Zu den Verhaftungen in Berlin - Mitte Februar 2010

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Vier Freunde und ein Auto. Mittwoch in der Nacht, gegen 2 Uhr. Berlin, Mitte.

Wir werden es heute nicht mehr nach Hause schaffen, denn andere schmieden die Pläne für unseren Abend. Welche erfahren wir nahe des Rosa-Luxemburg-Platzes - als wir an der grünen Ampel losfahren, stellt sich ein Auto der PMS quer vor uns, während andere Polizeifahrzeuge uns umzingeln. Mit Geschrei werden wir aus dem Auto herausgezogen und auf den Boden geworfen, mit Handschellen und aufgeregten Bullen, die sich freuen einen Fang gemacht zu haben.

 

Das Ganze erinnert eher an eine schlechte Version von CSI Miami...von wegen das Leben wäre langweilig... Ohne jegliche Ansage werden wir in verschiedene Polizeiwannen und -autos gebracht und nach Pankow gefahren. Die Ossietzkystraße stellt sich als unser Zielort heraus. Dort angekommen geht das ganze Theater weiter: langsam tauchen dutzende Bullen aufgeregt auf, darunter viele BeamtInnen des Berliner LKA, die mit einem Spürhund und Taschenlampen den Park und die drumherum geparkten Autos nach irgendwelchen Spuren absuchen. Später wird es aber so aussehen, dass sie sich bloß mit ein paar Händen voller Schnee zufrieden geben müssen.

 

Über zwei Stunden lang wurden wir dort festgehalten, ohne zu wissen worum es geht. Ein gelangweilter Bereitschaftsbulle sagt einzelnen von uns endlich, daß wir verdächtigt wären ein „Verbrechen begangen zu haben bzw. eine Brandstiftung an einem KFZ“. Anfangs scheinen die PolizistInnen gut gelaunt, aber später schlägt die Stimmung um: weder haben Autos gebrannt, noch gab es sonstige Verbrechen in der Gegend. Dazu sind wir und unser Auto sauber wie frisch gefallener Schnee. Trotzdem werden wir zur GeSa gebracht, immer noch getrennt voneinander. In der GeSa werden nicht nur die Personalien aufgenommen, wie die Zeitungen schreiben, bis 15 Uhr dürfen wir auch nicht wissen was uns vorgeworfen wird. Die grauen BeamtInnen der GeSa sind sich einig, dass das allmächtige LKA dafür verantwortlich ist uns gegenüber die Vorwürfe zu eröffnen - deshalb schweigen sie konsequent. Vom sogenannten „Recht“ einen Anruf tätigen zu dürfen wissen sie nichts, wie es üblich ist in der GeSa und was uns nicht überrascht. Denn an den Rechtsstaat haben wir noch nie geglaubt.

 

Gegen 14 Uhr werden wir zum LKA 533 (Brand- und Sprengstoffabteilung, wie auch ein im Büro aufgehängtes Plakat eines vermummten Feldjägers mit Handgranate in der Hand erklärt) geführt, wo sie versuchen uns zu vernehmen. Wir verweigern die Aussage, unterschreiben nichts und bekommen Bescheid über unseren Vorwurf. Da wir alle getrennt voneinander befragt werden, wird uns jeweils ein anderer Tatvorwurf eröffnet: von "Verdacht auf Verabredung zur Begehung einer Brandstiftung an einem KFZ" bis "Verdacht auf Verabredung zur Begehung eines Verbrechens bzw. Brandstiftung an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik“. Gegen 16 Uhr werden wir endlich entlassen.

