barrikaden / Gewalt / Räumung durch Polizeigeschwader

 

2. Legale "Besetzung" unter Anwendung der exakt dafür vorgesehenen Gesetze und Rechtsmittel, die auch von Konzernen und Verwaltungsfirmen seit Jahrzehnten erfolgreich angewandt werden, weil sich hauptsächlich nur Hobbyjuristen, spezialisierte Fachanwälte, Richter und eben die Rechtsabteilungen von Großkonzernen mit diesen Gesetzen auskennen

 

Alleine in dieser Stadt gibt es mindestens 1 Wohnung, die seit einem Jahr mit Methode 2 "besetzt" ist - bislang kein einziger Räumungsversuch. Vormaliger Besitzer der immobilie: GBG, ein Großkonzern, der gegen die Rechtsmittel eben genausowenig Chancen hat wie ein Bauer, dem die Regierung mit einem dafür erlassenen Gesetz sein Feld wegnimmt.

 

Vielleicht sollte man für optimale Ergebnisse einfach mal beide Methoden kombinieren (so wie in anderen Ländern auch)

du meinst also, die antikapitalistische linke sollte sich mit der antikapitalistischen rechten (d.h. reichsbürger) gegen den kapitalismus verbünden? da bin ich ja mal gespannt.