Black Panther werden nicht alt. Das ikonenhafte Bild der jungen Angela Davis hat sich in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt. Seit vierzig Jahren kämpft sie gegen Gefängnisse, für Sozialismus, Feminismus und Internationalismus. Eindrücke von ihrem Besuch im Baskenland von Irantzu Varela auf Pikaramagazine.
Warten am Flughafen auf die schwarze Kämpferin mit dem Afro-Look, die in einem Prozess wegen Mord, Entführung und Verschwörung drei Todesstrafen entkommen konnte. An ihr entzündete sich eine beispiellose weltweite Kampagne internationaler Solidarität. Angela Davis, auf dem Foto mit Fidel, die Poster, enorme Ohrringe, mit erhobener Faust.
Am Flughafen erscheint die aktuelle Angela Davis, die vierzig Jahre gegen die Existenz von politischen Gefangenen in aller Welt gekämpft hat, für die Abschaffung der Knäste, die die unterschiedlichen Unterdrückungsformen Geschlecht, Hautfarbe und Klasse benannt und in Zusammenhang gebracht hat.
Heute ist sie 72 Jahre alt und immer noch eine Black Panther. In den Afro-Haaren sind graue Strähnen zu sehen, sie geht bedächtig und erscheint jünger als andere in ihrem Alter und mit ihren Erfahrungen. In allen öffentlichen Auftritten der folgenden Tage ist ihr Alter ein Thema, doch sie lacht, weil sie weiß, dass wir es sind, die Angst haben davor, dass unsere Idole alt werden. Bei einer der Fragen, die ihr in diesen Tagen gestellt wurden, gestand sie ein, dass sie anfangs davon irritiert war, dass ihr jugendliches Bild derart konserviert wurde und in unseren Augen, Köpfen und Druckmaschinen spukte. Es ärgerte sie, dass wir sie nicht älter werden ließen. Doch eines Tages verstand sie, dass jenes Bild von frühen aktiven Tagen nicht mehr ihr Bild war, dass es nichts mehr mit ihr zu tun hatte. Dass es das Foto einer ganzen Epoche war, als radikale Umwälzungen möglich erschienen, nicht nur ihr allein, sondern vielen anderen ebenfalls. Als eine Million Menschen eine Million Postkarten schrieben mit einer Million von Rosen, um ihre Freilassung zu fordern. Als ein Landwirt aus Alabama seine Farm als Bürgschaft einsetzte, um die Kaution von 1 Million Dollar zu zahlen. Als sie das rassistische und unterdrückerische System der USA herausforderte und die Partie gewann. Angela Davis weiß, dass dieses Bild, das sie darstellt, nicht mehr ihr Bild ist. Sie ärgert sich nicht mehr, wenn sie es sieht. Kürzlich traf sie eine 18-jährige junge Frau, die „ihr“ Bild auf ihrem Tshirt hatte. Angela fragte sie, was ihr dieses Bild bedeute und die junge Frau sagte, mit diesem Tshirt fühle sie sich in der Lage große Dinge zu tun.
In diesen baskischen Tagen gab es verschiedene Gelegenheiten für Angela Davis, zu unterschiedlichen Themen zu sprechen. Absichtlich vergaß sie den Namen von Donald Trump, philosophierte über eine Gesellschaft ohne Gefängnisse und forderte die Freilassung von Arnaldo Otegi. Sie gestand, dass sie früher dachte, Feministinnen seien weiße bürgerliche Frauen. Dass sie den Begriff zurückwies, als sie selbst so benannt wurde, sie sei Revolutionärin, sagte sie. Sie sprach von der Verwandlung, die dieser weiße und bürgerliche Feminismus hin zu einer antikapitalistischen, antikolonialen und antirassistischen Ideologie gemacht hat. Und bestand darauf, dass es wichtig sei, auf sich selbst und seine Gesundheit zu achten. Revolutionär sei die Art, wie junge Menschen aus sozialen Bewegungen persönliche Beziehungen pflegen, als Teil des Kampfes. Junge Leute machen sie neidisch, denn sie entdecken Formen des Widerstands, die sie früher nicht kannte – als ob sie nicht dazu beigetragen hätte, diese neuen Formen zu entwickeln. Angela Davis erzählt, in ihrer Knastzeit habe sie aufgehört, Fleisch zu essen, später wurde sie Veganerin. Sie geht davon aus, dass einer der nächsten großen Kämpfe der kommenden linken Generationen die Qualität der Produktion der Lebensmittel zum Thema haben wird.
