Nach 2015 und 2016 ist für den 20. Januar 2017 die dritte Rosa-Luxemburg-Konferenz in Bilbao (Bilbo) geplant. Ins Leben gerufen wurde die überparteiliche Konferenz vom baskisch-deutschen Kulturverein Baskale und von einer Gruppe von Personen aus der baskischen Linken, die sich zum Zweck der Konferenz zusammengefunden hatten. Ziel der Konferenzen war und ist die Diskussion wichtiger und aktueller Themen aus den Bereichen Feminismus, Sozialismus und Unabhängigkeit.
Die Konferenz 2017 trägt den Titel „Antifeministische Widerstände in linken Bewegungen. Was tun?“ (Original: Ezker erresistenzietan feminismoari erresistentziak. Zer egin?). Die RLK-III greift damit eine Diskussion auf, die im Baskenland erst in den vergangenen Jahren begann und sich kritisch auseinandersetzt mit der Problematik, dass feministische Praxis in linken Bewegungen nach wie vor schwer Fuß fasst, dass es in vermeintlich unterdrückungs-freien Umgebungen patriarchale Strukturen gibt und dass Feminismus oft als Alibi-Attribut an letzter Stelle politischer Forderungen aufgezählt wird.
Für 2017 hat sich die Organisation Gite-Ipes der Rosa-Luxemburg-Initiative angeschlossen, sie praktiziert seit 40 Jahren außerschulische Bildung und hatte 2016 Angela Davis zu einer Konferenz zum Thema Gefängnis-Politik nach Bilbo eingeladen. Mit an der Organisation beteiligt sind Lorea Agirre Dorronsoro, die vor Jahren die erste Rosa-Luxemburg-Biografie in Euskara publizierte, sie ist Direktorin der Monatszeitschrift Jakin (dt: Wissen; 1956 gegründet, 1967 vom Franquismus verboten, 1977 wiederbelebt); daneben Olatz Dañobeitia als Mitarbeiterin der Stiftung Joxemi Zumalabe, die seit 20 Jahren soziale Bewegungen im Baskenland analysiert und dynamisiert.
Wie in den vergangenen Jahren besteht die Konferenz aus zwei zentralen Beiträgen: Pili Alvarez Molés ist Feministin und Soziologin. Aus Katalonien stammend lebt und arbeitet sie im Baskenland; Jokin Azpiazu Carballo ist Soziologe und in sozialen Bewegungen aktiv. Er arbeitet seit Jahren an der Thematik neuer Konzepte von Männlichkeit.
Pili Alvarez Molés hat in den vergangenen Jahren verschiedene wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt, nicht zuletzt hat sie in einer umfangreichen Untersuchung sexistische Strukturen in besetzten Häusern analysiert. Dass 2015 von Feministinnen ein Zentrum ohne Zugang für Männer besetzt wurde, war eine logische Folge der patriarchalen Strukturen in Bilbo und ist in Besetzungs-Kreisen zum Politikum geworden (das Zentrum in Bilbo-Rekalde trägt den Namen OihuK, was in baskischer Sprache „Schrei“ bedeutet).
Jokin Azpiazu Carballo ist bekannt für sein politisches Engagement und seine provokativen Vorträge. Er analysiert die Widersprüche des oberflächlichen und populären Diskurses zur neuen Männlichkeit: der exzessive Protagonismus, die geringe Anbindung an feministische Theorien, der Heterozentrismus und die Widerstände gegen eine Abkehr von männlichen Privilegien.
Um die Möglichkeit einer Diskussion im Publikum zu eröffnen, beginnt die Veranstaltung bereits am späten Nachmittag, um 17:30 Uhr. Beide Vorträge, sowie die Einführung von Lorea Agirre in das Leben Rosa Luxemburgs werden in baskischer Sprache sein, angeboten wird eine Simultan-Übersetzung ins Spanische. Im Anschluss an Vorträge und Diskussion gibt es ein kleines Buffet mit Pintxo und Wein, um zum weiteren Gespräch über die Themen zu animieren.
Zu Beginn der Konferenz wird es Grußbotschaften bzgl. zweier politischer Gefangener geben. Zum einen wird (wie bereits im letzten Jahr) die Botschaft von Mumia Abu-Jamal an die RL-Konferenz in Berlin eingespielt; zum anderen wird die Situation der baskischen Rechtsanwältin Arantza Zulueta geschildert, die sich seit 2 Jahren in spanischer Isolationshaft befindet.
Rosa Luxemburg ist im Baskenland keine unumstrittene Persönlichkeit, weil sie sich in ihrem politischen Leben mehrfach gegen nationale Bewegungen ausgesprochen hat. Das hat in Bilbo wiederholt zu Ressentiments gegenüber der Konferenz geführt. Sicher kann Rosa Luxemburg nicht als Feministin im heutigen Sinne bezeichnet werden, dennoch war sie in einer Zeit politisch aktiv, in der praktisch das gesamte politische Leben von Männern dominiert war, insofern ist ihr politisches Wirken exemplarisch. Diese Tatsache und der Erfolg der seit 22 Jahren in Berlin stattfindenden Rosa-Luxemburg-Konferenz, bei der (mit Botschaften von Arnaldo Otegi) wiederholt die Situation im Baskenland thematisiert wurde, gab den Ausschlag für die Namensgebung in Bilbo.
Weil das Konzept der RL-Konferenz in Bilbo vom gängigen Schema politischer Veranstaltungen abweicht, betrachteten die Organisator/innen ihr Projekt anfangs als Versuch, politischer Diskussion einen anderen – nicht zuletzt baskisch-sprachigen – Rahmen zu geben. Überraschenderweise hat das Konzept großen Zuspruch gefunden. Erfreulich ist insbesondere die Tatsache, dass Personen erreicht werden konnten, die üblicherweise nicht zu Informations-Veranstaltungen kommen oder lediglich den Diskursen aus den eigenen Reihen folgen. Dieser „Rückenwind“ hat die veranstaltenden Gruppen motiviert, nunmehr in die dritte Ausgabe der Rosa-Luxemburg-Konferenz zu gehen, mit einem Thema, das brisant und hochpolitisch ist, das nicht in gängige Veranstaltungs-Schemen passt und möglicherweise erneut Ressentiments hervorruft. Genau das ist die Absicht der Organisator/innen: den Blick zu richten auf die blinden Flecke in den linken Bewegungen.
Organisator/innen:
* Freundinnen und Freunde Rosa Luxemburgs im Baskenland
* Baskisch-deutscher Kulturverein Baskale
* Gite-Ipes (Institut zur Förderung Sozialer Studien)
Veranstaltung:
20. Januar 2017, 17.30 bis 21 h, Hika-Ateneo, Ibeni kaia 1, Stadtteil Bilbo-Atxuri
Webseite (baskisch, spanisch, deutsch):