Seit mehreren Wochen behaupten Neonazis aus Burg (Sachsen-Anhalt) immer wieder, angeblich linker Gewalt ausgesetzt zu sein. Übergriffe auf Personen soll es gegeben haben - Wohnungen und Fahrzeuge sollen angegriffen/zerstört worden sein. Höhepunkt dieser Behauptungen stellt allerdings neben einer vermeintlichen Messerattacke von Antifas, die angebliche Detonation eines selbstgebauten „Sprengsatzes“ vor einer Nazi-Bude dar.Zeit, sich zum einen mit den Behauptungen etwas genauer auseinanderzusetzen und zum anderen einen Blick auf die Neonazis zu werfen, die dafür verantwortlich sind und was sie damit bezwecken wollen.
Im Zusammenhang mit den rassistischen Aufmärschen, die seit dem 08. November 2015 immer wieder in Burg stattfinden, haben sich die Aktivitäten der Neonazis in der Region stark erhöht. Neben Einschüchterungsversuchen wie dem Sprühen von Morddrohungen gegen lokale Antifas an Hauswände, kam es immer wieder zu versuchten Übergriffen. Darüber hinaus wurden vermehrt Hakenkreuzschmierereien im Stadtgebiet festgestellt und die Internetaktivitäten, besonders auf Facebook, nahmen zu. Neben der Facebook-Seite „Infoportal Jerichower Land“ - welche schon etwas länger existiert - wird über die erst seit wenigen Monaten und Wochen aktiven Seiten „Burg gegen Asylmissbrauch“ und „Freie Kräfte Burg“ gezielt gegen Geflüchtete und AntifaschistInnen gehetzt. Über diese Seiten läuft auch eine Art Diffamierungskampagne. Besonders seit dem 31. Januar 2016 - als zum dritten Mal Neonazis und RassistInnen aufmarschierten - werden vermehrt Gerüchte und Lügen verbreitet.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Zum einen stehen diese mit dem rassistischen Aufmarsch in Verbindung welcher zuletzt sich nur noch ausschließlich gegen die antifaschistischen Strukturen aus Burg richtete. Zwar konnte der Aufmarsch bisher nicht verhindert werden, doch kam es stets zu Protest- und Widerstandsaktionen. Nicht nur das stört die Neonazis, sondern auch die Tatsache, dass es ihnen bisher nicht gelang ihren Aufmarsch als „bürgerliche Protestveranstaltung“ zu deklarieren. So schafften sie es nie, über ihre eigene „Szene“ hinweg Menschen zu mobilisieren oder zu erreichen. Verantwortlich dafür ist vor allem die Öffentlichkeitsarbeit von linken und zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen. Ein weiterer Punkt ist, dass die Angriffe der Neonazis immer abgewehrt werden konnten und ihre Einschüchterungsversuche keinen Erfolge hatten. Wie sehr dies die Neonazis stört, zeigte ein Video, das von ihnen am 15. Februar ins Internet gestellt wurde: Zu sehen waren mehrere Personen, die ein Banner der Antifa Aktion Burg verbrannten und „sportliche Grüße“ wünschten. Man wollte damit Stärke demonstrieren und den Eindruck erwecken, dass Banner wäre „abgezogen“ worden. Dass es sich dabei allerdings nur um ein Mobi-Banner handelte, welcher mehrere Wochen an einem leerstehenden Haus befestigt war, wurde verschwiegen.
