Räumungen von Refugee-Hausbesetzungen in Thessaloniki – Schlag gegen Solidaritätsbewegung in Griechenland – Prozess gegen 80 griechische und internationale Aktivist*innen – „Our passion for freedom is stronger than their prison“: Bericht aus Thessaloniki
Am Mittwoch, den 27. Juli wurden in Griechenland in Thessaloniki und Athen selbstorganisierte migrantische und anarchistische Haus- bzw. Hafenbesetzungen geräumt. In der Anhörung am folgenden Tag wurden griechische und internationale Aktivist*innen wegen „Störung öffentlicher Ordnung“ und Sachbeschädigung angeklagt. Wegen fehlender Übersetzung wurden die Verhandlungen zweier Hausbesetzungen auf Anfang August vertagt, Aktivist*innen einer dritten Besetzung wurden zu Haftstrafen von vier Monaten auf Bewährung freigelassen bzw. zu Geldstrafen verurteilt. Die linke SYRIZA-Regierung in Griechenland setzt damit ihre Repressionspolitik der Räumungen der Protestcamps in Idomeni, Polykastro und anderer Orte fort, scheinbar im Versuch, die Kontrolle über Fluchtbewegungen und soziale Antworten auf diese zu suggerieren und die Solidaritätsbewegung und gemeinsame Organisierung von Refugees und Unterstützer*innen zu zerschlagen.
Ereignisse in Thessaloniki
Am frühen Mittwochmorgen begann die Polizei mit den Räumungen in Thessaloniki. Betroffen waren fast 100 Menschen in den drei Besetzungen „Orfanotrofeio“, „Nikis“ und „Hürriya“, der Großteil davon im „Hürriya“, einer Besetzung, die vergangene Woche aus dem No Border Camp heraus entstanden war. Über 30 ehemals in den Squats lebende Refugees wurden verhaftet und sollten zunächst in Militärcamps (military detention centers) gebracht werden, wurden von dort aber von Unterstützer*innen zurück nach Thessaloniki geholt. Die zur Zeit der Räumung in den Squats befindlichen Aktivist*innen – circa 70 Personen, die Mehrheit internationale Teilnehmer*innen des No Border Camps, das am Sonntag zu Ende ging – wurden in Gewahrsam genommen. Ihnen wird „Störung der öffentlichen Ordnung“ und, im Fall des „Hürriya“, Sachbeschädigung in Höhe von 70.000 Euro vorgeworfen. Die Refugee-Besetzung „Orfanotrofeio“ wurde noch am Mittwoch vollständig abgerissen, die Menschen, die dort gelebt haben, sind bei solidarischen Unterstützer*innen untergekommen. Ehemaligen Bewohner*innen war zugesichert worden, Medizin, Wertgegenstände und Materialien aus dem Haus holen zu können, der Abriss wurde jedoch fortgesetzt noch während sich Menschen darin befanden.
Als Antwort auf die Räumungen und Inhaftierungen besetzten Aktivist*innen am Mittwochvormittag das SYRIZA-Büro in Thessaloniki. Die Besetzer*innen verkündeten, solange in den Räumen zu bleiben, bis alle inhaftierten Aktivist*innen wieder frei sind. Die Reaktionen der Partei sind gespalten, einige Stimmen sprachen sich für die Rückgabe der geräumten Häuser aus, während die Regierung jedoch genau diese Räumungen anordnete. Am Mittwochabend fand eine Solidaritätsdemonstration mit 300 Teilnehmer*innen statt, weitere Demonstrationen und Aktionen am Donnerstagabend und in den nächsten Tagen sind geplant.
In der ersten Anhörung im Prozess am Donnerstag, den 28. Juli, wurden die Verhandlungen für das „Orfanatrofeio“ und das „Hürriya“ auf den 03. beziehungsweise 05. August aufgrund fehlender Übersetzer*innen für internationale Aktivist*innen vertagt, die ca. 70 Aktivist*innen, die teils mehr als 30 Stunden ohne Essen und Schlafplätze festgehalten wurden, konnten das Gericht auf freiem Fuß verlassen und können in der nächsten Verhandlung durch die Anwält*innen vertreten werden. Die Verhandlung für das „Nikis“, ein seit 2009 besetztes Gebäude in Besitz der Universität, dauerte zweieinhalb Stunden. Zeugen und Besetzer*innen betonten in ihren Aussagen die praktische Notwendigkeit von Hausbesetzungen aufgrund der sozialen und finanziellen Notsituationen, in denen sich sowohl arbeitslose Griech*innen als auch Refugees befinden und wiesen darauf hin, dass nach einer jahrelangen „Politik der stillen Duldung“ durch die Universität die jetzige Räumung eindeutig als strategische Repression gegen anarchistische und antirassistische Strukturen zu verstehen ist. Die Staatsanwaltschaft forderte die Verurteilung von sechs der neun Angeklagten. Entsprechend wurden drei Aktivist*innen freigesprochen, fünf zu Haftstrafen von vier Monaten auf Bewährung und eine Person zusätzlich zu einer Geldstrafe in Höhe von 600 Euro verurteilt.
