“Ich bin schiitischer Moslem, doch Saima, meine Frau ist Sunnitin – Ich wurde als Vergewaltiger, Mörder und Entführer betitelt, weil meine Frau und ich den Normen trotzten und zu heiraten beschlossen. Ich erschien nicht bei Gerichtsterminen, die nur dazu dienen sollten, mich zu verfolgen.”
Muhammad Ali Jawaid, ein pakistanischer
Flüchtling, seit 2013 in Bayern, wurde in The VOICE Refugee Forum
Deutschland aktiv, um seine politische Aktivität auch hier im Asyl
fortzusetzen.
Seine Geschichte ist nicht nur die persönliche
Geschichte einer verbotenen Liebe. Es ist eine sehr politische
Geschichte, denn sie zeigt die gefährliche und gewaltsame Rolle
religiöser Ideologien in der Aufteilung von Menschen in Gut und Böse und
in der Gefährdung individueller Leben und von Familien. Sie zeigt die
Willkür und Korruption des Staates und des Rechtssystems in Pakistan, wo
Menschenrechte und menschliches Leben aufgrund der Ideologie der Ehre
und der Vetternwirtschaft nicht geschützt werden. Sie zeigt die
Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen, die nicht das Recht haben,
für sich selbst zu entscheiden, da sie lediglich als das Eigentum ihrer
Familien betrachtet werden. Sie zeigt, dass all jene verfolgt werden,
die in Freiheit leben wollen und ihre Lebensentscheidungen selbst
treffen wollen.
Wir verlangen, dass unserem Aktivisten Ali
Jawaid und seiner Frau, die sich noch in Pakistan befindet, in
Deutschland Sicherheit und Schutz gewährt wird!
Wir fordern sein
Recht, in Sicherheit in Deutschland bleiben zu können – ohne Angst vor
Rassismus, Kriminalisierung und Abschiebung.
Wir verlangen, dass
er zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn in Freiheit leben kann -
ohne Angst vor Abschiebung in einen Staat, wo er von der Familie und vom
Staat verfolgt ist und wo sein Leben höchst gefährdet ist!
Stellungnahme von Muhammad Ali Jawaid:
Seit
2010 bin ich politisch aktiv. Ich nahm in Pakistan an der Seite der
Opfer religiöser Diskriminerung and ihrer Sympathisanten an Kampagnen
gegen Ehrenmorde und gegen religiöse Diskriminierung sowie gegen die
gewaltsame Rolle der Religion in Pakistan teil. Ich bin auch Mitglied
und Aktivist bei der Pakistanischen Tehreek-e-insaaf, einer der
pakistanischen Oppositionsparteien.
Auch meine Frau und ich sind
aufgrund religiöser Diskriminierung und der gewaltvollen Einflussnahme
der Familien auf die Heiratsentscheidungen junger Menschen verfolgt.
Im
April 2012 traf ich ein Mädchen namens Saima in einem Café in
Faisalabad City. Wir tauschten an diesem Tag unsere Handynummern aus und
begannen, uns immer wieder an verschiedenen Plätzen wie Restaurants und
Parks zu treffen, wo wir uns vor den Leuten verstecken konnten. Eines
Tages las Nadeem, ihr Bruder, meine Nachrichten auf dem Mobiltelefon
seiner Schwester, nachdem ihm jemand von unserer sich gerade
entwickelnden Beziehung erzählt hatte.
Nichtsdestotrotz hielten unsere Treffen und unsere Liebe ein Jahr lang an.
Am
15. Mai 2013 gingen wir zum Stadtgericht in Faisalabad, um zu heiraten.
Doch dort sah uns jemand, ein Anwalt namens Adil Lodhi, der ein Freund
von Nadeem war, und er rief Nadeem an. Nadeem kam mit seinen Kumpanen
zum Gericht. Sie nahmen mir Saima weg und griffen mich an. Sie bedrohten
und misshandelten mich. Als ich danach zur Polizei gingen, weigerten
sie sich, den Fall aufzunehmen und eine Anzeige gegen meinen Schwager zu
schreiben. Einige Tage später reiste Saima nach Lahore zu der Hochzeit
von Verwandten. Von dort aus rief sie mich mit dem Telefon einer Cousine
an und erzählte mir, dass ihre Familie gewaltsam versucht, sie mit
einem anderen Mann zu verheiraten.
Weil diese Nachricht die
Wahrheit war, dass die Familie Saima zu einer Heirat mit einem anderen
Mann zwingen wollte, heirateten wir am nächsten Tag, am 26. Mai 2013, am
Telefon vor unseren Freunden und einem Qazi (Richter oder Notar) als
Zeugen.
Danach erzählte Saima ihrer Familie von der Heirat.