Mit der derzeitigen Verbreitung von Falschbehauptungen über vermeintliche Übergriffe etc. verfolgen die Neonazis vor allem folgende Ziele:
- Stimmung gegen Antifas zu machen und auf „Racheaktionen“ zu hoffen
- Ihre eigenen Aktivitäten zu relativieren bzw. diese als Reaktion darzustellen
- Ermittlungsdruck der Polizei auf AntifaschistInnen zu erhöhen
Folgend sind ein paar Beispiele aus den letzten Wochen angegeben, wie versucht wird AntifaschistInnen zu diffamieren, sie zu bedrohen oder anzugreifen:
[...wurde ein junges 14 jähriges Mädchen von ca. 6 bis 8 Leute (der linken Szene zuzuordnen), verfolgt, ausgeraubt und zusammen geschlagen...] Ramona Lehmann (01. Februar 2016, Facebook)
Der Beitrag von Ramona Lehmann steht im Zusammenhang mit den Ereignissen am Vortrag, dem 31. Januar 2016. An diesem Tag marschierten zum dritten Mal rund 160 Neonazis in Burg auf. Weder in Polizeimitteilungen oder Medienberichten wird der angegebene Vorfall erwähnt. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass wenn ein 14 jähriges Mädchen ausgeraubt und zusammengeschlagen wird, dies z.B. von der Polizei verschwiegen wird und das keinen Zeugenaufruf nach sich zieht.
Bei Ramona Lehmann handelt es sich um die Mutter von Odin Lehmann. Nicht nur der Vorname ihres Sohnes macht deutlich, welche Ideologie dahinter steckt. Auch gehört er mit zu einer Gruppe von Jugendlichen, die seit ein paar Monaten in Burg für neonazistische Propagandaaktionen verantwortlich sind. Außerdem nahm er beispielsweise am 31. Januar 2016 an dem Aufmarsch in Burg teil.
Die Reaktion auf den Beitrag von Ramona Lehmann war, dass mehrere Neonazis aus der Stadt und darüber hinaus diesen Beitrag weiterverbreiteten und zur „Rache“ aufriefen. So rief beispielsweise Toni Schulze aus Burg - der auch mehrfach an den Naziaufmärschen teilnahm - dazu auf, „die zecken zu packen“. Dazu wurden durch ihn zwei Bilder von vermeintlichen Antifas veröffentlicht. In den Kommentaren dazu wurde anschließend über deren Namen und Anschrift spekuliert. Einer dieser „Spekulanten“ war David Grosser - Freund von Odin Lehmann und ebenfalls für Propagandaaktionen verantwortlich sowie Teilnehmer der rassistische Aufmärsche.
[...der gestrigen Vorfälle in Burg (Angriff eines Wohnhauses durch die Antifa) wird es heute eine Mahnwache gegen linke Gewalt geben...] Infoportal Jerichower Land (19. Februar 2016, Facebook)
Wenige Tage später, nachdem Ramona Lehmann behauptete, ein 14 jähriges Mädchen sei angegriffen worden, kam es angeblich zu einem „Angriff auf ein Wohnhaus“. Auch dieser Vorfall wurde weder in Polizeimitteilungen noch in Medienberichten erwähnt. Ebenfalls wurde nicht angegeben, wie der vermeintliche Angriff passiert sein soll oder weshalb gerade Antifas dafür verantwortlich seien.
Hier genügt ein Blick auf die Verantwortlichen der Seite „Infoportal Jerichower Land“ um zu verstehen, warum diese Behauptungen aufgestellt wurde. Einer der Administratoren dieser Seite ist Chris Althoff aus Stresow. Er ist nicht nur der Handlanger von Ingo Zimmermann, sondern auch dafür bekannt, willkürlich Antifas anzuzeigen. Beispielsweise behauptete er, dass ihm im September 2015 mehrere Antifas in Burg angegriffen hätten. Nachdem ihm kurze Zeit später aber wohl klar wurde, damit nicht durchzukommen, zog er seine Anzeige wieder zurück.
Am selben Tag der Veröffentlichung folgte eine sogenannte „Mahnwache“ gegen „linke Gewalt“. Diese fand in unmittelbarer Nähe zu der Wohnung eines Antifaschisten statt. Drahtzieher wird auch hier Ingo Zimmermann gewesen sein. Präsentierte dieser sich doch auch direkt vor der Wohnung und wollte anscheinend mit seiner Anwesenheit bedrohlich wirken. Da die Mahnwache ein ziemlich lächerliches Bild abgab und nicht das gewünschte Ziel - den dortigen Antifa einzuschüchtern - erreichte, griff ein Teil der Neonazis die zuvor sich an der Mahnwache beteiligt hatten im Anschluss ein Gebäude in der Oberstraße an.
