HINTERGRUND: Druck auf Aussteiger in Dortmund, Nazis am Ballermann und verurteilte Straftäter im Offenen Vollzug

Aexander-D.-auf-Mallorca.-Screenshot-LInksunten
Erstveröffentlicht: 
22.06.2017

Von Marcus Arndt

Dass der ein oder andere Kamerad der Nazi-Kommune um Michael Brück (27) in Dortmund-Dorstfeld plötzlich und unerwartet – bevorzugt in einer Nacht- und Nebelaktion – den Rücken kehrt, kommt schon mal vor und ist auch kein Geheimnis mehr. Gründe sind einerseits die häufigen Straftaten und daraus resultierenden Geld- und Haftstrafen sowie der Druck der Zivilgesellschaft und Antifaschisten, andererseits macht es bei dem ein oder anderen doch „Klick“ im Kopf, selbst nach jahrelanger brauner Gehirnwäsche.

 

Von Marcus Arndt

Dass der ein oder andere Kamerad der Nazi-Kommune um Michael Brück (27) in Dortmund-Dorstfeld plötzlich und unerwartet – bevorzugt in einer Nacht- und Nebelaktion – den Rücken kehrt, kommt schon mal vor und ist auch kein Geheimnis mehr. Gründe sind einerseits die häufigen Straftaten und daraus resultierenden Geld- und Haftstrafen sowie der Druck der Zivilgesellschaft und Antifaschisten, andererseits macht es bei dem ein oder anderen doch „Klick“ im Kopf, selbst nach jahrelanger brauner Gehirnwäsche.

Aussteiger-Familien haben mit physischem und psychischem Druck zu kämpfen

 

Ein Ausstieg aus der sektenähnlichen und organisierten Neonazi-Szene erscheint sich mehr als schwierig darzustellen und bedarf neben einer guten Planung auch Mut und Kraft.

Sich loszusagen von einer Gruppe von Menschen, die nicht nur als gewaltbereite und brutale Schläger bekannt sind, sondern sich auch als Ideologen verstehen. Individuen so lange zu „formen“ bis diese selber die vertretende Ideologie verinnerlicht haben und selbst vertreten, ist mit psychischem und physischem Druck nicht nur für den Aussteigenden, sondern für alle Familienmitglieder und Freunde verbunden.

Dieses bedarf professioneller externer Hilfe durch ein Zusammenspiel zwischen Aussteigerinstitutionen, gegebenenfalls Psychologen und Behörden. So auch in dem Fall eines ehemals jahrelangen aktiven Mitgliedes der Dortmunder rechten Szene, welcher den Ausstieg mit Hilfe eines Aussteigerprogramms gewählt hat und heute glücklich mit seiner Lebensgefährtin fernab der Neonazi-Szene lebt.

Indirekte und unverhohlene Drohungen gegen ehemalige Kameraden

 

Dass wieder jemand plötzlich aus dem „Brückschen“ Kreis einfach heraustritt und diesen verlässt, passt den Rechtsextremisten nicht.  Sie nutzen „ihr Internet-Zentralorgan“, um sich nicht nur „Luft“ zu verschaffen, sondern auch um ihre „Schäfchen“ beisammen zu halten.

Hier präsentiert sich der schreibende Neonazi zuerst als sanftmütige Person, welche es respektiert, wenn jemand seine politische Haltung ändert und die Nazi-Kommune verlassen möchte. Doch nur einen Satz später holt er zum verbalen Schlag aus und warnt zukünftige Aussteiger, was ihnen droht, sollten diese mit dem Gedanken spielen, ebenfalls auszusteigen.

Zwar beteuern die Rechtsextremisten auf ihrer Seite, keinerlei Stimmung gegen den Aussteiger zu machen. Allerdings veröffentlichen sie jedoch ganz beiläufig in perfider Art und Weise Privates sowie die Straße, in der ihr ehemaliger Kamerad wohnt.

Während die selbstverfassten Kommentare auf der rechten Internetseite noch „human“ wirken, klingen diese auf den Facebook-Seiten des Dortmunder Ratsherrn Michael Brück und seinen Kameraden schon glaubwürdiger: Von verbalen Beschimpfungen bis hin zu Drohungen ist alles vertreten, was der ideologische Nazi gelernt und verinnerlicht hat.

Mit der Reichskriegsflagge und Hakenkreuz-Tattoo auf dem Ballermann

 

Sie müssen manche Schlappe hinnehmen: Der „Tag der deutschen Zukunft (TDDZ) 2017“ in Karlsruhe floppte. Trotz großer und mehrmonatiger Werbekampagne kamen weniger als 300. „Mehrere tausend Teilnehmer“ hatte man sich erhofft.

Um die Anhänger weiterhin bei Laune zu halten, kam es den Dortmunder Neonazis ganz recht, dass einer der ihnen nach Mallorca flog. Gemeinsam mit seinen Kameraden „erholten“ sie sich von dem mehr als peinlichen Nazi-Event.

Im „Bierkönig“ an der legendären Schinkenstrasse auf Mallorca entrollten 15 Nazi-Hools während eines Auftrittes der Schlagersängerin Mia Julia dann auch gleich mal eine Reichskriegsflagge. Allen voran stand der mehrfach vorbestrafte Alexander D. aus Dortmund.

Der Rechtsextremist ist in der Szene nicht nur als langjährig aktiver Kader in der Neonazi-Szene bekannt, sondern auch als Veranstalter von Rechts-Rock Konzerten. Die bekannte und mehrfach ausgezeichnete Journalistin Andrea Röpke beschreibt D. als einen der „Vordenker“ der rechten Szene.