Nadeem und seine Kumpane waren immer noch hinter mir her und suchten
mich. An diesem Tag, dem 26. Mai 2013, ging ich gegen 11 Uhr morgens
zusammen mit einem Freund zum Urdu-Basar in Lahore. Dort griffen mich
Nadeem und seine Leute wieder an. Sie eröffneten das Feuer gegen mich
und ich rettete mein Leben, indem ich mich hinter einer Mauer
versteckte. Nachdem sie mich durch Zurufe, dass sie mich misshandeln und
töten würden, weiter bedroht hatten, rannten sie weg.
Im Bezug
auf diese Heirat wandte sich auch meine Familie gegen mich und sie
warfen mich aus meinem Vaterhaus. Meine Familie verhielt sich mir
gegenüber äußerst harsch und sie wiesen diese Heirat vollständig zurück.
Der Basiskonflikt beider Familien ist die Religion. Ich bin shiitischer
Moslem, während Saima, meine Frau, Sunnitin ist.
Nachdem ich
aus meinem Familienheim geworfen worden war, begab ich mich zum Haus
meiner Großeltern in der Stadt Gujrat. Dort rief mich Saimas Cousine an,
die mir alles erzählte, was mit Saima passiert war. Ihre Familie hatte
sie sehr schlimm bestraft und sie sehr grob behandelt. Saima wurde
verletzt und suchte zusammen mit ihrer Cousine einen Arzt auf. Von der
Klinik aus entfloh sie nach Sheikhupura, eine andere Stadt, wo sie im
Haus ihrer Cousine Schutz suchte. Nach dem Anruf ihrer Cousine brach ich
dorthin auf und wir lebten drei Wochen lang zusammen.
Eines
Tages, als ich draußen unterwegs war, um eine besseren und sichereren
Platz für uns zu suchen, kam Nadeen und zwang die Cousine in meiner
Abwesenheit, ihm von uns zu erzählen und wo wir uns versteckten. Sie
drohten ihr an, sie zu töten, und so erzählte sie ihnen von uns. Dann
nahmen sie Saima mit und bestraften sie noch härter. Ich war in Gujrat
City und jetzt waren sie hinter mir her. Nachdem mir mein Freund davon
erzählt hatte, floh ich nach Rawalpindi, einer anderen Stadt.
Am
15. Juli 2013 bin ich wieder nach Faisalabad Stadt gefahren, um an der
jährlichen Gedächtnisfeier des Todes meiner Mutter teilzunehmen. Dort
kämpfte meine Familie mit mir und forderte mich auf, das Haus meines
Vaters zu verlassen. Plötzlich kamen Nadeem und sieben seiner Freunde
und Familienmitglieder mit Stöcken und Cricketschlägern und beide
Familien begannen, miteinander zu kämpfen. Zu meiner Familie gehörten
etwa 20 Personen, doch die meisten davon waren Frauen und Kinder. Als
ich zusammen mit meiner Familie gegen die Familie meiner Frau kämpfte,
schlug mich jemand durch einen Schlag auf den Kopf nieder. Als Nadeem
sah, dass ich verletzt war, rannte er mit seinen Leuten davon.
Mein
Kopf blutete und mein Cousin brachte mich zum Krankenhaus, wo ich mit
14 Stichen genäht wurde. An diesem Tag ging ich zur Polizei, doch
abermals weigerte die Polizei sich, darüber, was passiert war, eine
Anzeige aufzunehmen. Der Polizist dort berichtete mir, dass die Familie
meiner Frau bereits gefälschte Anzeigen gegen mich erstattet hatte. Und
auf Basis ihrer falschen Aussagen hatte mich die Polizei bereits als
Kidnapper, Vergewaltiger und Mörder ausgeschrieben. Der Grund dafür
liegt darin, dass diese Familie einen sehr machtvollen politischen
Hintergrund und Einfluss besitzt und derzeit Regierungsstellen besetzt.
Sie sind auch sehr korrupt und ungerecht. Sie benutzen die Polizei für
ihre persönlichen Belange und Ziele, aber auch gegen ihre persönlichen
Feinde. Auch meine Familie öffnete einen Rechtsstreit gegen mich und
erklärte, dass ich nichts vom Erbe meines Vaters erhalten würde.
Wegen
meiner Liebe, meiner Heirat und meines Wunsches auf ein besseres Leben
hatte ich alles verloren: Meine grundlegenden Rechte, meine Heimat,
meine Familie.
