Welcome to Hell - Besuch bei Mumia Abu-Jamal

Eingangsschild SCI GREENE.jpg

Am 29. April 2010 konnten zwei Unterstützer aus Deutschland zusammen mit einem US-Journalisten den seit über 28 Jahren inhaftierten politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal besuchen. Der afro-amerikanische Journalist war im vergangenen Jahr wieder stark ins öffentliche Bewußtsein gerückt, nachdem sich ein erneuter Versuch der Gerichte anbahnte, seine Hinrichtung einzuleiten.

 

Das Gefängnis SCI Greene liegt bei Waynesburg im ländlichen Pennsylvania. Es ist ca. 5 Autostunden von der Bundesstaatshauptstadt Philadelphia entfernt, aus der auch Mumia selbst stammt.

Mumia erzählte seinen Besuchern (dem Autor Michael Schiffmann, dem Journalisten Linn Washington und einem Delegierten des Berliner FREE MUMIA Bündnisses) vom Alltag im Todestrakt. Die wenigen Zeitabschnitte außerhalb der Zelle, deren Innenleben und auch den Umgang der Wärter mit den Häftlingen beschrieb er als „bright, shining hell“ - als "hell glänzende Hölle".  Die extreme Sauberkeit konnte auch die Besuchsgruppe nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Ort grausame körperliche und psychologische Gewalt ausstrahlt.

Der anhaltende Farbentzug im Todestrakt bereitet Mumia großes Unbehagen. Umso mehr freut er sich über die tausendfachen bunten Postkarten, die seit ca. 2 Jahren bei ihm eintreffen (1). Dass Mumia und die anderen Gefangenen unter Bewegungsmangel leiden, hat zur Herausbildung von sehr eigenen Sportarten wie z.B. "Käfig-Handball" geführt.

Stark verwundert waren die Besucher über Mumias vergleichsweise junges Aussehen. Er wirkt noch immer fast genau wie auf den bekannten Fotos, die alle vor 1996 entstanden, als der Bundesstaat Pennsylvania jegliche Aufnahmen von Gefangenen verbot. Das war der vergebliche Versuch der Behörden, Mumia die weltweite Öffentlichkeit zu nehmen. Da Linn Washington in den letzten Jahren auch mehrere andere Gefangene im Todestrakt von SCI Greene besucht hat, sind ihm ähnliche Erscheinungen äußerlich verlangsamten Alterns auch bei diesen aufgefallen. Er sagte: "Dieser Knast konserviert". Vermutlich hat das mit der wenigen Sonne und Frischluft für die Gefangenen zu tun, aber in Wirklichkeit wissen wir es nicht genau.

Mumia sprach über viele politische Themen innerhalb der USA, allen voran dem Charakter der momentanen Obama-Regierung. Seine Bezeichnung des Präsidenten als „nice brown face of imperialism“ wird ihm vermutlich nicht bei seiner Online Petition an denselben (2) weiterhelfen, verdeutlicht aber auch Mumias Kompromisslosigkeit. Er dankte mehrfach den deutlich spürbaren Protesten aus der Bundesrepublik. Niemand solle das Vermögen von bereits einigen wenigen gemeinsam organisierten Menschen unterschätzen, Veränderungen zu bewirken. Sein bisheriges Überleben sei das beste Beispiel dafür, wieviel Kraft organisiertes Handeln entfalten kann.

Mumia erläuterte auch, wie ihm momentan in der kommenden juristischen Auseinandersetzung am 3. Bundesberufungsgericht geholfen werden kann. Die Reisegruppe bereitet momentan ausführliche Artikel und Infoveranstaltungen (3) vor, um genau darüber zu berichten. Außerdem werden die Schilderungen über das Innenleben des Todestraktes sowie der juristischen Details der Versuche von Seiten der Staatsanwaltschaft, Mumia seine Freiheit und sein Leben zu nehmen, viel Raum in Berichten und Diskussionen einnehmen.

Die Forderung nach einer Bürgerrechtsuntersuchung in seinen Fall findet Mumia sehr sinnvoll (4). Mumia betonte, dass politische und juristische Einschätzungen nicht notgedrungen immer dieselben seien. Er vertraue hierbei völlig auf die Selbstständigkeit der AktivistInnen, die besten und wirkungsvollsten Strategien zu entwickeln.

Am wichtigsten ist es nach Mumias Ansicht, die Barbarei der Todesstrafe an sich, den dahinter stehenden Rassismus in den USA oder auch die Details seines eigenen, manipulierten Verfahrens immer wieder öffentlich deutlich zu machen. Nur so könne dem scheinbar "rechtsstaatlichen" Vorgehen der Justiz die öffentliche Wirkung entzogen werden.

