Das Baskenland erlebte am Freitag Nachmittag eine angenehme Überraschung, als ganz plötzlich sieben Flüchtlinge baskischen Boden betraten. Nicht auf dem formalen Weg über eine Verteilung der Madrider Regierung waren sie gekommen, sondern auf eigene Faust, in einem Lastwagen. Der war in Murcia gestartet, hatte in Valencia Station gemacht und hatte Schokolade geladen. Wie sie da hatten hineinkommen können, weiß bisher niemand.
Es hätte auch schlimm kommen können, denn die sieben – drei Erwachsene und vier Kinder zwischen 18 Monaten und 10 Jahren – waren in einen Kühlwagen geschlupft! Als der Fahrer in Elorrio (Bizkaia) bei einem Supermarkt ausladen wollte, bemerkte er die blinden Passagiere und rief die baskische Polizei. Sofort wurde ein behördliches Notfall-Programm in Gang gesetzt, das deutlich machte, dass die baskischen Institutionen und NGOs bestens vorbereitet sind auf die Ankunft von Flüchtlingen, und sei es auf diese unkonventionelle Weise.
Verständigt wurden die Gesundheitsbehörden, eine NGO als Rechtsbeistand und ein freiwilliger Übersetzer für die sehr wahrscheinlich aus irakisch Kurdistan stammenden Personen, die Unterkühlungs-Symptome aufwiesen und keine Papiere bei sich trugen.
Sie wurden ins wenige Kilometer entfernte Durango gebracht, gesundheitlich durchgecheckt und hatten sofort eine neue Bleibe. Die Bürgermeisterinnen von Elorrio und Durango kümmerten sich höchstpersönlich um die Gäste. Die PNV-Amtsträgerin von Durango erklärte die schnelle Reaktion: „Im September 2015 haben wir im Stadtrat einstimmig eine Erklärung beschlossen, in der wir unsere Solidarität mit Flüchtlingen bezeugt haben, die aus Kriegsgebieten kommen. Wir sind bereit, sie aufzunehmen, wie sie es verdienen und brauchen“.
Sofort wurde eine Sondersitzung aller Fraktionen einberufen, auf der beschlossen wurde, den Flüchtlingen unbefristet Herberge zu bieten. Doch dabei hat auch die spanische Regierung ein Wort mitzureden. Denn dort liegt die Kompetenz für „Einwanderung“. Dementsprechend wurden sofort Beamte der Nationalpolizei vorstellig, die Personalien auf- und Fingerabdrücke abnahmen.
Die NGO zur Betreuung von Flüchtlingen beriet die Erwachsenen am nächsten Tag über ihre rechtliche Situation und ihre Möglichkeiten. Fürs erste haben sie drei Monate Aufenthaltsrecht im Baskenland (wo sie ankamen) sicher, diese Frist ist verlängerbar um neun Monate, weil Kinder dabei sind.
Offenbar wollten die sieben Kurd/innen nach Großbritannien gelangen, wo sie Angehörige haben. Das jedoch ist mit der offiziellen Ankunft in Bizkaia schwierig geworden. Sie können im spanischen Staat Asyl beantragen, dann wird der Schritt auf die Insel aber problematisch. Wenn sie kein Asyl beantragen, ist unklar, was mit ihnen geschieht nach Ablauf der zwölf Monate. Umso wichtiger ist die gründliche Beratung von Beginn an.
Im Baskenland jedenfalls sind alle Beteiligten hilfsbereit. In verschiedenen Orten kam es zu Solidaritäts-Kundgebungen. Von Seiten der baskischen Regierung hieß es „die Menschenrechte stehen über allem. „Wenn eine Person mit einem Baby in einen Kühlwagen steigt, ist klar, dass sie auf der Flucht ist vor einem Horror“, sagte die baskische Sozialsenatorin. Die Bürgermeisterin von Elorrio machte deutlich, „solange es eine einzige Familie gibt, die zum Überleben den Heimatort verlässt, haben sie uns in diesem humanitären Drama an ihrer Seite. Wir müssen von den Gefühlen zur Praxis kommen“. Solche Erklärungen sind in Europa selten geworden von Seiten von Amtsträger/innen, im Baskenland gehört das zum Alltag. Nicht einmal die sicher auch vorhandenen Feinde von Einwanderung (in der PP und weiter rechts) trauen sich in dieser Situation aufzumucken.
Die Bewegung „Ongi etorri errefuxiatuak“ (Herzlich willkommen Flüchtlinge), die sich vor zwei Jahren in Bizkaia formiert und mittlerweile auch auf die anderen baskischen Provinzen ausgebreitet hat, mobilisiert weiter für das Recht auf Aufnahme und appelliert an die spanische Regierung, Aufnahme-Verträge einzuhalten und Flüchtlinge ins Baskenland zu bringen. Im April, wenn sich die Vernichtung der baskischen Stadt Gernika (durch die Nazis) zum 80sten Mal jährt, haben verschiedene Gruppen, Parteien und Gemeinden beschlossen, die Gedenkfeiern mit einer Kampagne für die Aufnahme von Flüchtlingen zu verbinden.
Denn das eine hat – zumindest für die große Mehrheit der Bask/innnen – mit dem anderen zu tun: nach der Bombardierung von Gernika und der militärischen Niederlage gegen die Faschisten waren Hunderttausende zur Flucht gezwungen und konnten froh sein, irgendwo aufgenommen zu werden, sei es in den Nachbar-Gemeinden, in anderen Provinzen oder anderen Ländern. Das ist nicht vergessen, im Gegenteil. Heute geht es darum, ein Stück dieser erlebten Hilfe zurückzugeben an jene, die vor den aktuellen Kriegen flüchten müssen. Kriege, die ihren Ursprung außerdem zu einem guten Teil in Europa und der westlichen Welt haben.
Durch Bilbao wandernde mitteleuropäische Tourist/innen fragen häufig, was die gelben Flaggen zu bedeuten haben, die an vielen Balkonen, Fenstern und Fassaden zu sehen sind. Auf die Erklärung, das bedeute „herzlich willkommen Flüchtlinge“ reagieren nicht wenige mit dem Satz „da könnt ihr von uns welche abhaben“. Die haben Gernika nicht erlebt, Dresden vergessen oder schlicht keine Ahnung vom Geschehen in der Welt. (Redaktion Baskinfo)
http://baskinfo.blogspot.com.es/2017/03/willkommen-fluchtlinge.html
What?
"Die haben Gernika nicht erlebt, Dresden vergessen...."
Relativismus, er lebe Hoch, Hoch, Hoch!
Beim ersten lesen garnicht aufgefallen
aber jetzt, wo Du es sagst : ein wirklich übler Versuch ! Ähnlich wie : die haben Auschwitz nicht erlebt, Versailles vergessen.
Relativismus, Revisionismus, Antikommunismus ... die Konterrevolution ist noch lange nicht tot.