Schorndorf. Polizei und Politik wurden kalt erwischt: Bei einem sonst immer friedlichen Volksfest in Baden-Württemberg kommt es plötzlich zu sexuellen Belästigungen gegenüber jungen Frauen und Gewalt gegen Gäste und Polizisten. Beteiligt waren nach Angaben der Beamten auch Menschen mit Migrationshintergrund. Die Polizei gab am Montag zu, zwischenzeitig nicht Herr der Lage gewesen zu sein.
Als Reaktion auf die Krawalle will die Stadt Schorndorf ihr Stadtfest mit mehr Polizei sichern. Auch werden die Beamten an den beiden letzten Tagen der „Schorndorfer Woche“ dunkle Ecken auf dem Festgelände besser ausleuchten, kündigte der Aalener Polizeipräsident Roland Eisele an. Bei dem Stadtfest östlich von Stuttgart wurden in der Nacht zu Sonntag Festgäste und Polizisten aus einer Ansammlung von etwa 1000 jungen Menschen im Schlosspark heraus angegriffen. Außerdem wurden laut Polizei zwei Frauen von Flüchtlingen begrapscht. „Die Polizei hatte die Situation nicht immer im Griff“, räumte Eisele ein. Aber:
„Ein Ausnahmezustand ist für mich etwas anderes.“
Vor den Krawallen hätten vor allem Abiturienten und Realschüler auf dem Volksfest gefeiert, sagte der Oberbürgermeister der Stadt, Matthias Klopfer (SPD), dem SWR. „Und dann kam es nach Mitternacht zur Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen.“ Später seien auch mehrere Menschen mit Migrationshintergrund oder Asylbewerber hinzugekommen – dies sei aber nicht der Großteil gewesen. Den Opfern der sexuellen Übergriffe, einer 17-Jährigen und einer 25-Jährigen, sprach der Oberbürgermeister sein Mitgefühl aus: „Das ist kein Kavaliersdelikt.“ Die beiden Frauen hatten sich gleich nach den Belästigungen bei der Polizei gemeldet und damit alles richtig gemacht, sagte Eisele. Es dürfe keine Scheu geben, solche Straftaten anzuzeigen.
Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) bezeichnete die Vorfälle als „völlig inakzeptabel“: „Es gilt glasklar: Wir dulden solche Exzesse nicht, bei uns gibt es keine rechtsfreien Räume, wir haben null Toleranz bei Gewalt, bei sexuellen Übergriffen, bei Gewalt gegen die Polizei.“ Am Donnerstag soll sich der baden-württembergische Landtag mit den Vorfällen in Schorndorf beschäftigen.
Der Polizeipräsident berichtete, angesichts der Gewalt in dem Park hätten die Beamten sich zeitweise zurückgezogen und dann die Lage mit aus anderen Orten zu Hilfe gerufenen, verdoppelten Kräften wieder unter Kontrolle gebracht. Man habe die Personalien von drei jungen Afghanen aufgenommen, die die jüngere Frau belästigt haben sollen. Als tatverdächtig im zweiten Fall gilt ein junger Iraker. Alle Männer seien auf freiem Fuß, es sei kein Haftbefehl erlassen worden.
Beide Male sei Alkohol im Spiel gewesen, ebenso wie bei den Angriffen im Schlosspark, berichtete Eisele. Bei den Ausschreitungen im Park hätten sich zum Teil zuvor im Clinch liegende Gruppen gegen die Polizei solidarisiert. Es habe keinen überdurchschnittlichen Anteil von Migranten in der Menschenmenge gegeben. Zeugenaussagen, wonach kleine Gruppen mit Messern und Schreckschusspistolen in der Nacht zu Sonntag durch die Stadt gezogen seien, gehe die Polizei noch nach.
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Sexuelle Übergriffe auch in Böblingen
Ähnliche Fälle wie in Schorndorf sind auch von einem Fest in Böblingen südwestlich von Stuttgart bekannt geworden. Wie die Polizei mitteilte, war eine Gruppe betrunkener afghanischer Asylbewerber am Sonnabend am Rande des Holi-Festivals aggressiv geworden. Während der Aufnahme des Sachverhalts meldeten sich bei den Polizisten mehrere junge Frauen, die demnach von zwei Männern aus der Gruppe unsittlich berührt und sexuell beleidigt worden waren.
Die Zahl sexueller Übergriffe von Migranten in Baden-Württemberg ist zuletzt gestiegen. Laut Innenministerium wurden 482 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (2015: 256) und 120 Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen (2015: 70) von Asylbewerbern und Flüchtlingen begangen.