Jene jungen leute, die Angela Davis mit Neid betrachtet, kamen in Massen zu ihren Veranstaltungen. Denn sie ist eine Referenz geworden für Kämpfe verschiedenster Art. Klar ist, das Angela vor allem für uns Frauen ein Bezugspunkt ist, auch und selbst für jene Frauen, die wir noch gar nicht geboren waren als sie im Gefängnis war. Noch nicht einmal dann, als sie selbst sich viele Jahre später als schwarze, sozialistische Lesbe bezeichnete.
In wenigen Tagen hat uns Angela Davis gezeigt, dass es möglich ist, Feministin zu sein und dennoch ein Bezugspunkt für Kämpfe von Männern und Frauen. Dass es möglich ist, eine Veranstaltung mit einem sozialistischen Aufruf zu beenden und danach einen Schluck Tee aus der Starbucks-Thermoskanne zu trinken. Dass frau mehr als 70 Jahre alt sein kann und dennoch das Recht einfordert, sich „eine Welt auszumalen, in der wir leben möchten“. Sie hat uns gezeigt, dass Revolutionärinnen wachsen, aber nicht älter werden.
Das letzte Mal, als ich sie sah, saß sie in einem Straßencafe in der Altstadt von Bilbo und aß einen Teller Falafel mit Gemüse. Ich musste ihr danken für dieses Wochenende und für ihr ganzes Leben. (Irantzu Varela – Faktoria Lila)
http://baskinfo.blogspot.com/2016/02/angela-davis-im-baskenland_12.html
Say it loud, I'm black and proud
Kein Wunder hatte Berlin vor ihr Angst, hat sie im letzten Mai mit einer peinlichen Begründung nicht in die besetzte Schule gelassen.
no more heros
Ich bin genervt von diesem Bericht.
Er macht genau das mit Angela Davis, was sie angeblich nicht sein will: eine Ikone.
Er stellt sie auf einen Sockel, hebt sie über andere hinweg und macht sie zu einem Vorzeigemenschen.
Nicht das ich etwas gegen Menschen habe, die ein integres, kohärentes Leben führen. Ganz im Gegenteil.
Aber einen solchen integren Menschen, sagen wir mal eine baskische Marktfrau, hätte die Schreiberin vielleicht auch auf dem Wochenmarkt in Bilbao und San Sebastian treffen können. Nur hier wäre es ein Leben in Armut, in alltäglicher harter Plackerei und "ohne Scheinwerferlicht". Proletarisch, solidarisch, feministisch wäre es gewesen. Anders als auf Bühnen im shake hand modus der Medien.
Ich bin mal so forsch zu behaupten, dass die Schreiberin diese Frau nicht gesehen hätte, nicht einmal auf den Gedanken gekommen wäre, diese Frau nach ihrem Lebensweg zu befragen, ein Interview zu machen, ein Porträt, eine Dokumentation. Ich bin mal so frech zu behaupten, dass die Schreiberin nicht auf den Gedanken gekommen wäre, dass eine der Marktfrauen ein solche Biographie überhaupt aufzuweisen hätte. Warum auch? Diese Frau hat kein Plakat geziert, ist auf keinem T-Shirt zu sehen und eignet sich wenig zum "daran aufrichten". Diese Frau wird rissige Hände haben, graues dünnes Haar und ein krummes Kreuz von der Arbeit. Auf ihre Gesundheit wird sie kaum achten können und das Bio-Obst wird sie an begüterte Mittelschichtler verkaufen, die sich Urlaub und vegane Speisen leisten können.
