Der heutige antifaschistische Mittwoch startete mit einer großen, lautstarken und offensiven Demonstration unter dem Motto "Rassismus tötet! Die mörderischen Verhältnisse kippen!".
500 Menschen liefen vom Lustgarten in Richtung Potsdam Nord, zum Dorint-Hotel. Während dieser Demonstration wurden vielerlei inhaltsreiche Redebeiträge gehalten. Diese setzten sich mit staatlichem Rassismus und dem massenhaften Tod von Refugees bei ihrer gefährlichen Flucht auseinander, außerdem wurde die Auseinandersetzung der Potsdamer Presse mit Pogida aufgrund ihrer Inhaltslosigkeit kritisiert.
Um 18.30 Uhr war die Demonstration beendet. Die Teilnehmenden begaben sich umgehend in Richtung Bornstedt, um dort die Neonazis von Pogida gebührend in Empfang zu nehmen. Zunächst gab es etwas Verwirrung bei den anwesenden Polizeikräften, ob die Teilnahme an der von Norbert Müller angemeldeten Demonstration möglich sei oder nicht. Ein Teil der Demonstrierenden begab sich zu 18.50 Uhr dorthin, der andere Teil versuchte auf dezentralem Weg an die Neonazis heranzukommen.
Pogida begann mit einiger Verspätung um 19.00 Uhr mit der Kundgebung. Es wurden verschiedene Redebeiträge verlesen. Nach einer kurzen Begrüßung durch Christian Müller, ergriff der Potsdamer Herbert Heider das Wort, er hatte in der Vergangenheit schon öfter für Pogida gesprochen, zumeist im OpenMic-Teil des Aufmarsches. Mittlerweile gehört er zu den planmäßigen Redner_innen. Das Herausragende bei ihm dürften die sehr ausgiebigen Zitate aus den Aufrufen der Gegendemonstrant_innen und von der Antifa gewesen sein. Am Ende kritisierte er, dass bei den letzten Pogida-Versammlungen alle drei Strophen des Deutschlandliedes gesungen wurden. Während dieser Auftaktkundgebung waren die Gegendemonstrant_innen durchgängig sehr gut hörbar bei Pogida. Nach einer Stunde lief Pogida dann endlich los. Ihre ursprünglich geplante Route, die Kirschallee hinunter, wurde allerdings von engagierten Antifaschist_innen blockiert. So bogen sie in die Erwin-Barth-Straße ein, auf der sich auch eine Blockade vorbereitete . Allerdings liefen sie nur weitere 50 Meter und dann war auch an diesem Mittwoch wieder Schluß für die 60 Hansel die wenig mehr von sich geben, als dass sie das Volk und Pogida seien. Nach kurzem Stillstand lief Pogida die Route wieder zurück. Wenn sie auch sonst nichts lernen: Niederlagen können sie mittlerweile gut akzeptieren und entsprechend handeln.
Am Ausgangspunkt wieder angekommen erfolgten weitere Reden von Pogida. Der Anmelder Müller startete seine, laut Eigenangaben von Bärgida übernommene Rede, thematisch sehr reichsbürgerlich. Zitierte seitenweise Auszüge aus dem Grundgesetz, der Potsdamer Konferenz und der Konferenz von Jalta. Knackpunkt: Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern stünde unter der Kontrolle der Allierten. Diese Macht wiederum solle Putin nutzen um die zum Faschismus neigende deutsche Staatsführung abzusetzen. So oder so ähnlich ging es weiter, die geneigten Zuhörenden dürften allerdings genauso wenig Spaß daran gehabt haben ihm zu lauschen wie die weniger geneigten, denn Christian Müller las den kompletten Redebeitrag ab und dies sehr holprig. Am Ende erzählte er noch was zu seiner kriminellen Karriere und dass er sich bei Pogida in Zukunft im Hintergrund halten aber trotzdem weiter planen möchte.
Als weiterer Redner trat „Curd Schumacher“ auf, bei dem getrost bezweifelt werden darf, dass er wirklich so heißt. „Curd Schumachers“ Hauptkritikpunkt waren die Gegenproteste. Diese waren ihm zu laut, zu gewalttätig und allgemein habe er solche Zustände bisher nicht erlebt (außer vielleicht in Leipzig, wie er ergänzte). Er sah angesichts der überwältigenden Masse von lautstarken Gegendemonstrant_innen seine Haut in Gefahr und die Abreise gefährdet. Nichts davon trat ein. Leider.
Stattdessen ließ Christian Müller noch kurz darüber abstimmen ob nun alle drei Strophen des Deutschlandliedes gesungen werden sollten (Mehrheit der Neonazis überraschenderweise dafür) und stimmte dieses dann inbrünstig an.
Die Abreise der Neonazis gestaltete sich dann recht schwierig. Da der Kundgebungsort nach wie vor von allen Seiten von Gegendemonstrant_innen eingekesselt war. Erst 40 Minuten nach Beendigung der Gruselveranstaltung konnten die Neonazis den Bus in Richtung Potsdamer Innenstadt nehmen.
Der mehrstündige Gegenprotest wurde durch die Polizei mit dem Einsatz von Pfefferspray, körperlicher Gewalt und Festnahmen erschwert.
Bis zum Ende des Aufmarsches kamen von Christian Müller sich massiv widersprechende Aussagen zur Zukunft von Pogida. Vielleicht übernimmt Markus Johnke von Legida aus Leipzig die offizielle Anmeldung, vielleicht aber auch nicht. Unter Umständen wird Pogida den Wochentag in Zukunft wechseln, unter Umständen aber auch nicht. Möglicherweise zieht sich Müller komplett aus Pogida zurück, oder auch nicht. Denn den nächsten Aufmarsch am Bassinplatz wird er wiederum anmelden und anführen. Einen Lichtblick gibt es allerdings: Pogida soll wohl in Zukunft nur noch alle zwei Wochen stattfinden. Glauben tun wir das allerdings erst wenn wir es sehen.
Lieben Dank und Kritik
Fotos
Fotos vom Abend:
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weitere Fotos:
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Route
Vielen Dank für die Zusammenfassung und an alle Beteiligten für das Engagement!
Ein klein wenig Realitätsrevisionismus muss ich trotzdem betreiben: Das Abbiegen in die Erwin-Barth-Allee war m.E. von vornherein so geplant, die Kirschallee wäre sonst nach Norden hin von vornherein anders abgesichert gewesen. Die Kreuzung wurde überhaupt erst spät so dicht abgeriegelt, nachdem sich da mal in einem Schwung 70 Leute annäherten. Vorher standen da nur paar Wannen und 10 Einsatzkräfte, der WaWe war noch dahinter auf der Kirschallee in Blickrichtung Süd.
Eine "Blockade" hinter ner Kette aus WaWe, Wannen und BFE empfinde ich nicht wirklich als Blockade :)
Auch wenn sie laufen konnten - es war sehr schön, Pogida von allen Seiten Feuer geben zu können. Hat sie offensichtlich genervt. Bis nächste Woche!