Ins Schlachthaus?

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Es gibt Zeichen, die niemanden mehr täuschen können. Ausgenommen vielleicht diejenigen, für welche die Kurzsichtigkeit eine Art ist, die Geschichte zu bannen. Zeichen, die uns tragisch an die Offensichtlichkeit des Krieges, der überall im Gange ist, erinnern.


Man könnte endlos glossieren, um herauszufinden, ob das nun wirklich der Krieg sei und glauben, dass man sich ihm vielleicht durch die alleinige Kraft des Zweifels einen Moment könnte. Kann man jedoch noch zweifeln an allem, das sich im Irak, in Afghanistan, in Gaza, in den Banlieues, in den Verwahrungszentren, in jeglichem Gefängnis, in der unaushaltbaren Athmosphäre der Open Spaces oder an den Förderbänden der Fabriken abspielt...
Im März 1943 brachten die Bewohner von Warschau ihre Kinder weiterhin zum Spielen in die Parks unter den Mauern des Ghettos, während dieses brannte, um die letzten Aufständischen auszulöschen.
In welcher Distanz muss man sich platzieren, um zu sagen, ob man im Krieg ist oder nicht?
Was auch immer diejenigen denken und sagen, die die Schweiz immer noch, im Widerspruch zu allem, als im Ozean der Welt verlorene, vom allgemeinen Sturm verschonte Insel des Friedens betrachten möchten: der Krieg spielt sich auch hier und jetzt ab.
Und man sage uns nicht mehr, der Krieg sei weit weg, etwas anderes, etwas viel schlimmeres. Der Krieg ist weder neu noch vollendet. Der Krieg nimmt kein Ende und breitet sich in unendlich heimtückischen Formen aus. Er manifestiert sich nur mit mehr oder weniger Intensität mit seinen Waffen, seinen Taktiken, seinen Strategien und seinen Toten, je nach Notwendigkeit des Moments.
Hier ist es ein von Kopf bis Fuss gefesselter Nigerianer, der erstickt, während er gezwungen wird einen Flug mit Destination Lagos zu besteigen.
Hier ist es ein Gefangener, den man mit einer Rauchvergiftung in seiner Zelle in Bochuz krepieren lässt, um ihn endgültig loszuwerden.
Immer noch hier ist es ein Teenager, dem man eine Kugel in den Kopf schiesst für den Diebstahl eines Luxusautos. Und ins Gefängnis geworfen wird sein Bruder.
Ein 18-jähriger Teenager, den die Waadtländer Polizei standrechtlich hinrichtet, weil er die Figur des Feindes verkörpert.
Es reichte, dass einige Journalisten von den "Lyoner Banden" sprachen oder den Teenager als "von der Polizei bekannt" beschrieben, damit die bittere Pille geschluckt wurde. Als ob es nichts anderes heissen sollte als, dass Sebastien gespielt hat und Sebastien verloren hat. Und die gleichen Niederträchtigen fordern mutig als gute Demokraten die Abschaffung der Todesstrafe in China.
Sebastien wurde ermordet. Warum? Für eine Auto, das ohnehin in fünf Jahren auf dem Schrottplatz gelandet wäre. Sebastien ist gestorben, weil die Bullen töten, um eine gewisse Ordnung der Dinge zu verteidigen und zu konservieren. Sie werden auch dafür bezahlt.
Es wird die Illusion eines perfekt geordneten Universums mit netten Bürgern, die einen Helm und leuchtende Sicherheitswesten auf ihrem elektrischen Fahrrad tragen und sich mit Bioprodukten ernähren, aufrecht erhalten.
Ein kleines helvetisches Glück, basierend auf der Ausbeutung und der Plünderung des Restes der Welt. Müssten wir eine Liste der Verbrechen, an welchen die Schweiz teilnimmt oder Komplize ist, erstellen, würden wir es nicht schaffen.
Die Verwirrung, die schon so lange herrscht ist derartig, dass es schwierig ist, eine Verbindung zu sehen zwischen der Schweizer Wirtschaft und den SS die ihre Luger-Flinten 1941 auf die Nacken ukrainischer Juden richteten. Allerdings, genau damit diese Geste möglich geworden ist, brauchte es in diesem historischen Moment die Möglichkeit für das Dritte Reich, sein Gold beim Schweizer Bund und seinen Banken gegen Devisen eintauschen zu können.
Gold, Silber, Diamanten, Erdöl, Gas, Getreide, Reis, hier wird alles gehandelt, alles verkauft, alles gekauft, alles geht über die berühmten Nummernkonten, die das Glück der Banken und den Reichtum der Schweiz bedeuten.
Dieses Land ist der Geldschrank der Welt. Ein Geldschrank, der die bösen kleinen Geheimnisse dieser Welt versteckt. Ein Geldschrank voller Vermögen, die aus vielen Leben voller Not entstanden sind. Und hier in der Schweiz profitieren wir alle davon. Was man auch immer dazu sagen mag. Was man auch immer darüber denken mag.
Was gibt es da normaleres als die Tatsache, dass die, welche wir allem beraubt haben, hierher kommen, um sich zurückzuholen, was wir ihnen weggenommen haben. Alles zu entwenden, das die Waren, die man uns unaufhörlich verkauft, verkörpert. Geld, solange es welches gibt, wird nie genug da sein für alle. Und alle wissen es. Und alle tun so, als ob sie es nicht wüssten. In Tat und Wahrheit ist Robin Hood in dieser Welt immer noch ein populärer und sympathischer Held. Solange er eine Unterhaltungsfigur auf einer Kinoleinwand bleibt. Ungefährlich. Was diejenigen betrifft, für welche Diebstahl eine Möglichkeit wie jede andere ist, um zu überleben, sie müssen teuer bezahlen. Manchmal mit ihrem Leben. Wie Sebastien.
Man kann sich der Brutalität des Realen entziehen. Ein Auto für ein Leben. Man kann es tun und nicht sehen, dass sie uns bekriegen und es auch weiterhin tun werden. Einige sprechen immer noch von Unfällen oder von Fehlverhalten. Sie sollen zumindest vorsichtig genug sein, um zu schweigen und zurück in ihren Sandkasten spielen gehen. Als ob die Beugung eines Zeigefingers eines Bullen auf dem Abzug einer Feuerwaffe dem Zufall zuzuschreiben wäre. Natürlich...
Wir lassen uns nicht täuschen. Zu behaupten, Sebastien starb als Ermordeter ist das Mindeste. Und auch, zu behaupten, dass es sich hier um einen laufenden Krieg handelt.
Wir verlangen nicht, dass dieser Bulle ins Gefängnis gesteckt wird. Wir verlangen keine Gerechtigkeit. Bloss nicht. Wir verlangen im Moment nichts ausser die Freilassung von Erdal, Yunus, Costa, Sylvia und Billy und aller Gefangener. Sogar die Unschuldigen. In der Zwischenzeit...

Flugblatt, das an der Kundgebung gegen die Repression am 6. Mai in Lausanne verteilt wurde.