[B] Bericht vom 7. Prozesstag gegen Balu

Solidarity

LKA 5 sucht den Superzeugen: Recall Der Prozess begann dieses Mal um ca. 10:15 Uhr mit dem Zeugen Rene Stück¹ der 25. Einsatzhundertschaft, seinerseits dort tätig als Videobearbeiter der BeDO (Beweisdokumentationseinheit) des 3. Zuges. Er soll am 09.07. ein Video angefertigt und danach bearbeitet haben, welches Balu zur Last legen soll, einen Stein auf die Cops geworfen zu haben.

 
Die Verteidigung hat der Vernehmung des Zeugen jedoch widersprochen, da er weder als Zeuge noch als Sachverständiger für den Fall geeignet sei. Vom Geschehen selber hat er keine eigene Wahrnehmung und auf das fliegende Objekt im Video wurde er erst im Nachhinein aufmerksam gemacht. Es wurde formal Widerspruch eingelegt, jedoch wurde dem nicht stattgegeben.
Während der Bildschirm ausgerichtet wurde, unterhielten sich Staatsanwältin Janine Sadri-Herzog und eine der Schöffinnen lebhaft, bis das Publikum die Richterin auf die beiden aufmerksam machte. Sie ermahnte die beiden, woraufhin die Staatsanwältin antwortete: „Sorry, wir haben uns nur über meine Kurzsichtigkeit unterhalten“. Ja sicher!
Auf dem Video war dann exakt garnichts „beweisendes“ zu sehen. Da hatte die Richterin dann auch einen ihrer besonders kritischen Momente und fand es erstaunlich, dass Rene Stück auf den Aufnahmen Balu erkannt haben will. Seine Antwort darauf: „Bei der Bildbearbeitung haben wir auch bessere Bildschirme.“
Weiterer Funfact: Seine Zeugenschaftliche Erklärung hat er erst im September nach dem Treffen mit dem LKA 5 und der Sachbearbeiterin Turman und der Sichtung des Videos mit Zugführer Vater verfasst.
Stück reiht sich außerdem ein in die Liste der Cops, denen Balu absurderweise wegen seiner angeblich „auffälligen Nase“ (?!?), die wie ein „leuchtender Punkt“ aus seinem Gesicht geragt haben soll, sowie seinem „sonstigen Erscheinungsbild“ aufgefallen sei. Bereits letztes Mal behauptete Zugführer Vater, Balu habe eine „auffallende Nase“ und verglich ihn mit einem Comiccharakter ausdem Mad Magazin, nämlich einem der Spione von Spion & Spion. Ernsthaft? Was soll diese rassistische Scheiße? Es ist einfach widerlich, was für grenzüberschreitende und diskriminierende Vergleiche sich Balu in diesem Verfahren gefallen lassen muss!

 

Popcornzeit und Riotporn


Danach möchten Richterin und Staatsanwältin gerne ein Video von der Demonstration am 09.07. schauen. Die Verteidigung legt Widerspruch ein, da das Video zusammengeschnitten und im hohen Maß suggestiv sei und einzig und allein dem Zweck diene, die Schöffinnen zu beeinflussen. Der Widerspruch wurde jedoch abgelehnt, der Saal verdunkelt und das Video mit den freudigen Worten „so, das geht jetzt ungefähr eine Stunde“ eingeschaltet. Einzig allein Popcorn und Cola fehlten zum gemütlichen Kinoambiente.
Vor jeder Szene wurde ein Schriftblock eingeblendet auf dem zu lesen war, was gleich zu sehen sein würde. Z.B. : „Steinwürfe auf Polizisten“. Zu sehen war dann zwar oftmals ein beherztes Knüppeln in die Demo seitens der Cops, das schien aber irgendwie niemanden aufzufallen. Als die Verteidigung im Nachhinein kommentierte, dass das jetzt aber nicht gerade „bürgerkriegsähnliche Zustände“, wie vorher beschrieben, waren, konterte die Richterin: „nicht kontinuierlich, aber es gab welche“ und Sadri-Herzog ergänzt: „Schlimmer geht immer.“
Wir finden, es kann nicht mal mehr als Frechheit bezeichnet werden, die Szenen aus dem Video mit einem Krieg zu vergleichen. Dass fliegende Steine mit dem geballtem Patronenhagel seitens einiger Staaten verglichen wird, unter denene unzählige Menschen sterben, zeugt nur von der geschmacklosen Rhetorik der Staatsanwältin.
Natürlich wird in diesem ganzen Kontext von staatlicher Seite definiert, was jetzt Gewalt ist und was nicht. Wenn mehr als tausend bewaffnete Cops Demonstrant*innen angreifen und einige teilweise schwer verletzen und wenn diese Cops in einem Kiez über Monate die Bewohner*innen in Atem halten um dort ihr Polizeistaats-Testgelände aufzubauen, dann ist das natürlich für die Befehlsempfänger*innen legitim,während Steinwürfe auf eben diese uniformierten Riotcops Gewalt ist.
All diese Szenen der monatelangen staatlichen Repression und Schikane, der Schläge, der Tritte und Reizgaseinsätze, der illegalen Räumung der Kadterschmiede, der Kriminalisierung von tausenden von Menschen, der Beleidigungen, der Bedrohungen und der Erniedrigungen etc. tauchten im Video natürlich nicht auf.
Nach dem Kinovormittag wies die Verteidigung darauf hin, dass die Sichtung des Videos „doch überraschend sinnvoll war“, da zumindest zu sehen war, dass viele der Teilnehmer*innen graue Hosen und Schuhe mit weißen Sohlen hatten. Das waren ursprünglich die „eindeutigen“ Erkennungsmerkmale, die einige Cops auf die Fährte zu Balu geführt haben sollen.

