[MS] Debattenbeitrag: Über Soliparty und Suffkultur

Mit großem Interesse haben wir die letzten Texte zur „Suffkultur“ aus Berlin und den Text aus Wien zu den „Saufsignalen“ gelesen, indem mehrfach auch auf Beispiele aus Griechenland Bezug genommen wird. Durch das Lesen der Texte fühlen wir uns darin bestätigt unsere eigenen Beobachtungen und Kritikpunkte zu teilen, um eine breitere Diskussion über den Charakter von Soliveranstaltungen im Allgemeinen voranzutreiben.

 

Rückgreifend auf die genannten Texte haben wir uns vier Punkte überlegt, die wir nacheinander bearbeiten wollen. Zuerst soll es darum gehen, ob wir Soliparties brauchen, um dann die Frage zu klären, wofür. Wenn wir daran anschließend dann die aktuelle Problematik – aus unserer Perspektive – erläutern nur deshalb, um ein paar Vorschläge zu machen, die es aus unserer Sicht wert wären ausprobiert zu werden.

 

Brauchen wir Solipartys?

 

Alle kennen es: Nach jeder Demo gibt es Verhaftungen und Verfahren, die neben dem Stress und den rechtlichen Konsequenzen auch noch viel Geld kosten. Verteidiger*Innen, Gerichtskosten, Haftbetreuung oder auch einfache Geldstrafen, stellen uns immer wieder vor finanzielle Herausforderungen. Eine Soliparty schafft Abhilfe. Poster und Flyer sind schnell gedruckt, im Internet wird auf den einschlägigen Szeneseiten eingeladen und am Freitagabend sind es wieder dieselben Leute, an denselben Orten, die sich gegenseitig ein paar Euros in die Aufstrichgläser werfen.

Am Ende des Abends wird das Geld aus der Kasse gezählt und der Erfolg der Veranstaltung wird am erzielten Gewinn zu Solizwecken bemessen: 500 oder 1000 Euro in „Solidarität mit Projekt oder Person 'xyz'“. Zwei Tage lang wird der Kater ausgeschlafen und eigentlich wusste sowieso niemensch genau, für was oder wen jetzt gerade Soligeld gesammelt wurde. Wenn alles glatt gelaufen ist, sind die benötigten Gelder aufgetrieben worden, sonst wird eben ein weiterer Termin ausgemacht und das Spiel beginnt von vorne.

 

Was ist im Moment das Problem?

 

Übereinstimmend mit den anderen Texten sehen wir in der vorherrschenden Suffkultur eines der Probleme, die uns daran hindern, auch aus alltäglichen Solipartys besondere Momente für alle Beteiligten zu machen. Aber dazu später mehr. Die Solipartys die wir erlebt haben, zeichneten sich oft durch eine auffallend geringe Vermittlung von Inhalten aus. Sofern es eine Diskussions- oder Infoveranstaltung vor der Party gab, erschienen wenige oder immer dieselben Menschen. Diskutiert wurde nicht oder zu wenig und eigentlich warteten sowieso nur alle darauf endlich an die Bar zu gehen und sich hemmungslos volllaufen zu lassen.

Nicht nur, aber sicherlich durch den Alkoholkonsum befeuert, braucht es Awareness-Strukturen, um auf rücksichtsloses und grenzübreschreitendes Verhalten zu reagieren. Wie es in einem der Texte heißt, die wir hier gelesen haben, wird die politische Verantwortung an der Garderobe abgegeben. Kollektive Verantwortung für die gemeinsame Zeit wird beiseite geschoben und im Sinne der Freiheit bekommt auch noch der besoffenste und unangenehmste Mensch sein 12. Bier, 1 Euro in die Solikasse inklusive.

Dazu wird keine Rücksicht auf Barrierefreiheit gelegt und sprachliche Hürden, werden lächelnd ignoriert. Weiße, deutsche Räume laden nicht zum Austausch und Treffen ein, sondern reproduzieren ganz im Gegenteil die so oft kritisierten gesellschaftlichen Verhältnisse.

