Gambia: Der ungewisse Weg in die Freiheit

Das Ende der Diktatur ist greifbar nahe

Am kommenden Donnerstag, 19. Jänner 2017, sollte es soweit sein: Die Angelobung der neuen Regierung und damit das Ende der 22 Jahre dauernden Militärdiktatur in Gambia. Doch der abgewählte President Yahya Jammeh will nicht gehen - und versucht mit allen Mitteln, an der Macht zu bleiben. Krieg bzw. eine militärische Intervention könnten folgen.


Laut Verfassung endet das Amt des Präsidenten genau 5 Jahre nach der Amtseinführung: dies wäre der 18. Jänner. Am darauf folgenden Tag sollte der neue Präsident und seine Regierung angelobt werden. Langzeitpräsident Jammeh, der vor 22 Jahren mittels Militärputsch an die Macht gelangte, will dies mit rechtlichen Mitteln verhindern. So wurde von seiner Partei, der APRC, das Wahlergebnis angefochten - und in Verbindung damit das Büro der unabhängigen Wahlkomission (IEC) vom Militär besetzt. In der Folge floh der Vorsitzende der Wahlkommission, der das Wahlergebnis am 2. Dezember 2016 bekannt gab, nach Senegal.

Jammeh veröffentlichte laufend Stellungnahmen, die alle fast ident vom Inhalt sind und in denen er behautet, die Wahlen seien wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten ungültig. Er sei ein Mann des Friedens - und deshalb müsse ein friedlicher Weg gesucht werden. Doch anstatt eine friedliche Amtsübergabe zu ermöglichen und einfach abzutreten, will er die Macht mittels militärischer Waffengewalt verteidigen? Der einzige für Jammeh "friedlich" erscheinende Weg ist die Aufhebung des Wahlergebnisses durch das Höchstgericht, was als nichts anderes verstanden werden kann als eine Drohung, die frei übersetzt etwa lauten könnte: Wenn ihr versucht, mich aus dem Amt zu entfernen, dann werd ich's euch zeigen! Eine offene Kriegserklärung an die Bevölkerung Gambias, die seit langem müde ist von den Machenschaften und der Gewaltherrschaft Jammeh's, die zehntausenden Menschen das Leben kostete.

Ob Jammeh noch mehr Menschen in den Tod führen will? Die Ankündigung, er, seine Partei und das Militär würdem Gambia "bis zum letzten Mann" verteidigen, deutet darauf hin.

In Gambia regierte die vergangenen 22 Jahre das von Jammeh geführte Militär mit Angstmache. Wer sich kritisch gegen den Präsidenten äußerte, musste damit rechnen, von dessen Schergen abgeholt zu werden. Viele Menschen verschwanden auf diese Weise in den vergangenen Jahren, ihr Aufenthaltsort war selbst den engsten Angeörigen oft unbekannt. Die Liste der vermissten und ermordeten Menschen ist elends lang.

Die große Fluchtbewegung

Kein Wunder, dass viele Menschen angesichts dessen und auch wegen der für viele aussichtslosen ökonomischen Situation es vorzogen, das Land zu verlassen und sich auf den gefährlichen "Backway" Richtung Europa begaben. Aus dem kleinen Gambia mit etwa 2 Millionen Einwohner_innen kommt ein großer Teil der Menschen, die die Überfahrt mit Booten übers Mittelmeer riskieren.

War Anfang Dezember noch die Rede davon, dass nun viele der aus Gambia geflohenen Menschen zurück kehren würden, ist derzeit gerade das Gegenteil zu beobachten. Die größte Fluchtbewegung ist derzeit in Gang. Die Ankündigungen Jammeh's haben zu großer Beunruhigung und Sorge in der Bevölkerung geführt. Aus Angst verlassen viele den Ballungsraum rund um die Hauptstadt Banjul Richtung ländlichen Raum. Andere begeben sich gleich auf einen längeren Tripp und fliehen nach Senegal, Guinea Bissau, Conakry, Mali usw.

Die Angelobung am 19. Jänner

Laut Verfassung endet Jammehs Herrschaft nach der Wahlniederlage mit 18. Jänner 2017. Am 19. Jänner soll die Regierung des gewählten Präsidenten Adama Barrow im Independent Stadium in Bakau angelobt werden. Doch Jammeh will dies verhindern. Barrow, der in mehreren westafrikanischen Staaten unterwegs war, um mit den Regierungschef_innen der Ecowas-Staaten (westafrikanische Wirtschaftszusammenschluss) zu verhandlen und über eine friedliche Lösung des Konfliktes in Gambia zu beraten, befindet sich derzeit in Dakar, der Hauptstadt Senegals. Wie genau der Versuch, die neue Regierung gegen den Widerstand Jammeh's am Donnerstag 19. Jänner anzugeloben, aussehen bzw. ausgehen wird, ist schwer zu sagen. Jedenfalls ruft die Opposition die Menschen in Gambia auf, am kommenden Donnerstag zum Statium zu kommen und dabei mitzuhelfen, den Weg in ein "neues Gambia" zu ebnen.

Bleibt abzuwarten, mit welchen Mitteln die auslaufende Regierung Jammeh versuchen wird, dies zu verhindern. Überall im Land wurden auf den größeren Kreuzungen und Verkehrsknotenpunkten militärische Stellungen mit Sandäcken errichtet, aus denen seither Soldaten mit ihren Gewähren ins Nichts zielen. Ob diese den Anweisungen des Diktators folgen werden - und mitunter gegen ihre eigenen Familienmitglieder und Freund_innen vorgehen - ist ungewiss. Doch Jammeh hat verschiedensten Berichten zufolge zahlreiche (von hunderten bis zu tausenden wird gemunkelt) Söldner_innen aus verschiedenen westafrikanischen Staaten rekrutiert, die wohl mit wenig Skrupel gegen die Bevölkerung Gambias vorgehen werden.

'Deine Zeit ist abgelaufen'

Bereits vor den Wahlen machten die Menschen keinen Hehl daraus, dass sie die Machenschaften von Jammeh satt haben. "Deine Zeit ist abgelaufen", "es ist Zeit für Veränderung", "tritt endlich ab" usw. waren die klaren Ansagen von 100.000en Menschen, die auf die Straßen gingen, und eine Veränderung forderten. Jammeh wurde die "rote Karte" gezeigt. Er hat zu gehen: "By force", also wenn notwendig mit Gewalt.

Nun appellieren alle an den Militärdiktator, der sich immer wieder mittels Wahlen zum Präsidente kühren ließ, einen friedlichen Weg zu ermöglichen und abzutanken.

In zahlreichen Städten in Europa und den USA, in denen sich viele Menschen aus Gambia im Exil befinden, gab und gibt es Proteste gegen Jammeh, mit der klaren Botschaft: "Gambia has decided!" "Jammeh must go!"

Das "neue Gambia" ist greifbar nahe. Noch ist unklar, welchen Preis die Menschen nach 22 Jahren Militärdiktatur für die lang erhoffte Freiheit zu zahlen haben. Doch eines scheint klar zu sein: Jammeh kann seinen Abgang nur noch hinauszögern, aber wohl kaum noch verhindern...

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