[...wird ein nach spiele haben für euch 4 Steine schmeißen Zecke auf ein und den noch mit Messer...] Nico Hass (27. Februar 2016, Facebook)
Anmelder der letzten Naziaufmärsche war Nico Grunewald (Facebook: Nico Hass). Er veröffentlichte, kurz nachdem bekannt wurde, dass es am 06. März einen weiteren Aufmarsch geben soll und dieser sich dieses Mal hauptsächlich gegen „Linksterroristen“ richten sollte, einen Beitrag in dem behauptet wurde, vier Antifas hätten einen Freund von ihm mit einem Messer angegriffen.
Nicht nur, dass dieser Beitrag kaum an Dummheit zu überbieten war, er sollte auch die Mobilisierung zum Aufmarsch stärken. Wenige Tage nach dem Aufmarsch übernahm - wie nicht anders zu erwarten - das „Infoportal Jerichower Land“ diese Meldung und behauptete auch, dass es diese Messerattacke gegeben hätte.
Bei dem vermeintlichen Opfer handelt es sich um Christian Niegel. Bekannt für seinen Konsum von Gras und Crystal, gab er in den Kommentaren zum Beitrag selber an, dass er zwar „ziemlich besoffen“ gewesen sei, aber die Täter auf jedenfall wieder erkennen würde. Nico Grunewald kündigte außerdem an „Rache kommt“.
[...Griffen ca. 5-7 namentlich Bekannte Antifas ein Wohnhaus an wo ein NS. mit seiner Familie wohnt!!! Also ist dort auch ein kleinkind mit anwesend gewesen!!!...] Freie Kräfte Burg (07. März 2016, Facebook)
Ein weiterer Höhepunkt der Behauptungen stellte ein Beitrag vom 07. März 2016 auf der Facebook-Seite „Freie Kräfte Burg“ dar. Hier wurde angegeben, dass mehrere Antifas erneut ein Wohnhaus angegriffen hätten. Um zu Untermauern wie schlimm dieser angebliche Angriff gewesen sein muss, wurde angegeben, dass sich in dem Haus ein Kleinkind aufgehalten hätte. Gleichzeitig wurde dazu aufgerufen, die „Zecken“ überall und jeden anzugreifen.
Verantwortlich für diese Seite ist u.a. Marie Walter. Diese führt eine Beziehung zu Chris Althoff und gehört zu einer Familie (Walter), die seit Jahren rund um die Bruchstraße in Burg wohnt. Die Familie und ihre Verwandtschaft stellt nicht nur einen Großteil der TeilnehmerInnen der letzten Aufmärsche, sondern ist auch sonst maßgeblich für Propagandaaktionen verantwortlich. Auch nehmen hauptsächlich Personen dieser Familie an überregionalen Aufmärschen teil.
Nachdem dieser Beitrag veröffentlicht worden war, wurde wenige Stunden später versucht, die Fensterscheibe der Wohnung eines Antifas einzuwerfen.
[...beschädigten die Haustür mittels eines selbst gebauten Sprengsatzes (...) Sonntagabend ist ebenfalls ein 15 Jähriger von Antifaschisten durch die Stadt gejagt worden...] Infoportal Jerichower Land (08. März 2016, Facebook)
Einen Tag nachdem über die Seite „Freie Kräfte Burg“ die Meldung von einem angeblichen Wohnungsangriff verbreitet wurde, meldete sich das „Infoportal Jerichower Land“ wieder zu Wort. Hier wurde nun angegeben, dass der vermeintliche Angriff mittels selbst gebauten Sprengsatzes ausgeführt worden wäre. Außerdem wurde angeführt, dass dies nicht der erste Vorfall in den letzten Tagen gewesen sein soll: Es soll - laut Infoportal - wieder ein Auto zerstört worden sein und ein 15 jähriger durch die Stadt gejagt worden sein. Nicht nur, dass diese Meldungen sich mit denen der Seite „Freie Kräfte Burg“ widersprechen, die einen Tag zuvor angegeben hatte, dass die „Antifas“ keine Leute angreifen und man diese nach der Demo (gemeint ist deren Aufmarsch) nicht in der Stadt angetroffen hätte, wurden auch keine weiteren Informationen zu dem Auto angegeben, das wohl zerstört worden wäre.