Sollten doch gerade unsere Veranstaltungen sich von den üblichen Mainstream-Events abgrenzen, indem sie die Bedürfnisse und Wünsche aller Besucher*Innen berücksichtigen, wird in der Hoffnung auf möglichst viel Geld über alles hinweggesehen, was diesem Zweck entgegenstehen könnte. „Solidarität“ heißt Geld am Tresen zurückzulassen. Als einziger Sinn solcher Veranstaltungen scheint uns dies zu wenig zu sein und nach dieser Logik würde uns doch nichts davon abhalten Bratwurst in der Innenstadt oder Cocktails im Park zu verkaufen? Oder auch 5 Menschen zusammen zu suchen, die einen Tag steuerfrei arbeiten. Den (Organisations-)Stress hätten wir uns gespart, zwischenmenschlich wären keine Grenzen überschritten worden und wahrscheinlich wäre auch mehr Geld in der Solikasse gelandet.

 

Etwas andere Solipartys

 

Uns reicht es nicht einfach nur Geld zu sammeln. Deshalb haben wir uns überlegt, welche Fragen es zu klären und ob es nicht andere Möglichkeiten gäbe Solipartys aus der allgegenwärtigen Logik von Konsum und Verantwortungslosigkeit herauszureißen. Wir wollen keine Partys, wo ein Awareness-Team die ausschließliche Verantwortung für das Verhalten der Besucher*Innen trägt und auch keine, nach denen wir uns am nächsten Morgen nicht mehr an die Gespräche und hoffentlich auch Diskussionen des Abends erinnern können. Keine Solipartys, für deren Dauer die Existenz des Staates und seiner Gewalt ausgeblendet werden. Auch das Argument gegen Aktionen in direktem Zusammenhang zu Solipartys scheint uns hier ein schwaches zu sein. Werden doch viel zu selten Partys aufgrund von Aktivismus im Umfeld, sondern vielmehr wegen so Lapalien wie Ruhestörungen von Bullen besucht. Nur zustimmen können wir der Idee, durch Soliveranstaltungen identitätsstiftende Momente zu kreiieren. Weiter können wir uns vorstellen, kollektiv aufständische Momente heraufzubeschwören. Als Beispiel fällt uns hier die „Reclaim the Streets“ Party aus Zürich im Jahr 2013, mit 1 Millionen Euro Sachschaden ein.

Solipartys sind immer – zumindest indirekt – in die geführten oder aktuell stattfindenden Kämpfe eingebunden. Wenn nichts passiert ist, dann konnte auch nichts schief gehen, für das nun Geld gesammelt werden müsste. Wenn nichts geplant wäre, dann würden keine Spenden benötigt werden. Wenn wir an anderer Stelle durch Aktionen Menschen zu politisieren versuchen, wieso nicht auch auf diesen Partys? Wieso geben wir uns tagtäglich Mühe rücksichtsvoll miteinander umzugehen, um uns dann Abends auf Kosten anderer voll zu machen und daneben zu benehmen?

Gerade auf Partys verlaufen sich oft Menschen, die wir sonst in unseren Kontexten nur selten zu Gesicht bekommen. Wenn wir dann aber durch das Verharren in Szenecodes jede Möglichkeit Anknüpfungspunkte zu finden zunichte machen, ist nicht viel gewonnen. Solipartys müssten uns die Möglichkeit eröffnen, die bestehenden Kämpfe, die doch der Anlass der Veranstaltung sind, über Szene- oder Stadtteilgrenzen hinweg zu tragen.

Darüber hinaus wollen wir beispielhaft rücksichtsvoll miteinander umgehen, um alljene zu erreichen und miteinzubeziehen, die von der Gesellschaft kleingemacht, ignoriert und verstoßen werden. Unsere Partys sollen Orte sein, an denen sich alle wohlfühlen können, ohne grenzüberschreitendes oder diskriminierendes Verhalten befürchten zu müssen.

Gleichzeitig können wir, im Bewusstsein, dass der Staat und seine Diener*Innen uns niemals vergessen die Gelegenheit nutzen und die Party zum Ausgangspunkt weiterer Konfrontationen machen. Was schweißt denn mehr zusammen, als ein gemeinsames Feuer oder das (spontane) Zusammenhalten in der ehrlichen Auseinandersetzung mit der Staatsgewalt?

 

Wie lässt sich das ändern?