Später wurde dann über einige Beweisanträge verhandelt. So hat die Verteidung den Antrag gestellt, dass die Zeugin Haase nicht weiter Teil des Prozesses sein soll, da sie bereits in anderen Verfahren gelogen und einen besondern Belastungseifer an den Tag gelegt habe.
Daher wurde um Beiziehung der Akten gebeten, die nachweisen sollen, dass Haase nicht mehr als glaubwürdige Zeugin auftreten kann. Die Richterin verliest jedoch nur die Urteile und lehnt den Antrag mit eben der Begründung ab, dass aus den kurzgehalteten Urteilsbegründungen derartige Anschuldigungen keine Bestätigung finden. Jedoch lässt sie sich nicht nehmen zu sagen: „Ich schreib das schließlich in die Urteile, wenn Polizeizeugen lügen“. Danke dafür, jetzt sind wir wirklich beruhigt!
Ebenfalls wird der Antrag abgelehnt die Akte von Aaron M.. hinzuzuziehen. Das Gericht geht eh nicht davon aus, dass Balu für den Steinwurf gegen Pfaff verantwortlich war, es wird ein „unbekannter Geschädigter“ eines „angeblichen Steinwurfs“ angenommen. Darum wird die Akte als belanglos für den Prozess angesehen.
Außerdem wurden zwei weitere Anträge von der Verteidigung eingereicht, über die beim nächsten Mal entschieden werden soll. Zum einen soll die Unwürdigkeit von Haase und Petsch gezeigt werden, zum anderen wurde ein weiterer Cop als Zeuge benannt.

Auch die Staatsanwältin führte noch einen Beweisantrag zur Hinzuziehung des Polizeizeugen Ramirez Acosta hinsichtlich eines neuen Tatvorwurfs der gemeinschaftlichen Körperverletzung, ein. Als Sadri-Herzog etwas verwirrt sagte, dass sie den Beweisantrag auch gerade erst gefunden habe, fängt das Publikum an zu lachen. Woraufhin sie sich diesem zuwendet und sich ernsthaft dazu hinreißen ließ zu fauchen: „Wir können euch auch alle räumen.“

Alles in allem wurde die Verteidigung wieder mehrmals übergangen, wobei die Linie der Richterin aber dennoch nicht ganz nachvollziehbar ist. So hört sie manchmal nicht zu und unterbricht häufig, an anderen Stellen werden jedoch Anträgen stattgegeben und vereinzelt kritische Fragen gestellt.
Positiv ist: Die Beweislage erscheint äußerst schlecht! Die Videos zeigen echt überhaupt nichts, die Zeug*innen widersprechen sich, die Polizei hat unsauber gearbeitet und sich ganz offensichtlich abgesprochen. Es macht ganz den Eindruck, als hätte Sadri-Herzog einfach mal aus Frust einen neuen Tatvorwurf mit in den Beweisantrag gepackt.

Es wird (vorraussichtlich) zwei weitere Prozesstage geben:

 

24.01., 11:30 Uhr
31.01., 12:00 Uhr
Raum B218 im Amtsgericht Tiergarten (Wilsnacker Straße), Berlin

 

Weiterhin können wir immer nur die gleiche Aussage machen – jeder Termin könnte der Letzte sein! Also kommt am 24.01. zum Prozess, um Balu zu unterstützen und verfolgt die Updates auf dem Blog, um ggf. angemessen auf das Prozessende zu reagiern!

 

Solidarität mit Aaron & Balu!
Freiheit für Thunfisch!
Freiheit für alle Gefangenen!


https://aaronbalu.blackblogs.org/

https://freethunfisch.blackblogs.org/


¹ Wir haben in diesem Prozessbericht darauf verzichtet, das Alter der Zeugen zu erwähnen. Es kommt zu vielfacher Diskriminierung aufgrund von Alter, insbesondere gegenüber vergleichsweise jungen oder alten Menschen. Im Rahmen des Prozesses wird Alter z.B. (unbewusst) gleichgesetzt mit Lebenserfahrung und Fähigkeit der eingesetzen Cops.

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Erstmal danke für eure großartige Arbeit!

 

Wir haben in diesem Prozessbericht darauf verzichtet, das Alter der Zeugen zu erwähnen. Es kommt zu vielfacher Diskriminierung aufgrund von Alter, insbesondere gegenüber vergleichsweise jungen oder alten Menschen. Im Rahmen des Prozesses wird Alter z.B. (unbewusst) gleichgesetzt mit Lebenserfahrung und Fähigkeit der eingesetzen Cops."

 

Dieser Aussage würde ich aber ein anderes Interesse gegenüber stellen: Gerade bei Allerweltsnamen stellt das Alter ein wichtiges Indiz dar, um eine Person zu identifizieren. Wenn nun jemand jemals von einem Bullen namens Rene Stück drangsaliert wurde, kann er_sie über das Alter nachvollziehen, ob es der gleiche Büttel war des sich jetzt was gegen Balu zusammenlügt. Außerdem ist Diskriminierung nach Alter ja nicht das Problem der Menschen die das Alter nennen, sondern der Menschen die daraus die falschen Schlüsse ziehen. Pro Altersnennung!