Jedes Jahr aufs Neue werden am Volkstrauertag Gedenkveranstaltungen an Soldatendenkmälern abgehalten um den gefallenen deutschen Soldaten zu gedenken. In Südthüringen wechseln sich die Vertreter von Städten und Gemeinden mit Neonazikameradschaften an den jeweiligen Denkmälern ab, um ihrer NS-Verharmlosung freien Lauf zu geben und den deutschen Opfermythos zu manifestieren. Deshalb wurden die Stätten der deutschen Täter in Schleusingen, Suhl und Zella-Mehlis mit Farbe markiert!
Die Geschichte des Volkstrauertages begann bereits in der Weimarer Republik. Im Jahr 1926 wurde der erste Volkstrauertag begangen, um den deutschen Gefallenen des Ersten Weltkriegs zu gedenken. Was damals schon seinen Zweck in einer mehr oder weniger intensiven Kriegshetze fand, trat zur Zeit des Nationalsozialismus offen zu Tage. Die Nazis begingen den Volkstrauertag als sogenanntes "Heldengedenken" und auch die heutigen Nazis knüpfen nicht nur begrifflich an diese Tradition an. Nach der militärischen Niederschlagung Nazideutschlands und dem Abbruch der Shoah durch die Anti-Hitler-Koalition wurde der Volkstrauertag in der alten Bundesrepublik wieder eingeführt. Heute soll ausdrücklich den Toten beider Weltkriege und den Opfern der Gewaltherrschaft aller Nationen gedacht, für Frieden, Versöhnung und Verständigung gemahnt werden. Jeder spezifische historische Charakter jener "Gewaltherrschaft[en]", die durchaus inzwischen auch den Staatskapitalismus der DDR einschließt, geht in einem solchen Gedenken verloren. Die deutschen Täter, die Millionen Menschen ausrotteten, stehen in einer Reihe mit den Mauertoten, den gefallenen Alliierten und den Opfern der Deutschen. Ein solches nivellierendes, also zwischen Opfern und Tätern nicht mehr unterscheidendes, Gedenken im Land der Täter ist für die politische Linke und für alle Menschen problematisch, die dafür eintreten, dass die Bedingungen der deutschen Barbarei, die Bedingungen des eliminatorischen Antisemitismus in diesem Land und weltweit beseitigt werden. Die gleichmachende deutsche Gedenkpolitik zum Volkstrauertag ist Ausdruck eines Bewusstseins, das die wirkliche Aufarbeitung des Nationalsozialismus ablehnt, verdrängt bzw. diesen überhaupt vergessen machen will. Sie bestätigt nur immer wieder den Satz Paul Spiegels, wonach sich hinter den Rufen nach Frieden die Mörder verschanzen. Eine solche Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit hätte u.a. die Kontinuität jener Bedingungen, die nach Auschwitz führten und die bis in die Gegenwart fortdauern, zu thematisieren und zum Gegenstand politischer Kämpfe zu machen. Im Sinne eines solchen antifaschistischen Kampfes ist ein Gedenken an die deutschen Täter nicht hinnehmbar. Wir gedenken den ermordeten Jüdinnen und Juden, den Kommunistinnen und Kommunisten, den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, den Sinti und Roma sowie all den anderen unzähligen Opfern, die aufgrund einer menschenverachtenden Ideologie ihr Leben lassen mussten. Wir gedenken auch den Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern, den Partisaninnen und Partisanen sowie den Soldatinnen und Soldaten der Anti-Hitler-Koalition. Für dieses Erinnern und Gedenken bedarf es keines Volkstrauertages, der im Begriff des Volkes ein Denken mitführt, das in Deutschland immer mit der Blut- und Bodenideologie verknüpft war, für welche Rassismus und Antisemitismus wesentliche Bestandteile sind. Eine Gemeinschaft, die auf Ausgrenzung basiert, lehnen wir ab. Wir kämpfen für ein solidarisches Miteinander aller Menschen, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung, Hautfarbe oder Herkunft, für eine Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ausbeutung und Zurichtung.
Doch es reicht nicht nur die Stätten des deutschen Opfermythos mit pinker Farbe und Teer zu verschönern. Unsere Kritik an der deutschen Gedenkpolitik muss auf die Straße getragen werden!
Kommt am 13. November gegen das "Heldengedenken" in Friedrichroda (Landkreis Gotha) auf die Straße! Unterstützt die Antifa-Kundgebung um 16 Uhr gegenüber des REWE-Parkplatzes. Weiterhin findet am heutigen Samstag ab 18 Uhr eine Demonstration unter dem Motto "Ihr trauert, wir feiern! Gegen NS-Verharmlosung, Tanzverbot und deutsche Opfermythen!" in Erfurt statt. Für Infos besucht: http://volkstrauertag-abschaffen.tk/
Arbeitskreis Tätermarkierung Rennsteig, November 2016
Was tun....
Da es ja grundsätzlich ums "Heldengedenken" am Volkstrauertag geht:
Was tun bei einer Gedenkstätte und Gedenkfeier, bei der mit Inschrift und Redebeitrag auch Opfern des Naziterrors, insbesondere konkret der Toten durch die Euthanasieaktionen in psychiatrischen Heilanstalten (von denen eine am Ort war oder ist), gedacht wird? Da wäre pink & Teer irgendwie...... unpassend...
Was tun? Kritisieren!
Eben der von dir genannte Umstand ist es ja, auf den sich der Text bezieht und auf den die Kritik abzielt.
„Ein solches nivellierendes, also zwischen Opfern und Tätern nicht mehr unterscheidendes, Gedenken im Land der Täter ist [...] problematisch[...]"
Fließender Übergang
Kritisieren, ja. Nur, wie ich schrieb, pink & Teer oder der berühmte dauerbellende Hund sind sicher eine Sache für die einseitigen Heldengedenkaktionen, aber erscheinen mir unpassend für eine Gedenkstätte, die schon einen Prozeß des Nachdenkens verkörpert, eben dadurch, daß ganz intensive Diskussionen (incl. bis heute beleidigter Traditionsvereine, die ich da NICHT vermisse) z.B. auch zur Erinnerung an die Euthanasieopfer geführt hat.
Und ich denke, es hängt auch stark von der Art des Gedenkens ab. Ich meine, der Teil der Soldaten, die als Kanonenfutter in den Kriegen verheizt wurden, sind durchaus gleichzeitig Täter und Opfer. Nicht jeder hatte in den jeweiligen Systemen den Mut, zu desertieren...
(womit ich nahtlos bei einem meiner Herzensthemen wäre... in meiner eigenen Verwandtschaft wurde ein zur Wehrmacht eingezogener, der wohl bei verschiedenen Aktionen an der Ostfront nicht mitmachen wollte, dann degradiert und bei einer Strafkompanie in einem militärisch völlig Himmelfahrtskommando verheizt. Es existiert noch eine Kiste Briefe, die er von der Front an seine Frau (meine Schwiegeroma) geschrieben hatte, die muß ich mal durcharbeiten. Die, die nicht mitgemacht haben, das waren nicht die Feiglinge und Vaterlandsverräter, das waren die Mutigen.