 

Als erstes müssen wir uns hinterfragen, was der Zweck unserer Solipartys und -veranstaltungen sein soll, um daran anschließend die Rahmenbedingungen zu bestimmen. Worin unterscheiden sich unsere Partys von den angesprochenen Mainstream-Events, außerhalb dessen, dass keine Personalausweise kontrolliert, an der Bar nicht nach dem Alter gefragt und der Konsum von Drogen zugelassen wird? Eine transparente Auseinandersetzung mit den geschilderten Problemen wäre hier ein erster Schritt.

Wenn die Partys unseren politischen Ansprüchen gerecht werden sollen, dann müssen wir uns für unsere gegenseitige Verantwortung sensibilisieren. An der Bar heißt das im Zweifel auch mal nachzufragen, ob es vielleicht schon genug Bier gewesen sind, wenn eine Person sich mit der Zeit grenzüberschreitendem Verhalten annähert. Selbstbestimmt heißt auch selbstverantwortlich zu handeln, weshalb es unser aller Aufgabe ist aufeinander aufzupassen und aufmerksam zu sein.

Die Partys mit politischem Inhalt zu füllen bedeutet auch die Spenden sichtbar zu machen. Beispielsweise durch einen Verweis auf den Einkaufspreis der Getränke, auf den Menschen, je nach Möglichkeit ihren eigenen Beitrag draufschlagen könnten. „Spende“ muss auch am Einlass wirklich Spende heißen und darf nicht als Zugangsschranke missbraucht werden. Ein Spendenvorschlag, der eher ein -zwang ist, und ein Stempel, der an ein Visum erinnert sind nicht hinnehmbar.

Zusätzlich können Infotische mit Zines zum speziellen Solifall oder eben zu allgemeineren Themen aufgestellt werden. Menschen die sonst eher weniger mit unseren politischen Positionen in Kontakt kommen, hätten so die Möglichkeit sich etwas mitzunehmen und in Ruhe zu lesen oder eben nicht. In die Tasche passt ein Zine aufjedenfall immer.

 

Sind also die Rahmenbedingungen gut gewählt und ist der Sinn und Zweck der Soliparty klar und transparent kommuniziert, steht einer guten Party nichts mehr im Weg. Einer Party, die Menschen zusammengebracht, politisiert und hoffentlich für die Zukunft in einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem Staat befähigt hat.

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Eurer Text zeigt keine Alternativen auf, geschweige den erfüllt ihr eure eigenen Ansprüche:

 

Am Ende des Abends wird das Geld aus der Kasse gezählt und der Erfolg der Veranstaltung wird am erzielten Gewinn zu Solizwecken bemessen: 500 oder 1000 Euro in „Solidarität mit Projekt oder Person 'xyz'“. Zwei Tage lang wird der Kater ausgeschlafen und eigentlich wusste sowieso niemensch genau, für was oder wen jetzt gerade Soligeld gesammelt wurde. Wenn alles glatt gelaufen ist, sind die benötigten Gelder aufgetrieben worden, sonst wird eben ein weiterer Termin ausgemacht und das Spiel beginnt von vorne.

 

Natürlich gibt es anderen Möglichkeiten Geld zusammeln (Spendenaufrufe, Verkauf von Shirts, Diebstahl..), komischerweise nennt ihr keine einzige. Mal davon ab das viele Gruppen Soliparty organisieren um trotz beschissener Situationen einen schönen Abend zu haben und trotzdem solidarisch zu sein. Wenn auf euren Partys die Leute nicht wissen für wen oder was sie spenden, liegt das mehr an euch als an ihnen (Flyer/Poster auf der Party, Layout das an die Solikampange anknüpft, Ausführlicher Aufruf in Internet, Redebeitrag auf der Party...es gibt viele Möglichkeiten).

 

Sofern es eine Diskussions- oder Infoveranstaltung vor der Party gab, erschienen wenige oder immer dieselben Menschen. Diskutiert wurde nicht oder zu wenig und eigentlich warteten sowieso nur alle darauf endlich an die Bar zu gehen und sich hemmungslos volllaufen zu lassen.

 

Ihr solltet euch vielleicht fragen woran das liegt? Sind Vorträge und Partys eine gute Kombination? Wie vermitteln wir politische Standpunkte (möglichst akademisch, damit keine*r was versteht?) und was wäre ein sinnvoller Rahmen dazu.

