Am 28. Juni haben drei Selbstmordattentäter am Istanbuler Atatürk-Flughafen mehr als 40 Menschen getötet und über 200 Menschen verletzt. Sie schoßen um sich und sprengten sich am internationalen Terminal in die Luft. Die Medien überschlugen sich. „Der Terror trifft die Türkei im Herzen“ hieß es. Im gleichen Atemzug wurde neben dem IS auch die PKK bzw. „Splittergruppen der PKK, wie die TAK“1 genannt. Gemutmaßt wurde, dass es eben auch diese Splittergruppe sein könnte, die den Anschlag verübt haben. Als „Beweis“ hierfür musste dann der Angriff der TAK Anfang Juni auf einen Polizeibus in der Innenstadt Istanbuls oder der Angriff auf das türkische Militär in Ankara im Februar herhalten.
Bewusst ausgeblendet und nicht berücksichtigt wird dabei der eklatante Unterschied zwischen einem Angriff auf Polizei und Militär, die in ihrer Funktion VertreterInnen eines Staates sind, der einen entfesselten Krieg gegen die kurdische Bevölkerung, die kurdische Bewegung und die revolutionäre Linke führt und einem wahllosen Angriff auf Menschen, die zu einer falschen Zeit an einem falschen Ort sind und die wahrscheinlich als „Ungläubige“ eingestuft wurden.
Mit der ständigen Wiederholung und der Betonung, dass auch die TAK dafür verantwortlich sein könnte, genauso wie die Vergleiche zu den Angriffen auf das türkische Militär in Ankara oder auf den Polizeibus in Istanbul wird eine Angst geschürt. Eine Angst, die besagt, dass jeder und jede ins Kreuzfeuer der TAK kommen könne – genauso wie beim IS. Selbst wenn nach kurzer Zeit klar sein wird, dass der IS für den Angriff verantwortlich ist, wird der üble Beigeschmack im Hinterkopf bleiben, der besagt: jeder und jede kann Opfer vom IS, der PKK, der TAK oder anderer Gruppierungen werden, denn alle seien Terroristen.
Und tatsächlich: die Taten des IS lassen keinen anderen Begriff zu als Terrorismus. Der IS richtet sich willkürlich gegen Menschen, die wahrscheinlich nicht ihres Glaubens sind und die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. In der Auswahl ihrer Ziele spielt der Glaube sogar eine untergeordnete Rolle, denn es geht vor allem darum mit möglichst großem Medienecho den größtmöglichen Schaden anzurichten: Die Anschläge in Paris und jetzt auch in Istanbul sind nur zwei Beispiele hierfür.
Demgegenüber stehen die Aktionen von linken Organisationen, die sich gezielt gegen VertreterInnen des Staates richten: gegen Polizei und Militär.2 Ohne in eine Rechtfertigungsschleife zu geraten und eine Bewertung der Aktionen der TAK oder anderer Organisationen abzuliefern gilt es den qualitativen Unterschied von Terror gegen jedeN und gezielten und bewussten Angriffen gegen VerfechterInnen von Ausbeutung, Unterdrückung und eines Krieges der täglich dutzenden Menschen das Leben kostet, hervorzuheben. Was unweigerlich dazu führt, dass die Angriffe von linken Organisationen nicht als Terrorismus einzustufen sind, die Angriffe finden statt im Rahmen des Kampfs um eine befreite Gesellschaft, also im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung und für die Interessen der Menschen. Vor diesem Kampf muss die Bevölkerung keine Angst haben, denn die Bevölkerung ist nicht das Ziel dieses Kampfes und dieser Angriffe. Das Ziel sind der Staat und die VertreterInnen des Staates.
Die Versuche Widerstand und Terrorismus gleichzusetzen sind nicht neu und mindestens so alt wie es den Kampf für eine befreite Gesellschaft gibt. Umso notwendiger dagegen zu halten und diese Gleichsetzung nicht zuzulassen. Für uns muss es also heißen den legitimen Kampf für eine befreite Gesellschaft zu verteidigen und gleichzeitig den tatsächlichen Terror zu entlarven.
Die Bevölkerung hat nicht die Aktionen der revolutionären Linken zu fürchten, sondern die des IS, des Staates und dessen VertreterInnen!
29. Juni 2016
Arbeitskreis Solidarität
Zusammen Kämpfen [Stuttgart]
1Was seitens der Behörden und der Medien auch bewusst verschwiegen wird ist, dass die TAK eine Abspaltung der PKK ist. Dies passt aber nicht in das „Alles ist das PKK“ Konzept der Behörden. Die TAK hatte sich abgespalten, um mehr direkte Aktionen gegen den türkischen Staat durchzuführen. Die PKK kritisiert die Aktionen der TAK immer wieder.
2Leider kann es bei diesen Angriffen auch zu Fehlern kommen und ZivilistInnen können zu Schaden kommen. Beim Angriff der TAK auf den Polizeibus in Istanbul kam es zu Schwierigkeiten, die dazu führten, dass nicht alles nach Plan lief. So starben bei dem Angriff auch 5 Unbeteiligte. Die TAK entschuldigte sich danach dafür und versicherte, dass ihre Angriffe nicht ZivilistInnen gelten. Sie wollten mit dem Angriff auf den Krieg in Kurdistan aufmerksam machen, in dem täglich dutzende Zivilisten von den Behörden umgebracht werden.
jeder kann opfer werden
Also die Diskussion hat sich seit der RAF nicht geändert und auch die dümmlichen Rechtfertigungsschreiben des vermeintlich "sauberen Terrorismus" der TAK (...oder RAF), der angeblich nur als politischer Widerstand daherkommt. Richtig ist, daß die TAK nicht gezielt auf "weiche Ziele", also vollkommen unbeteiligte Personen Touristen, Passanten, Normalos Anschläge verübt, wie das die Dschihadisten des IS tun und wie hier in Instanbul wahrscheinlich ein dschihadistisch motivierter Ableger mit zumindest Verbindungen zu Al Kaida es tat. Trotzdem kommen auch bei TAK-Terrorangriffen - und nichts anderes sind sie - unschuldige Leute, Passanten und Normalos ums Leben, wenn Selbstmordattentäter sich in Bullennähe in die Luft sprengen oder eben tödliche Sprengfallen vor Polizeibussen in die Luft gehen. Das ist dann Terror der mitunter gegen das Volk gerichtet ist, auch wenn er nicht gezielt gegen diesen Kreis ausgeführt wurde, aber eben billigend in Kauf genommen wurde. Diese Scheiß-Verklärungsversuche - damals wie heute - könnt ihr deshalb stecken lassen.