Filmrezension: beyond the red lines - Europas Graswurzelbewegung im Zeichen des Klimawandels

Garzweiler

Beyond the red lines – „Jenseits den roten Linien“ heißt der mitreißende Dokumentarfilm des unabhängigen Medienkollektivs cine rebelde über die Aktionen der europaweiten Graswurzel-Klimabewegung im Vorfeld des Pariser Klima-Gipfels 2015. Die roten Linien in Sachen Klima hat das auf fossilen Brennstoffen basierende, industriell-kapitalistische System schon längst überschritten. Quälend langsam und gegen erhebliche Widerstände gilt es, ein für Mensch und Erde schonendes Wirtschaften zu entwickeln. Die Zeit drängt!

 

Menschen aus sozialen- und Umweltbewegungen machen sich geeint auf den Weg, um dem beharrlichen „weiter so“ ihren unerschrockenen und kreativen Protest entgegen zu setzen und für das gute Leben einzutreten. In der Berichterstattung tauchen diese Bewegungen bestenfalls als Randnotiz auf, werden oftmals verschwiegen, klein geredet oder kriminalisiert. Ganz anders in beyond the red lines: Die Filmemacher*innen gehen ganz dicht heran, sind dabei am Ort des Geschehens, folgen den Protagonist*innen während ihrer Aktionen. Rote Linien überschreiten auch die im Film porträtierten Menschen, die sich für das Klima einsetzen mit all ihrer Leidenschaft. Sie sind bereit, Grenzen zu überschreiten – sowohl ihre körperlichen und mentalen Grenzen als auch die Grenzen des Legalen in Akten zivilen Ungehorsams - und senden damit unübersehbare Signale an die Gesellschaft und die Machthabenden in Politik und Wirtschaft.

 

Der Widerstand regt sich in ganz Europa, auf den Straßen und an den Brennpunkten der fossilen Industrie. In Frankreich führt die 5.600 Kilometer lange Fahrradtour „Alternatiba“ nach Paris, die Etappen führen zu gelebten Utopien für ein alternatives Leben, bringen Menschen zusammen auf Biomärkten und vor Bühnen.

 

In dem nach den Terroranschlägen gelähmten Paris gehen Tausende auf die Straße, drohenden Gefängnisstrafen zum Trotz. Auf einer Messe, in der Großkonzerne in bester Greenwashing-Manier am Rande des Gipfels ihre Schein-Lösungen zum Klimaschutz zeigen, bieten Aktivist*innen öffentliche Führungen an. Sogar als sie von Security-Mitarbeitern brachial aus dem Saal gedrängt werden, rufen sie ihre Botschaft in die Mikrofone.

 

Andere Aktionen führen in den hässlichen Backstage-Bereich der schönen, bunten, bequemen Warenwelt. In den Niederlanden formiert sich ein Protestcamp am Amsterdamer Hafen, zwischen rauchenden Schloten, Kohlehalden und Benzintanks. Die Aktivist*innen lassen sich nicht aufhalten von der Hafenpolizei oder einem Wachmann mit scharfem Hund, sie dringen ein auf Werksgelände, blockieren Gleise – alles mit einer ordentlichen Prise Humor, die das System ad absurdum führt.

 

Der größte CO2-Emittent Europas, das rheinische Braunkohle-Revier, ruft den größten Protest auf den Plan: Bei „Ende Gelände“ besetzen Hunderte meist junger Aktivist*innen die riesigen Schaufelradbagger im Tagebau Garzweiler. Geradezu kunstvoll choreographiert wirkt der Zug der in weiße Maleranzüge gekleideten Gestalten durch die apokalyptische Landschaft der Gruben. Allein mit ihren Körpern gelingt es ihnen, die gigantische Maschinerie zum Anhalten zu zwingen.

 

Stellenweise fordert die detailgenaue Darstellung des Geschehens den Zuschauenden etwas Geduld ab. Belohnt werden sie dafür mit bewegenden Szenen, sie begegnen dabei faszinierenden Menschen - darunter vielen mutigen Frauen, deren Stimmen in manchen Sequenzen durchaus mehr Gehör verdient hätten. Nicht zuletzt weckt der Film Begeisterung, er ermutigt dazu, selbst in Aktion zu treten und eigene Ideen zu entwickeln. Das macht beyond the red lines zu einen großartigen Mittel, um alte und neue Aktivist*innen zu mobilisieren – denn es gilt Widerstand zu leisten gegen alle Kräfte, die sich nicht davon abhalten lassen, weiter die roten Linien zu überschreiten.

 

Stephanie Walter

 

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http://beyondtheredlines.org

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