Deutsche Sicherheitsbehörden rechnen beim G-20-Gipfel in Hamburg mit mehr als 10.000 gewaltbereiten Linksradikalen aus In- und Ausland. Auch von aggressiven Putin- oder Erdogan-Anhängern droht Randale.
Von Florian Flade
Die Videos gibt es immerhin schon. Schwarz vermummte Gestalten, roter Nebel aus Bengalos, Transparente mit der Aufschrift „G 20 entern! Kapitalismus versenken!“. Dazu Rap-Musik. Textauszüge: „Putin und Co.: Keiner hat euch bestellt. Welcome to hell!“ und „Allein schon wegen Erdogan, dem Bastard, kommt jeder nach Hamburg, der keinen Schiss vor dem Knast hat!“. Oder: „Hamburg, meine Perle. Pflasterstein und Scherben!“
Mit solchen Videos mobilisiert die linksextremistische Szene derzeit im Netz für den Protest gegen den G-20-Gipfel in Hamburg. Am 7. und 8. Juli treffen sich in der Hansestadt die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. In den Hamburger Messehallen, unweit der Sternschanze. Einen „Steinwurf entfernt“, wie es auf den Webseiten der militanten Gipfelgegner heißt. US-Präsident Donald Trump wird erwartet, ebenso der türkische Machthaber Recep Tayyip Erdogan und Kreml-Chef Wladimir Putin. Viel Potenzial für Protest und gewaltsame Unruhen.
Die Sicherheitsbehörden wollen auf alle denkbaren Szenarien vorbereitet sein. Bilder wie beim G-8-Treffen in Genua 2001 soll es in Hamburg nicht geben. Das wird schwierig. Mehr als 10.000 gewaltbereite Linksextremisten aus dem In- und Ausland, so die Prognose der Behörden, könnten aktiv werden.
In der linksextremen Szene sei die Mobilisierung „größer als beim G-8-Treffen in Heiligendamm“ vor zehn Jahren, heißt es in Sicherheitskreisen. Die Bedrohungslage gilt vor allem aufgrund des Veranstaltungsortes in der Hamburger Innenstadt als „ernst“. Es müsse mit „konfrontativer Gewalt“ auf der Straße und auch „gezielten Anschlägen“ gerechnet werden. In Lagebesprechungen hieß es gar, eine Gefährdung der Teilnehmer sei „nicht auszuschließen“.
Gewaltbereite aus vielen Ländern
Sowohl bei der Polizei als auch beim Verfassungsschutz laufen die Vorbereitungen auf das Großereignis. Im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wurde nach WELT-Informationen schon am Jahresanfang die Sonderauswertung (SAW) „Störtebeker“ ins Leben gerufen, in der die Verfassungsschutzbehörden aus Bund und Ländern ihre jeweiligen Erkenntnisse zum Linksextremismus im Bezug zum G-20-Gipfel zusammentragen.
Diese Sonderauswertung wurde inzwischen in die sogenannte Lageorientierte Sonderorganisation „G-20“ umgewandelt. Eine Einheit für besondere Sicherheitslagen mit eigenem Führungsstab und operative Einsatzabschnitten.
Laut einem rund 50-seitigen Lagepapier des Verfassungsschutzes („VS-Quellenschutz Geheim“) ist davon auszugehen, dass zahlreiche gewaltbereite Linksextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet, speziell aus den Szene-Schwerpunkten Hamburg, Berlin, Leipzig, Göttingen und Freiburg, beim G-20-Gipfel aktiv werden. Und nicht nur dort. Möglich seien auch Anschläge und Sabotageaktionen an anderen Orten in der Bundesrepublik.
Zusätzlich müsse mit ausländischen Gewalttätern gerechnet werden, die etwa aus Dänemark, Schweden, Italien, Griechenland, Frankreich, Spanien und auch Großbritannien anreisen. Um diese Personen frühzeitig aufzugreifen, führt die Bundespolizei ab sofort wieder Grenzkontrollen durch. Das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei werden außerdem während der gesamten Zeit des G-20-Treffens von Verbindungsbeamten aus europäischen und außereuropäischen Staaten unterstützt. Etwa bei der Identifizierung von ausländischen Straftätern.
Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ist davon auszugehen, dass viele linksextreme Gewalttäter konspirativ einreisen oder sich sogar bereits in Deutschland befinden. Bislang sei die Szene darauf bedacht, im Vorfeld des Gipfels keine unnötigen Aktionen und damit etwaige Festnahmen zu riskieren. Die Polizei solle keine Möglichkeit haben „zu üben“, lautet der Tenor.
Im Anhang des geheimen Verfassungsschutzpapiers sind jedoch zahlreiche Anschläge und Sabotageaktionen aufgelistet, die Linksextremisten in den vergangenen Monaten bereits bundesweit im Kontext der G 20 verübt haben. Darunter Brandanschläge auf Polizei- und Bundeswehrfahrzeuge, Autos von privaten Sicherheitsfirmen und eines französischen Diplomaten.
Angesichts der vielen politischen Lager, die zum G-20-Gipfel in Hamburg erwartet werden, beschränkt sich die Gefahrenanalyse der Sicherheitsbehörde nicht nur auf Linksextremisten. Auch von aggressiven Putin- oder Erdogan-Anhängern sowie deren Gegnern könnten demnach Gewaltaktionen ausgehen. So könnten etwa extremistische Kurden, darunter mehrere Zehntausend PKK-Anhänger und Unterstützer, innerhalb kurzer Zeit aktiviert werden.
„SAW Störtebeker“
Deutlich ausführlich zitert die Welt hier genau einen Monat später, nach dem Gipfel, aus dem Verfassungsschutzpapier „SAW Störtebeker“:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/218441
Interessant die Angaben welche Gruppen welche Messenger zur Kommunikation nutzen würden.