Auftakt einer neuen Repressionswelle
Nachdem zeitgleich am Mittwoch auch das Camp im Hafen von Piräus bei Athen geräumt wurde, hat der Bürgermeister von Athen angekündigt, die selbstorganisierten Hausbesetzungen von, für und mit Refugees in Athen ebenfalls räumen zu wollen. Da außerdem die Räumungen der Besetzungen in Thessaloniki zeitlich parallel durchgeführt wurden und der Abriss des „Orfanotrofeio“ unmittelbar erfolgte, ist davon auszugehen, dass dieser Auftakt einer Repressionswelle bereits länger geplant war. Das No Border Camp, Demonstrationen und Aktionen in Thessaloniki werden von staatlicher Seite nun als Legitimation des Vorgehens herangezogen, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass die Refugee-Selbstorganisation und solidarische Bewegung dem griechischen Staat und der EU schon lange ein Dorn im Auge sind. Nach dem EU-Türkei-Deal, der Schließung der Balkanroute und der Kriminalisierung von Geflüchteten und Unterstützer*innen, ist die neue Repressionswelle ein weiterer Schritt zur Erlangung der Kontrolle und Abwehr der Fluchtbewegungen und Verhinderung solidarischer Unterstützung und Selbstorganisation.
Seid solidarisch und aktiv widerständig!
Auch wenn ein Großteil der angeklagten Aktivist*innen zunächst frei ist, sind die Repressionen gegen die griechische antirassistische Bewegung noch lange nicht Geschichte. In Thessaloniki werden neue Häuser für Wohnraum und Selbstorganisation sowie finanzielle Unterstützung für Anwält*innen und Prozesskosten benötigt und der politische Druck muss aufrechterhalten werden, um weitere Räumungen in Griechenland zu verhindern. Zeigt euch solidarisch! Demonstriert, startet Aktionen, folgt den erfolgreichen Beispielen aus Griechenland und anderswo und besetzt gemeinsam Häuser! Unterstützt Menschen auf der Flucht auf jede Art und Weise und leistet so aktiv Widerstand gegen menschenfeindliche Politik und Repressionen. Our passion for freedom is stronger than their prisons! Freedom of movement is everybody’s right!
Spendenaufruf und Kontodaten werden in den nächsten Tagen auf openborder.noblogs.org veröffentlicht.
Kontakt
Email: openborders@riseup.net
Asas Ragda
Heute (28.7.2016) ist dem Militärcamp Softex in der Region Diavata (ca 10 km von Thessaloniki entfernt) die 29 jährige Asas Ragda gestorben. Sie starb vermutlich an einem epileptischen Anfall. Im Camp gibt es keine medizinische Versorgung und der gerufene Krankenwagen kam zu spät. Asas Ragda starb, weil ihr sowohl generelle medizinische Beandlung, als auch akut Hilfe vorenthalten wurden.
Klar ist nicht, ob Asas beim Eintreffen des Krankenwagen bereits tot war, wie in der offiziellen griechischen Presse behauptet wird. Oder wie von Mitbewohner_Innen berichtet zunächst nach ihrer Nationalität befragt worden ist und die lebensbedrohliche Situation von den Sanitäter_Innen hinter rassistischer Praxis fehlbeurteilt und wichtige Zeit vergeudet wurde.
Als Reaktion besetzten Menschen aus Softex zunächst eine Straße in der Nähe des Camps. Später formierten sie sich zu einer Demonstration, die von der Polizei gestoppt wurde, dann aber bis nach Thessaloniki laufen konnte, dort wollten sie vor einem Krankenhaus demonstrieren. Auf der Hauptstraße in Thessaloniki trafen die Refugeedemo un die der internationalen Supporter_Innen zusammen und gemeinsam weiter zu ziehen. Am Ende Der Demo kam es zu einer Besetzung der Theaterschule in der Nähe der Campus.
Durch das was heute passieren ist wird erneut die Notwendigkeit von selbstorganisierten Refugeesquats deutlich.
Häuser denen, die sie brauchen!
Sani
Oder wie von Mitbewohner_Innen berichtet zunächst nach ihrer Nationalität befragt worden ist und die lebensbedrohliche Situation von den Sanitäter_Innen hinter rassistischer Praxis fehlbeurteilt und wichtige Zeit vergeudet wurde.
Sowas macht aber schon an dem Punkt Sinn, wenn es um mögliche Verständigungsschwierigkeiten geht und man Vorerkrankungen, genutzte Medizin u.s.w. halt nicht erfährt.
softex
Den Sanitaeter_innen sollte klar sein dass das Militaer nur Syrer_innen im Camp wohnen laesst... so also war es definitiv rassistische Praxis...
nicht vom NO BORDER Camp
Die Besetzung der Kinotita Hurriya ging nicht! vom No Border camp aus!