Das sich alle nur "hemungslos besaufen" stimmt auch nicht wirklich und was wäre schlimm daran auf einer Party (hier sei nur an die vielen hedonistischen Sticker aus eurer Szene erinnert) zu betrinken - was Spaß ist bestimmt also ihr?!

 

Sollten doch gerade unsere Veranstaltungen sich von den üblichen Mainstream-Events abgrenzen, indem sie die Bedürfnisse und Wünsche aller Besucher*Innen berücksichtigen, wird in der Hoffnung auf möglichst viel Geld über alles hinweggesehen, was diesem Zweck entgegenstehen könnte. „Solidarität“ heißt Geld am Tresen zurückzulassen. Als einziger Sinn solcher Veranstaltungen scheint uns dies zu wenig zu sein und nach dieser Logik würde uns doch nichts davon abhalten Bratwurst in der Innenstadt oder Cocktails im Park zu verkaufen?

 

Möglichst viel Geld soll erwirtschaftet werden - nein, aber es soll etwas hängenbleiben, trotz günstigen Getränken, Band/DJ-Gage und Verpflegung. Über was wird hinweggesehen? Bitte konkreter!

Auf euren Partys fühlen sich alle wohl? Weil es ja auch sehr realistisch ist alle Bedürfnisse und Wünsche zu respektieren und umzusetzen ohne dabei irgendwen auszuschließen? Glaubt ihr wirklich das alle eure Technopartys mit Einhornglitzersymbolik als Wohlfühlzone betrachten, noch dazu mit mehr Regeln als in der Mainstream-Disco?

 

Weiße, deutsche Räume laden nicht zum Austausch und Treffen ein, sondern reproduzieren ganz im Gegenteil die so oft kritisierten gesellschaftlichen Verhältnisse.

 

Und was macht ihr als weiße deutsche Mittelschichtler*innen dagegen? Warum sind eure Partys und Politikveranstaltungen nicht interessant für Migrant*innen oder Personen die nicht aus dem Bildungsbürgertum kommen?

 

...sprachliche Hürden, werden lächelnd ignoriert

 

sehen wir auch so, doch anders als ihr das wahrscheinlich meintet: den üblichen hochtrabenden möglichst gebildeteten klingenden Sprachgebrauch der deutschen Linken und Szenecodes, so wie die mangelnde Bereitschaft in anderen Sprachen Texte zu schreiben (was bei einer Soliparty durchaus machbar ist).

 

Gleichzeitig können wir, im Bewusstsein, dass der Staat und seine Diener*Innen uns niemals vergessen die Gelegenheit nutzen und die Party zum Ausgangspunkt weiterer Konfrontationen machen. Was schweißt denn mehr zusammen, als ein gemeinsames Feuer oder das (spontane) Zusammenhalten in der ehrlichen Auseinandersetzung mit der Staatsgewalt?

 

Vielleicht weil es dumm wäre, mit Menschen die wahrscheinlich Alkohol getrunken haben, brisante Aktionen zu machen? Wollt ihr wieder zu solch verantwortungslosen Aktionen aufrufen, wie die erfolglose Aktion bei der Nacht-Tanzdemo? Ihr solltet mal die Kräfteverhältnisse in dieser Stadt realistisch betrachten und vorallem herausfinden wann ein guter Zeitpunkt für eine militante Aktion ist, auf keinen Fall nach einer Party!


und ein Stempel, der an ein Visum erinnert sind nicht hinnehmbar.

 

WTF?

Ich find den Text (über den übrigens außerhalb des Netzes viel disskutiert wird) richtig gut, danke für die vielen Überlegungen, Impulse, Kritik etc...!

 

Aber was soll denn bitte dieser Kommentar? Wieso wird da so ein komisches "wir"- "ihr" Ding aufgemacht? Der Text setzt sich ganz allgemein mit Solipartys und Suffkultur auseinander, frage mich warum sich die Verfasser_innen des Kommentars anscheinend persönlich angegriffen fühlen?  Leider geht die Kritik im Kommentar so richtig am Inhalt des Textes vorbei, wären da die Zitate nicht eingefügt würd ich sagen, da wurd der Text nichtmal gelesen...