Abschließendes zum GSD-Naziaufmarsch am 09.04.16 in Magdeburg

#MD0904

Ungefähr 550 Anhänger*innen des HoGeSa-Ablegers „Gemeinsam stark“ (GSD) nahmen am Samstag, den 9. April 2016, in Magdeburg an einer Veranstaltung gegen Linke und Flüchtlinge teil. Dafür reisten Faschist*innen aus verschiedenen Teilen Deutschlands an. Die Zahl der Teilnehmer*innen bei der GSD-Veranstaltung blieb, wie auch bei den Gegenaktivitäten, weit unter den Erwartungen.

 

Die GSD-Anhänger*innen mussten den Nachmittag eingezäunt auf dem Domplatz verbringen, nur unterbrochen von einem Mini-Aufmarsch vom Domplatz zum Hasselbachplatz und zurück. Schon allein die Wahl des Domplatzes als Versammlungsort zeigte die Selbstüberschätzung der Organisator*innen. Was bei vorhergehenden AfD-Veranstaltungen auf dem Domplatz wegen des frühen Dunkelwerdens nicht ganz so auffiel, zeigte sich hier deutlich: Die Versammlung gibt aufgrund der Größe des Domplatzes in jedem Fall ein mickriges Bild ab.


Der kurze Aufmarsch erinnerte dann eher an einen Schützenumzug, auf dem jeder Verein sein Banner mit Logo präsentiert, als an eine Demonstration mit Inhalten oder Forderungen. Entsprechend waren nur wenige Transparent mit politischem Bezug zu sehen. Aber auch als Machtdemonstration taugte der Umzug angesichts der teils alkoholisierten Gestalten und Personen mit längs bedruckten Jogginghosen nicht.
Verstärkt wurde die schon schlechte Außenwirkung noch durch öffentliches Urinieren einiger Teilnehmer*innen und Attacken auf Journalisten. Durch letzteres tat sich Ingo Zimmermann, Kreisvorsitzender von „Die Rechte Magdeburg/Jerichower Land“ hervor. Neben wenigen Mitgliedern von „Gemeinsam Stark“ und „Die Rechte“ nahmen auch Neonazis, die dem Spektrum der „Freien Kräfte“ zuzuordnen sind, teil. Nach knapp drei Stunden wurde die Versammlung schon wieder beendet.

 

Die Bewegungsfreiheit in der Stadt war zeitweise stark eingeschränkt. Die antifaschistische Gegendemo der „Ravenden Europäer gegen Intoleranz und Nationalismus“ (REGINA) wurde von den Bullen im Wanderkessel durch die Stadt begleitet. Die Teilnehmer*innen setzten sich zu großen Teilen aus Technofans zusammen, trotzdem hielten die Bullen zwei Wasserwerfer und eine Reiterstaffel für das „Partyvolk“ bereit. Bevor der Aufzug den Hasselbachplatz erreichte, hinderten die Bullen die Menschen am Weitergehen. Wie schon in der Vergangenheit hinderte die Polizei eine angemeldete Demonstration daran, ihre angemeldete Route zu laufen, damit die Nazis unbehelligt marschieren können.
Die Bullen gaben eine letztendlich eine höhere Teilnehmer*innenzahl beim GSD-Naziaufmarsch an, um das Großaufgebot mit tausend Bullen, mehreren Wasserwerfern (die aus anderen Bundesländern angekarrt werden mussten), Reiterstaffel und zwei Hubschraubern zu rechtfertigen.

 

Im Vorfeld kam es zu einigen Aktionen, die der GSD-Orga offenkundig zusätzlichen Stress bereiteten. Am Donnerstag gab es einige Zeit Verwirrung, ob der GSD-Naziaufmarsch wirklich stattfindet. Nachdem die Bullendirektion (zuständige lokale Versammlungsbehörde) einer fingierten kurzfristigen Abmeldung auf den Leim ging, verbreiteten vielen Medien die kurzfristige Absage der Veranstaltung und mutmaßten teilweise schon über eine zu geringe Teilnehmer*innenzahl bei „Gemeinsam stark“ als Grund für den Ausfall. Nach ein paar Stunden wurden die Magdeburger GSD-Faschos persönlich bei der Versammlungsbehörde vorstellig, um das Stattfinden ihrer Veranstaltung zu bekräftigen.
Drei Tage vor der GSD-Veranstaltung war Versammlungsleiterin Sabine Endert an einer peinlichen Sprühaktion vor dem Infoladen Stadtfeld beteiligt. Nur durch Glück konnte die Fascho-Gruppe der antifaschistischen Gegenwehr entkommen. Allein durch Dummheit lässt sich erklären, dass sie ihre Veranstaltung durch das Eingehen eines solchen Risikos gefährdeten.

 

Selbstkritisch müssen wir anmerken, dass es uns nicht gelang genügend Unterstützer*innen von außerhalb zu mobilisieren. Neben einer bemerkbaren Reisemüdigkeit in Antifa-Kreisen ist sicherlich auch das Erstarken rechter Strukturen in vielen Orten und Regionen ein Grund dafür. Die Nazis konnten ungestört laufen, während die REGINA-Demo durch die Bullen auf angemeldeter Route eingekesselt wurde. Es ist in Magdeburg alles andere als neu, dass die Bullen alles daran setzen, Naziaufmärsche in jedem Fall stattfinden zu lassen. Eine Blockade des Hasselbachplatzes scheiterte daran, dass die Bullen den Plan dort zu blockieren zu früh mitbekamen.

Generell zeigte sich aber auch an dem Tag die fehlende Initative verschiedener Gruppen und Bündnisse, überhaupt Gegenprotest auf der Strasse zu organisieren. Sicherlich lag dies zum Teil auch an der Unsicherheit, wie mit so einem Mob von vermeintlichen Hooligans umzugehen ist und welche Möglichkeiten es überhaupt gibt, ohne sich diesem Mob bzw. den Bullen auszuliefern.
Das BgR, das für antifaschistische Strukturen natürlich kein Bündnispartner sein kann, reagierte wenigstens ehrlich und rief dazu auf, sich an diesem Tag wegen des Gewaltpotenzials des GSD-Naziaufmarsches von der Straße fern zu halten. Bei den Menschen, die dann tatsächlich auf der Strasse waren, handelte es sich dann vor allem um jüngere Menschen.


Abschließend können wir feststellen, dass Magdeburg ein Problem hat, weil zu wenige Zusammenhänge selber die Initiative ergreifen und stattdessen mittlerweile viele Leute Gegenaktionen nur konsumieren. Der GSD-Naziaufmarsch zeigte aber auch, dass es sich bei einer solchen Versammlung keineswegs um Hooligans handelt und die Zusammensetzung sich nicht gravierend von der eines „Trauermarsches“ wie im Januar unterscheidet.
Positiv bleibt zu erwähnen: Vor und während des Aufmarschs kam es zu verschiedenen antifaschistischen Aktionen, die jedoch auf den Gesamtverlauf keinen Einfluss hatten. Die Organisierung des antifaschistischen Selbstschutzes bleibt – auch mit Blick in die nahe Zukunft – notwendig.

 

Wir bedanken uns hiermit ausdrücklich bei allen Antifaschist*innen von nah und fern, die an diesem von vornherein wenig erfolgversprechenden Wochenende in verschiedenster (manchmal auch weniger sichtbare) Weise Unterstützung geleistet haben.