[B] Gegen Verdrängung

Kiez Spaziergang

Am Sonntagmittag beteiligten sich ca. 70 Anwohner_innen an einen Kiezspaziergang. Besucht wurden Akteure der Verdrängung aber auch Orte des Mieter_innenwiderstands im Stadtteil.Besuch bei den Akteuer_innen von Mieterhöhung und Orten von Mieter_innenwiderstand im Friedrichshainer Nordkiez

 

Die Baustellen sind schon von Weitem zu erkennen. In der Rigaer Straße 71-73 will die CG-Gruppe ein Nobelprojekt, das sie Carree Sama Riga nennt, bauen. Gegenüber in der Rigaer Straße 36-39 hat der Bau schon begonnen. Kein Schild informiert darüber, dass dort ein Investor mit dem Namen kw-development (KWD) Eigentumswohnungen baut. Noch ist die Beziehung zwischen den beiden Investor_innen unklar. Doch eine Internetrecherche hat ergeben, dass sie am Steglitzer Kreisel kooperieren. So heißt es in einer Unternehmensinformation:


"Der Steglitzer Kreisel ist ein prägnantes Ensemble aus attraktiven Wohn-, Büro-, Hotel- und Handelsflächen. Für den Investor CG-Gruppe hat die KWD die technische Machbarkeitsstudie zur Revitalisierung des Gebäudekomplexes begleitet."


http://www.kw-development.com/seiten/projektentwicklung-steglitzer_kreis...


Während sich die Kapitalseite organisiert und miteinander kooperiert, sind die Mieter_innen oft vereinzelt. Bekommen Sie dann Post vom Eigentümer, wissen sie oft nicht, wie sie reagieren sollen und unterschreiben teilweise Vereinbarungen und Mieterhöhungen, obwohl sie juristisch eigentlich auf der sicheren Seite wären. Diese Vereinzelung aufzubrechen ist das Ziel von linker Stadteilarbeit. Im Friedrichshainer Nordkiez gab es am vergangenen Sonntag erneut einen Stadtteilspaziergang, der sich das Ziel stellt, Akteure der Mieterhöhung und Verdrängung bekannt zu machen und betroffene Mieter_innen und Bewohner_innen zu unterstützen. Der Spaziergang begann vor der Baustelle des geplanten Carree Sama Riga. Zwei Nachbar_innen, die in der Aktionsgruppe Rigaer 71-73 aktiv sind, hielten Beiträge. Die tägliche zehnminütige Aktion „Scheppern gegen CG“ immer gegen 19 Uhr vor dem Baustelleneingang hat bereits Aufmerksamkeit in anderen Stadtteilen gefunden. Die Aktivist_innen verfolgen weiterhin das Ziel, den CG-Bau zu verhindern, auch wenn die Politik den Eindruck erweckt, aus rechtlichen Gründen könnte der Bau nicht mehr verhindert werden. Gleichzeitig gibt es Gespräche von Politiker_innen aus Senat und BVV, die mit der CG-Gruppe über einen Grundstücktausch verhandeln.


Dazu haben die Aktivist_innen der Aktionsgruppe eine klare Ansage gemacht.


Hier ein Auszug aus einem Redebeitrag:


Keine Pläne ohne die Bewohner_innen


„Wenn jetzt die Politiker_innen mit den Investor_innen angeblich über Ersatzgrundstücke etc. diskutieren, dann ist das unser Erfolg. Würden wir uns nicht seit einem Jahr gegen die CG-Pläne wehren, hätte der Bau Anfang Januar 2017 begonnen. Wir sind heute hier, um deutlich zu machen: Wir werden uns weiter gegen den geplanten Bau hier wehren, egal was Lompscher, die BVV oder andere Gremien auch mit Gröner und Co. ausbrüten. Und wir möchten den Politiker_innen aller Parteien auch deutlich machen: Wir lassen uns nicht für Euren Wahlkampf instrumentalisieren. Wir sind unabhängig von allen Parteien und der Politik, unsere Bündnispartner_innen sind unsere Nachbar_innen, die sich ebenfalls gegen Vertreibung wehren, ob es nun Hausprojekte sind oder Mieter_innen, die sich gegen Mieterhöhungen und andere Schikanen wehren“.