Dafür folgten in dem Beitrag - der bis zu seiner Löschung auch bei überregionalen Neonazis für Entsetzen sorgte und in dem dazu aufgerufen wurde, nach Burg zu kommen - Namen von vermeintlichen AntifaschistInnen und eine Beschreibung des angeblichen Tatherganges: So soll ein Auto direkt vor dem angegriffenen Wohnhaus geparkt haben, mit dem anschließend sechs (!) Antifas geflüchtet seien. Ziemlich unwahrscheinlich, dass bei einem derartigen Angriff wie beschrieben die Täter direkt vor dem Objekt parken und sich zu sechst in ein Auto zwängen. Außerdem fehlen auch hier - wie sonst überall auch - Polizeimeldungen und Medienberichte.
Der Aufruf zur „Rache“ bzw. Drohungen fehlten dafür nicht: Ähnlich wie einen Tag zuvor bei den „Freien Kräften Burg“ wurde auch hier dazu aufgerufen „in jeder Form“ Widerstand zu leisten und „Schluss mit dem roten Terror“ zu machen.
Fazit
Seit knapp zehn Jahren sind die Neonazis in und um Burg einem antifaschistischen Widerstand ausgesetzt, der ihnen keine Ruhe lässt und dafür sorgt, dass zumindest in der Stadt ihr handeln kritisch betrachtet und dagegen vorgegangen wird. Dadurch sind mit den Jahren nicht nur Übergriffe auf alternative Jugendliche oder MigrantInnen zurückgegangen, sondern es konnte sich keine Neonazi-Struktur, außer vielleicht das damalige „Freie Netz“, länger halten.
Ihre derzeitige Diffamierungskampagne ist dabei nicht neu: Schon vor ein paar Jahren wurden gezielt Lügen verbreitet und Antifas von Neonazis angezeigt, um sie der staatlichen Repression auszusetzen. Ebenfalls versuchten diese dadurch damals - wie jetzt auch - Neonazis aus anderen Regionen nach Burg zu mobilisieren um für die nötige „Schlagkraft“ zu sorgen. Beides hatte schon früher wenig Erfolg und endete schließlich damit, dass sich Strukturen der Neonazis auflösten oder einfach von der Bildfläche verschwanden.
Zwar sind die Neonazis, die in Burg derzeit für die Aufmärsche sowie für die Diffamierungen verantwortlich sind, mehr als dämlich und setzen sich zum Großteil aus der Walter-Familie zusammen, doch sind sie dafür umso gefährlicher. Ein Großteil von ihnen hat nichts zu verlieren. Drahtzieher der ganzen Sache ist nach wie vor Ingo Zimmermann. Gegen ihn muss Druck aufgebaut werden. Er muss für weitere Angriffe etc. verantwortlich gemacht werden.
In den nächsten Tagen gilt es außerdem, wachsam zu sein und sich bereit zu halten, um Übergriffe abzuwehren. Besonders nach den letzten Behauptungen ist von weiteren Neonaziaktivitäten auszugehen. Es gilt sich zu notieren, wenn größere Gruppen von Neonazis (Anzahl, Ort, Wer ist dabei, Kennzeichen usw.) gesehen werden. Informiert hier aber nur, wenn ihr euch sicher seid. Gerade jetzt braucht es keine weiteren Gerüchte. Handelt vorausschauend, aber entschlossen!
Eigentlich
ein klassisches Eigentor, erhöht es doch die Angst der besorgten Bürger vor der Antifa und hindert sie daran an Aufmärschen teilzunehmen. Ebenso dürfte es Nachwuchsfaschos gehörig beeindrucken. Ich meine der Nutzen für die Antifa ist höher als der Schaden,