Zwar ist es in den USA kein Geheimnis, dass die Armen und die Angehörigen von Minderheiten kaum Chancen vor der Justiz haben. Nur so lässt sich die ethnische Zusammensetzung der weltgrößten Gefangenenpopulation erklären: von den 2,3 Millionen Gefangenen der USA sind nur 34% weiß, obwohl die Weißen 80% der Gesamtbevölkerung stellen. Die größte ethnische Gefangenengruppe stellen AfroamerikanerInnen mit 40%.

Nur ist dies außerhalb der USA noch nicht unbedingt Allgemeinwissen, auch wenn z.B. 2008 die europäischen Medien über Hoffnungen vieler Obama-WählerInnen berichtet hatten, endlich den Rassismus in der US-Gesellschaft zu überwinden. Der Immobilien-Crash, der hauptsächliche Hispanics und Afro-AmerikanerInnen in die Schuldenkrise trieb und obdachlos machte, dürfte diese Hoffnungen extrem enttäuscht haben. Auch die Gefängnisse füllten sich seit Jahren durch die sich ständig verschärfende Strafgesetzgebung mit Angehörigen eben dieser beiden Bevölkerungsteile. Mumia schreibt seit Jahren über diese und ähnliche Entwicklungen, meist lange Zeit, bevor die Phänomene in den Mainstream Medien erkannt werden.

Mumias aus der Isolation zwangsweise entwickelte Technik des Recherchierens und der Quellensuche waren ein weiterer Gesprächspunkt. Nach kurzer Zeit wurde der Besuchergruppe deutlich, dass sie manchmal von Mumia interviewt wurden, z.B. als er Details zu ehemaligen DDR und dem Übergang zum Kapitalismus erfragte. Natürlich hat Mumia für Isolationshaftbedingungen sehr viele unterschiedliche Informationsquellen, die ihm UnterstützerInnen zusenden. Durch Spenden ist er ebenfalls in der Lage, monatlich für Radio und Kabelfernsehen zu bezahlen. Mindestens genauso aufschlussreich scheinen aber auch die vielen Zuschriften zu sein, die er inzwischen von überall in der Welt erhält.

Das Gespräch dauerte knapp sechs Stunden und ist unmöglich in einem kurzen Artikel wie diesem wiederzugeben. In einigen Tagen wird auf http://mumia-hoerbuch.de ein ausführlicher Bericht zu allen hier angeschnittenen und vielen weiteren Aspekten erscheinen.

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(1) Schreibt Mumia! Es freut ihn und stellt zugleich einen großen Schutz für ihn dar:
http://mumia-hoerbuch.de/bundnis.htm#SchreibtMumia

(2) Online Petition an Obama für die Abschaffung der Todesstrafe und das Leben von Mumia Abu-Jamal   http://www.petitiononline.com/Mumialaw/petition.html
dt. Übersetzung:  http://mumia-hoerbuch.de/petitionen.htm#petitionobama10

(3) z.B. am 2. Juni 2010 um 15:00 in Heidelberg: Universität - English Department
Kettengasse 12, Raum 108
oder am 19. August 2010 um 20:00 in Berlin: Syndikat, Weisestr. 56

(4) Online Petition an US-Justizminister Eric Holder zur Einsetzung einer Bürgerrechtsuntersuchung in Mumias Fall:  http://www.iacenter.org/mumiapetition/
dt. Übersetzung:  http://mumia-hoerbuch.de/petitionen.htm#petitionholder

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hier ein Veranstaltunghinweis für den süddeutschen Raum:



2. Juni, 15:00: Welcome To Hell - Besuch bei Mumia Abu-Jamal

Im April 2010 besuchte der langjährige Unterstützer Michael Schiffmann zusammen mit anderen den politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal im Todestrakt in Pennsylvania, USA. Sie sprachen über den Gefängnisalltag, politische Entwicklungen in den USA und weltweit sowie über die kommenden juristischen Auseinandersetzungen von Mumia selbst. Die konkreten Haftbedingungen im SCI Greene beschrieb Mumia als "Bright Shining Hell" - als "hell glänzende Hölle". In seinem Bericht wird Schiffmann auch auf Möglichkeiten eingehen, wie Mumia derzeit von außen unterstützt werden kann.

Universität Heidelberg - English Department
Kettengasse 12, Raum 108
69117 Heidelberg



weitere Veranstaltungen in Vorbereitung (19.08. Berlin - Syndikat ...)

 

„Das hier ist ein übler Ort, an dem schlimme Dinge geschehen“
Zu Besuch bei Mumia Abu-Jamal

– Anton Reiner und Michael Schiffmann –

 

http://www.mumia-hoerbuch.de/text/besuchsbericht.pdf