Eine weitere Ansage an die Politik betrifft das Szenario, dass nun mit Gröner ein Grundstücktausch vereinbart und dafür in der Rigaer Straße 71-73 eine Schule gebaut werden soll:


Hierzu ein Auszug aus dem Redebeitrag:


„Wir sagen hier auch ganz klar: Egal, was Politiker_innen der BVV oder des Senats mit oder ohne CG auf diesem Grundstück planen: Wir als Nachbar_innen wollen entscheiden, ob und was auf diesem Grundstück entstehen soll. Keine Planung ohne uns.“


 „Nicht noch’n Center“


Doch es ging bei dem Kiezspaziergang nicht nur um dieses Grundstück und auch nicht um die Verwaltungsgrenzen. Daher ging es im Anschluss zu einem Areal, das verwaltungstechnisch bereits im Stadtteil Prenzlauer Berg liegt. Dort berichteten Vertreter_innen der Aktionsgruppe „Nichtnochncenter“ über ihre Bemühungen, dass auf einer der letzten Grünflachen am Alten Schlachthof an der Landsberger Allee ein weiteres Shopping- und Kongress-Center entsteht, das mehr Verkehrslärm und steigende Mieten für die Bewohner_innen zur Folge hätte. Die Aktivist_innen haben die Parole „Nicht noch’n Center“ gut sichtbar an den Zaum gestickt, der die Brache abgrenzt. Zu ihrem Erhalt sollten sich die Aktivist_innen über die Stadtteilgrenzen hinweg vernetzen. Aktuelle Infos gibt es unter: http://nichtnochncenter.wordpress.com. Eine Petition kann unterzeichnet werden unter http://tinyurl.com/nichtnochncenter.


Lernt Eure Nachbar_innen kennen


Für die Bewohner_innen der Hausburgstraße 11, das sich ganz in der Nähe befindet, würde der Bau des Kongresscenters den Verdrängungsdruck noch erhöhen. Seitdem Gijora Padovicz das Haus gekauft hat, wurden Modernisierungen und Mieterhöhungen angedroht, obwohl er noch gar keinen Bauantrag gestellt hat. Die Methode ist klar – es wird gehofft, dass viele schon ausziehen, wenn sie nur einen Brief bekommen, der ihnen Mieterhöhungen beschert. Auch in der Hausburgstraße 11 haben einige der Bewohner_innen schon Vereinbarungen unterschrieben, die ihnen Nachteile bringen und sie juristisch nicht hätten unterschreiben müssen. Einige Bewohner_innen berichteten über ihren Kampf gegen die Verdrängung und bitten um Unterstützung. Hier zeigt sich, wie wichtig ein solcher Kiezspaziergang ist. Es gab Bewohner_innen aus anderen Padovicz-Häusern, die von ähnlichen Entmietungsstrategien berichten. In einigen Häusern ließ sich ein Teil der Mieter_innen einschüchtern und unterschrieb irgendwelche Verträge. In anderen Häusern hingegen haben die Mieter_innen sofort Versammlungen einberufen und sich geeinigt, wie sie gemeinsam die Angriffe abwehren. Sie wohnen heute noch zu bezahlbaren Mieten in ihren Wohnungen und die angekündigten Baumaßnahmen haben gar nicht erst begonnen. „Lernt Eure Nachbar_innen kennen“, kann so als eine der zentralen Botschaften solcher Kiezspaziergänge festgehalten werden. Er endete am Forckenbeck-Platz, wo auf die Geschichte der Kiezversammlungen im vergangenen Jahr eingegangen wurde. Sie sind entstanden, nachdem die Rigaer Straße 94 von der Polizei rechtswidrig belagert wurde. Zunächst wollten die Nachbar_innen den Ausnahmezustand bekämpfen, dann begannen sie sich auch für andere Projekte der Vertreibung im Kiez zu interessieren. Daraus ist die Aktionsgruppe Rigaer Straße 71-73 entstanden.
 