Aber sie wird eine dieser vielen unsichtbaren Mitglieder, eine dieser „Ameisen" sein, die eine politische Bewegung ausgemacht haben und ausmachen. Und sie wird mit solchen Berichten über Angela Davis zu einer unsichtbaren „Ameise" gemacht.
Die Marktfrau wurde damals schon zur Zeiten des Franco-Regimes ausgecourst, zur Zeiten der Transition vom Franco-Regime in die Post-Diktatur und auch heute. Sie wird vermutlich wissen, dass ihr ein Angel Davis-Shirt nicht hilft ihren Marktstand aufzubauen, den Hof zu fegen und die Miete zu bezahlen. Damals nicht und heute nicht. Es hat ihr damals nicht auf der Demo, nicht bei der Besetzung des Kulturzentrums oder im Knast geholfen, auf der schwarzen Liste, in der Basisgruppe, beim Mietstreik da trug sie die second hand Klamotten und machte alles das mit und ohne Angela Davis. Weil es wichtig, weil es richtig war. Und der Stolz und die Würde kam aus ihr. Sie musste sich nicht dafür ein Bild eines anderen Menschen umhängen. Sie selbst war es, was sie nach vorne brachte, ihre Ideale von einer besseren Welt und dem wie sie tägliches Leben anging. Wie sie täglich eine solidarische und gerechte Welt versuchte zu erreichen.
Jetzt wird sie vermutlich am Marktstand stehen und einer jungen vegan-orientierten Frau mit Angela Davis T-Shirt Obst verkaufen. Einer jungen Frau, die beseelt ist von einem „Bild“ einer anderen Frau auf ihren T-Shirt. Und diese junge Frau wird diese alte baskische Frau nicht sehen. Denn deren Konterfei ist auf keinem Plakat, auf keinem T-Shirt zu finden. Bei dieser wird sie sich nicht bedanken für den Widerstand gegen die Franco-Diktatur, für die ersten feministischen Gruppen, die besetzten Häuser, die Stadtteilinitiative. Wozu auch. Diese alte Frau und alle anderen alten demokratischen und linken Menschen haben nur die Selbstverständlichkeiten dieser jungen Frau geschaffen, Gruppierungen, Strömungen, Bewegungen, Aktionen, die linken Infrastrukturen, Zeitungen, Verlage, Stadtteilkneipen, Musikband, usw., Gesetzesreformen und Rechte erkämpft, etc.p.p . - und das die junge Frau heute in Bilbao ohne Repressalien ein Angela Davis T-Shirt tragen kann.
Ist diese junge Frau fähig ist die eigene Dignidad (Würde) und die der Menschen um einen herum wahrzunehmen? Bringt ein sich daraus entwickelndes respektvolles und solidarisches Verhältnis und Verhalten ihr dazu Kraft für ihr Leben und emanzipatorische Taten zu schöpfen?
Oder ist es das Tragen eines T-Shirts von einer bekannten Frau aus den USA ? Ist es das Shirt? Die Ikone? Das sie das Shirt trägt? Das sie damit gesehen wird? Was ist es?
Nichts gegen Angela Davis, nichts gegen die Autorin auf BaskInfo, aber diese Art der Betrachtung wird der Menschen und den linken Bewegungen nicht gerecht, ist respektlos, entwürdigend für all die, die im Schatten stehen, jenen „Ameisen der Bewegungen“, und reproduziert so gesellschaftliche Verhältnisse.
Angela Davis: Bring Mumia Home!
Angela Davis ruft dazu auf, den Gouverneur von Pennsylvania (USA) mit Freiheitspostkarten für Mumia Abu-Jamal zu überfluten:
http://bring-mumia-home.de/Free_Mumia_NOW.html