 

Am übernächsten Tag fangen die üblichen Zeitungen an ihre Propaganda zu veröffentlichen: der bekannte Andreas Kopietz von der Berliner Zeitung, der in der Vergangenheit immer in erster Reihe war, wenn es um Diffamierung und Hetze gegen Hausprojekte oder Angehörige der autonomen Szene ging, wird der Erste sein, der einen Artikel über den Fall veröffentlicht (zu lesen unter: http://de.indymedia.org/2010/02/273770.shtml). Tagesspiegel und B.Z. folgen, spiegeln aber im Großen und Ganzen den Ton dieses Artikels wieder. Hier zeigt sich erneut die Rolle der Medien in der Aufrechterhaltung einer Hysterie gegen alles, was gegen die staatliche Ordnung, für eine solidarische, herrschaftsfreie Welt, vorgeht: der Polizei wird gedankt vier gefährliche Autonome festgenommen zu haben, die sicherlich einen Anschlag verüben wollten und möglicherweise für die ganzen anderen auch verantwortlich sind. Ihr vergesst aber zu erwähnen, dass wir auch für das Erdbeben in Haiti, die steigende Arbeitslosigkeit in Berlin und die Todesfälle aufgrund der glatten Straßen verantwortlich sind. Nur um präzise zu sein, Damen und Herren der Presse...

 

Nachdem zuerst die Polizei meinte, wir hätten ein Fahrzeug in Brand stecken wollen, stellen sie nun fest, dass unser Ziel die Bundesakademie für Sicherheitspolitik gewesen wäre. Deswegen hätten wir den Ort und die Umgebung ausgekundschaftet. Schließlich wird versucht uns in Verbindung mit anderen militanten Aktionen zu bringen, die auf staatliche Institutionen und/oder Verantwortliche der Innen- und Aussensicherheitspolitik dieses Staates durchgeführt wurden.

 

Das Ganze gewinnt auch an zusätzlichem Charme, denn einige von uns wohnen und leben in bekannten Hausprojekten dieser Stadt. Darunter die Koepi und die Rigaer94, die nie ein Geheimnis um ihre Unversöhnlichkeit mit den bestehenden Verhältnisse gemacht haben. Dazu sind wir auch noch laut deren Darstellung einschlägig bekannt - eine perfekte Mischung, oder?

 

Insofern scheint für die Behörden der ganze Zusammenhang sehr interessant zu sein. In den Zeitungen wird darüber geschrieben, wie sie jetzt denken endlich eine Spur für diese Anschläge gefunden zu haben. Die Feinde sind wieder mal diejenigen, die in den Hausprojekten wohnen. In Zeiten von wiederholten Schlappen, nicht existenten Beweislagen, Ermittlungsfrustration und -druck, schlechten Schlagzeilen und der Zuspitzung der sozialen Konflikte in der Stadt sowie dem dauerhaften Anstieg von Aktionen, die den gesetzlichen Rahmen nicht anerkennen, wird jede Kleinigkeit für die repressiven Behörden plötzlich interessant für Ermittlungen. Wie etwa vier Freunde in einem Auto in einer Mittwochnacht.

 

Diese (noch) kleine Episode zeigt eben auch, was für ein Klima in der Stadt herrscht: vor nicht all zu langer Zeit reichte es bereits „Szenekleidung“ zu tragen und sich in „Szenebezirken“ zu bewegen, um verhaftet zu werden, weil zufällig ein Auto gebrannt hat oder eine Bank eingeworfen wurde. Nun reicht schon der „Verdacht auf Verabredung, um ein Verbrechen zu begehen“ um Cowboy zu spielen. In diesem Sinne warnen wir alle, ihre Augen und Ohren offen zu halten, jedoch ohne sich dabei einschüchtern zu lassen. Dieser Fall wird nicht der Letzte sein und gibt einen Vorgeschmack auf die Dinge, die uns demnächst erwarten (könnten). Deshalb lasst uns bereit sein, eventuelle Einschüchterungsversuche konsequent an die AbsenderInnen zurückzuschicken.

 

Bei uns hat weder das schlechte Essen von Sodexo (die GeSa-Lieferanten), noch die Arroganz der repressiven Behörden oder ihre schlechten Witze Unmut gemacht.

 

Unsere Freude für eine herrschafts- und ausbeutungsfreie Welt zu kämpfen, setzt sich uneingeschränkt fort.

 

Die Vier vom Fiat Fiorino

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gute stellungnahme! solidarische grüße.