Das Problem heißt Kapitalismus

 
Ein Bewohner der Rigaer Straße 94 (https://rigaer94.squat.net/) berichtete über die aktuelle Entwicklung in dem Hausprojekt. Am 29.6. soll dort erneut über die Räumung der Kadterschmiede im Hinterhaus juristisch verhandelt werden. Der letzte Termin platzte, weil der Eigentümer, eine Briefkastenfirma mit Postadresse in Irland, bis heute nicht bekannt ist und der Rechtsanwalt auch nicht nachweisen konnte, dass er im Auftrag des unbekannten Eigentümers handelt. In den letzten Tagen berichteten die Medien wieder über Auseinandersetzungen in der Gegend und der CDU-Generalsekretär wurde mit einer faschistoiden Twitternachricht bekannt, wo er dazu aufruft, das „Nest der Linksfaschisten auszuräuchern“. Als Nachbarschaftsinitiative halten wir aber nichts davon, wenn nun wieder das Stück „Autonome gegen den Rest der Welt und des Kiezes“ gegeben wird. Es geht um einen sozialen Konflikt, um die Frage, ob der Friedrichshainer Nordkiez ein neuer Prenzlauer Berg, eine Domäne der Bionadenbourgeoisie wird. In diesem Sinne unterstützen wir alle Bewohner_innen, egal ob sie in Hausprojekten oder zur Miete wohnen.


Ebenfalls eine Briefkastenfirma hat das Haus Friedelstraße 54 in Nordneukölln gekauft und will den Stadtteilladen (https://friedel54.noblogs.org/) exakt am 29. Juni räumen lassen .

 

Der unbekannte Investor hat das Haus im letzten Jahr von der Citec gekauft, diese besaß und besitzt nicht nur einen Briefkasten sondern ein stattliches Gebäude in der Wiener Innenstadt. Dorthin waren im März 2016 Aktivist_innen gefahren und hatten nicht nur gegen die Entmietungsbestrebungen protestiert. Sie hatten auch ein Kaufangebot der Mieter_innen mitgebracht. Zunächst gab es Verhandlungen, während das Haus an die Luxemburger Briefkastenfirma verkauft wurde. Die Fortsetzung der Kündigung des Stadtteilladens, die die Citec schon betrieben hat, steht im Kaufvertrag. Nun hat die unbekannte Briefkastenfirma für den 29.6. die Gerichtsvollzieher_innen bestellt. In einem Redebeitrag für den Kiezspaziergang haben die Betreiber_innen des Ladens deutlich gemacht, dass sie nicht freiwillig den Laden verlassen werden und hoffen auf Solidarität auch aus anderen Stadtteilen. Zugleich haben die Aktivist_innen deutlich gemacht, dass das Problem nicht CG oder die vielen unbekannten Briefkastenfirmen sind, die sich nicht einmal enttarnen müssen und Mieter_innen und Ladenbetreiber_innen aus ihren Wohnungen schmeißen. Das Problem heißt Kapitalismus, der das möglich macht. So ist jeder Kiezspaziergang auch ein Stück Aufklärung über die Zustände einer Gesellschaft, in der soviel von Freiheit, Diversität etc. geredet wird und in der, wenn es um die Kapitalinteressen geht, klar ist, wessen Freiheit gemeint ist. Und so wird auch immer deutlich, wer immer auch in den Bezirksverordnetenversammlungen oder Landesregierungen sitzt, die Kapitalinteressen müssen von allen bedient werden. Daher ist die Forderung, Wohnraum dürfe nicht zur Ware werden, nur sinnvoll, wenn gleichzeitig gesagt wird, dass wir das nur von unten in den Fabriken, den Jobcentern, den Stadtteilen erkämpfen können und das nur gehe, wenn wir erkennen – unser Gegner mögen einzelne Investor_innen mit und ohne Namen sein, das Problem aber heißt Kapitalismus.


Stadtteilinitiative „Keine Rendite mit der Miete Friedrichshain“

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eine Grundwahrheit die man unbedingt immer wieder betonen muss, wie ihr es ja auch tut.