Lage auf der Insel derzeit ruhig / Flüchtende werden in der Türkei an Überfahrt gehindert / Viel Support vor Ort / Unklare Zukunftsaussichten Die griechische Insel Lesbos, 10km vor der türkischen Küste gelegen, ist seit langem eine der Hauptrouten für Flüchtende nach Zentral- und Nordeuropa. Im Sommer 2015 jedoch gelang es zeitweise bis zu 10.000 Geflüchteten wöchentlich die tödliche Meeresgrenze zu überwinden.
Wir wollen einen Aktuellen Überblick über die Lage von Flüchtenden
und Support-Strukturen geben. Wir schreiben aus der Sicht zweier
weißer Aktivist_innen, die in der No Border Kitchen aktiv sind.
Die
aktuelle Lage:
Aktuell kommen deutlich weniger Geflüchtete in
Lesbos an als in den Monaten zuvor. Zum einen liegt das an den
winterlichen Wetterbedingungen, welche die Überfahrt mit dem
Schlauchboot quasi unmöglich machen. Andererseits wächst die
Kontrolle, Militarisierung und somit Repression in der Türkei und an
den anderen EU-Außen- und Innengrenzen gegen Geflüchtete immens.
Die Türkei versucht die Grenzen zu schließen und erschwert die
Einreise für Flüchtende.
Die Festung Europa wird spürbar
aufgerüstet, dies wird nicht nur sichtbar an neuen Grenzzäunen und
Gefängnissen aka. „Hotspots“ entlang der EU-Außengrenzen, aber
auch an europäischer Präsenz von militärischen und polizeilichen
Personal (bspw. Auf Lesvos: Polnische Grenzbullen, deutsche Cops,
dänische Knasttransporter). Allein auf Lesbos wird in den nächsten
Wochen das Frontex-Personal um mehr als 300 Personen aufgestockt.
Frontex fängt die Flüchtenden derzeit entlang der Küste ab bring
sie direkt zur Registrierung in den „Hotspot Moria“- einen
ehemaligen Abschiebeknast.
Dennoch schafften es in den letzten
zwei Wochen etwa 1000 Menschen pro Tag nach Lesbos. Seit Monaten
werden Menschen aus den Magreb-Staaten von der Registrierung in
Lesvos ausgeschlossen. Alle anderen Flüchtenden werden registriert.
Sie erhalten ein spezielles Registrierung-Papier, welches 30 Tage
gültig ist (für Syrer*innen 6 Monate). Damit ist es möglich die
Insel zu verlassen und ein Fährenticket zu kaufen. Dennoch finden
letztlich alle Flüchtenden (also auch diejenigen aus den
Maghreb-Staaten) die Möglichkeiten des Widerstands und der
Weiterreise.
Support-Strukturen
auf Lesbos:
Es gibt viele NGOs auf der Insel. Außerdem gibt
es einigen autonomen Strukturen und viel Hilfe von Bewohner_innen von
Lesbos. In verschiedenen Camps gibt es Schlafplätze, Kleidung, Essen
und eine Medizinische Grundversorgung.
Die No Border Kitchen hat seit November den Strand von Tsamakia direkt bei der Inselhauptstadt Mytilini besetzt und wird von der Stadt geduldet. No Border Kitchen wird von verschiedensten Menschen unterstützt, die auf kurz oder lang in Lesvos sind, Menschen aus der ganzen Welt, mit Papieren und ohne. Es ist nicht nur eine Küche, sondern auch ein sozialer Raum, indem verschiedene Strategien des Widerstands und der Solidarität gelebt werden. Wir stellen die Infrastruktur für Schlafplätze zu Verfügung, kochen Essen und bieten autonome Routeninformationen an. Es kamen in den letzten Wochen zwischen 20 und 100 Flüchtende pro Tag zu uns, die teils nur auf ihre Fähre am Abend warten, teils länger bei uns blieben. In den letzten zwei Tagen kamen jedoch praktisch keine neuen Geflüchteten auf Lesbos an.
Im Moment sind in
allen Camps der Insel genug Freiwillige und auch die Sachspenden und
finanziellen Mittel für die verschiedenen Support-Strukturen reichen
völlig aus. Jedoch kann der Bedarf bald wieder sprunghaft ansteigen,
abhängig vom Wetter und den Repressionsstrategien. Wir nutzen die
relative Ruhe der derzeitigen Situation um eine bessere Infrastruktur
zu etablieren.
Es gibt derzeit keinen Stress mit Bullen, die
angekündigte Registrierung der Freiwilligen wurde nicht
durchgezogen. Jedoch wurde uns von vereinzelten Polizei-Kontrollen in
Piräus (Athens Hafen) berichtet, bei denen Unterstützer_innen, die
autonome Strukturen auf Lesvos supporten wollten nicht auf die Fähre
gelassen wurden. Deswegen ist es ratsam bei Polizei-Kontrollen sich
als Tourist auszugeben, bzw. wie immer keine weiteren Angaben
als nötig zu machen.
Ausblick:
Aktuell
ist es schwer eine Prognose für die nächsten Wochen und Monate zu
geben. Auf der einen Seite droht Europa mit totaler Grenzschließung,
die Externalisierung und Militarisierung der Außengrenzen schreitet
voran – Hotspots zur Selektierung und Kontrolle der Geflüchteten
sollen aufgebaut werden, NATO Kriegsschiffe sollen versuchen die
Flüchtenden auf dem Meer zu stoppen, es zeichnet sich ab, dass der
staatlich kontrollierte Korridor durch den Balkan geschlossen werden
soll. Auf der anderen Seite wissen wir das Migration und Flucht nie
gestoppt werden kann. Der Sommer 2015 hat wieder mal gezeigt, dass
die Autonomie der Migration nicht unterschätzt werden darf und dass
die Bewegung der Geflüchteten stärker ist als alle Grenzen und
Zäune. Gerade warten tausende Geflüchtete in der Türkei und ihren
Herkunftsländern auf eine Möglichkeit die Festung Europa zu
überwinden. Selbst wenn Lesvos als Punkt auf der Route, wegen der
Repression weniger relevant werden sollte, werden die Menschen neue
Wege finden und dann muss es neue Orte und Formen der Solidarität
geben.
Wer plant zur Unterstützung der No Border Kitchen nach Lesbos zu kommen sollte am besten vorher bei unserem Info-Telefon anrufen: 0030 694 946 9116
FIGHT
FORTRESS EUROPE!
FREEDOM OF MOVEMENT FOR ALL!
SOLIDARITÄT
MUSS PRAKTISCH WERDEN!
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