Im November 2013 musste ich, mithilfe eines
Freundes, von Pakistan nach Deutschland fliehen. Bevor ich nach
Deutschland kam, tat ich alles, um meine Frau zu kontaktieren. Erst in
Deutschland gelang es mir, meinen Freund zu erreichen, der mir die
Nummer meiner Frau gab. Als ich sie anrief, erzählte Saima alles, was
sie ihr angetan hatten. Sie sagte mir, dass sie sie in ein Zimmer
eingesperrt hatten, wo niemand mit ihr Kontakt aufnehmen konnte. Sie
hatten sie schwer bestraft (misshandelt) und verlangten von ihr, dass
sie das Kind abtrieb, das sie von mir erwartete. Schließlich konnte sie
entkommen und von dort weggehen. Bis jetzt leben meine Frau und mein
Sohn an unterschiedlichen geheimen Orten und ihr Leben ist noch immer in
Gefahr. Auch meine Frau erstattete bei der Polizei Anzeige. Sie erfuhr,
dass mich die Polizei überall suchte. Das Gericht hatte mich zum
Vergewaltiger meiner eigenen Frau erklärt, zum Killer und zum Kidnapper,
weil ich nicht bei den Verhandlungen erschienen war.
Mit Hilfe
meines Freundes in Pakistan kontaktierte meine Frau einen Anwalt und
dieser schrieb einen detaillierten Brief über die Gerichtsverfahren und
die polizeilichen Verfahren und die Strafen, die mir drohen. Ich habe
diesen Brief bei mir und Auszüge dieses Briefes zeigen, dass mein
Schwager die Polizei benutzte, um einen schwere Anklage gegen mich zu
erreichen. Nun ist mein Name auf einer Liste von Personen, die auf der
Straße einfach von der Polizei erschossen werden dürfen.
Ich
lebe seit November 2013 in Deutschland und im September 2015 hatte ich
ein Interview beim Bundesamt für Migration in München, aber sie lehnten
mein Asylgesuch im Januar 2016 ab. Im März 2014 hat mir mein deutscher
Arzt eine genetische Nierenerkrankung diagnostiziert und seitdem wurde
ich Behandlungen in deutschen Krankenhäusern und durch deutsche Ärzte
unterzogen. Es handelt sich um eine polyzystische Nierenerkrankung. Die
Ärzte in Deutschland haben mir die beste Versorgung zukommen lassen.
Meine Mutter starb aufgrund der falschen und schlechten Behandlung
während der ersten Dialyse an derselben Nierenerkrankung. Sie war 42
Jahre alt.
In meinem Interview habe ich meine sämtlichen
medizinischen Berichte gezeigt sowie andere Dokumente, die mein
Asylverfahren betreffen. Aber mein Antrag wurde abgelehnt. Am 24. Januar
2016 klagte ich gegen die Entscheidung und jetzt warte ich auf die
Gerichtsverhandlung. Meine Ärzte sagen mir, dass Anspannung und
Depressionen schädlich für meine Gesundheit seien, aber ich bin hilflos.
Jedes Mal wenn ich an meine Situation und meine drohende
Abschiebung denke, habe ich psychologische Probleme. Ich bin bei einem
Urologen, einem Nephrologen, einem Psychologen und bei meinem Hausarzt
in Behandlung. In meinem Land ist die medizinische Versorgung nicht gut
und sehr sehr teuer Sollten mich die deutschen Behörden in mein Land
zurück abschieben, werde ich sehr früh sterben. Ich möchte in Sicherheit
mit meiner Familie leben. Ich möchte eine gute medizinische Versorgung,
durch die mein Leben gerettet werden kann. Ich möchte frei und ohne
Angst vor Abschiebung in ein Land leben wollen, in dem die Familie und
der Staat mein Leben bedrohen.
Auch mit dem Kampf für die
Freiheit meiner Familie setze ich mein politisches Engagement im Exil
fort. Ehrenmorde sind in Pakistan eine äußerst extreme Angelegenheit. Es
geht um Ehrenmorde aufgrund von Liebesheiraten oder gegen das
Familiensystem. Leute, die gegen die Wünsche ihrer Familien heiraten und
dadurch ihre eigenen Wünsche über die ihrer Familie stellen, werden im
Namen der Ehre getötet. Auch meine Frau und ich sind mit dem gleichen
Problem konfrontiert. Unsere Familien akzeptieren uns nicht und wenn sie
uns zusammen finden würden, würden sie uns sofort töten.
Ich
habe viele Briefe an das Bundesamt in München geschrieben, dass meine
Frau und mein Kind in Gefahr sind und dass ich beide sobald wie möglich
hierher bringen möchte, doch wurden meine Anträge abgelehnt.
Ich verlange eine sichere Möglichkeit für meine Familie nach Deutschland kommt und mit mir in Sicherheit zu leben.
Ich appelliere an eure kritische Solidarität und eure Unterstützung.
Steht mir in Solidarität bei für eine bessere Zukunft für mich und meine Familie!
The violent role of religion, nepotism and state corruption: Human rights abuses and persecutions in Pakistan http://thevoiceforum.org/node/4338
In Solidarität
Muhammad Ali Jawaid, Dingolfing - Niederbayern,
Tel.: 0049 (0)1521 8222548
Email: ali.dingolfing@gmail.com
Info: The VOICE Refugee Forum,
Email: thevoicerefugeeforum@riseup.net
Homepage: thevoiceforum.org