Neonazi-Kader beklagt sich über Falschberichte und die „Schmierenpresse“

 

Somit war es wenig verwunderlich, dass Alexander D. zusammen mit seinen Kameraden um Aufmerksamkeit buhlte, die Reichskriegsflagge während des Auftrittes entrollte und die anwesenden BesucherInnen durch seine Grimassen und Gestikulationen versuchte zu provozieren.

Die Schlagersängerin und Gäste zeigten den Rechtsextremisten jedoch kurzerhand was diese von ihnen hielten und unter einem gemeinsamen lautstarken „Nazis Raus“ wurden die Rechtsextremisten binnen weniger Minuten vor die Tür gesetzt.

Zurück aus Spanien, beklagt sich D. sofort über die Berichterstattungen und redet von Schmierenpresse usw. Stellt sich und seine Kameraden als arme Rechtsextremisten dar, die von allen missverstanden werden und diese nun an den Pranger stellen.

Fakt ist jedoch, dass diese „armen“ missverstandenen Kameraden alles andere als harmlos sind. Das zeigen nicht nur „Hitler-Grüße“ von mehreren Aktiven, die auf Fotos und Videos zu sehen sind.

HINTERGRUND: Wer sind die HammerSkins?

Nach Medienberichten und dem Antifaschistischen Portal „Linksunten“ soll es sich u.a. auch um Mitglieder der sogenannten „HammerSkins“ handeln. Gegründet wurden die HammerSkins 1986 in den USA, sind eine elitäre nationalsozialistische Vereinigung und streben die „Reinheit der Rasse“ an.

Als Logo stehen zwei gekreuzte Hämmer, welche für die weiße Arbeiterklasse stehen sollen. Sie agieren vornehmlich im Verborgenen. Seit Anfang 1990 sind die HammerSkins auch in Deutschland bekannt. Die taz berichtete in ihrer Ausgabe vom 11.01.2013 von einer zwanzigseitige Analyse des Bundeskriminalamtes im Zuge der Ermittlungen zum NSU.

Dort heißt es: „Nun hat das Bundeskriminalamt im Zug der Ermittlungen zur Terrorzelle NSU eine eigene, zwanzigseitige Analyse zu den „Hammerskins“ erstellt, die die taz einsehen konnte. Dort ist die Rede von 193 bekannten Mitgliedern und Sympathisanten des Neonazi-Netzwerks in Deutschland. Von fast der Hälfte wisse man, dass sie Straftaten begangen haben: Volksverhetzung, rechte Propaganda, aber auch Gewaltdelikte.“

Also alles harmlose und missverstanden Menschen, wie Alexander D. sich und seine Kameraden beschreibt? Mitnichten.

Gemütliche gemeinsames Happening im offenen Vollzug in Castrop-Rauxel

 

Auch Michael Brück blieb nicht untätig und versuchte seine Gefolgschaft dazu zu motivieren, den Kameraden ein paar Zeilen zu zusenden, welche momentan in Haft sitzen.

Aktuell sitzen fünf bekannte Neonazis aus Dortmund in den NRW-Justizvollzugsanstalten (JVA) ein. Allerdings nicht über das Land verteilt: Gleich vier der Rechtsextremen mussten (oder besser durften) zusammen den sogenannten „offen Vollzug“ in einer JVA antreten. Dort ist man auch weiterhin „unter sich“.

Unter den Gefangenen dürfte sich auch der Scharnhorster Bezirksvertreter Daniel Grebe befinden, welcher u.a. wegen Körperverletzung des Dortmunder Politikers Christian Gebel (Piraten) zu einer 22-monatigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Der Neonazi hatte dem Piraten am Wahlabend im Mai 2014 mit voller Wucht und aus nur drei Metern Entfernung eine Glasflasche an den Kopf geschleudert. Grebe habe damit schwere Verletzungen billigend in Kauf genommen, so der Vorsitzende Richter Mattern in seiner Urteilsbegründung 2015.

 

Der „offene Vollzug“ gehört zu den liberalsten Formen der Strafvollstreckung

Der „offene Vollzug“ gehört mit zu den liberalsten Formen der Strafvollstreckung. In der Regel ist der Gefangene nur zum Schlafen in der JVA, während dieser tagsüber einer Tätigkeit nachgeht. Nach der Arbeit kehrt der Gefangene in die Haftanstalt zurück und kann seine Freizeit gestalten wie er möchte.

Zellen gibt es in dieser Vollzugsform nicht, ebenso wenig wie Mauern oder hohe Umzäunung. Die Gefangenen wohnen praktisch mit mehreren anderen Häftlingen (zwei bis sechs Personen) in Stuben, kochen zusammen usw. und können sich dort auch innerhalb des Geländes und des zugewiesenen Haft-Hauses frei bewegen. Es ist vergleichbar mit einer Jugendherberge.

Dass man allerdings vier gewaltbereite und mehrfach verurteilte Neonazis zusammen in einer jugendherbergsähnlichen Haftanstalt unterbringt, hat nichts mehr mit Strafe zu tun und noch weniger mit Resozialisierung. Alexander D. muss nicht fürchten, für seinen Mallorca-Auftritt seinen Kameraden in Haft Gesellschaft leisten zu müssen. Ein solches Propaganda-Delikt ist in den meisten Ländern nicht strafbar.

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