Vom 30. September bis 4. Oktober letzten Jahres, trafen sich mehrere hundert politisch engagierte Jungbäuer_Innen und -gärtner_Innen, oder jene die es werden wollen, auf dem Kollektiv-Hof Cravirola im äußersten Süden Frankreichs.
Doch wie kam es dazu? Die Geschichte begann
auf dem Via Campesina-Jugendcamp in Malmö im September 2008. Dort muss
wohl eine Gruppe junger Menschen entschlossen haben, dass es ein
eigenständiges ViaCampesina-nahes aber trotzdem unabhängiges Netzwerk
in Europa braucht. Für Ernährungssouveränität. Für eine bäuerliche
Landwirtschaft. Für eine Zukunft mit viel mehr junge Menschen auf dem
Land. Für eine bedürfnisorientierte, dezentrale, kollektive und
autonome Nahrungsmittelproduktion als Alternative zum globalisierten
und industrialisierten Kapitalismus. Für eine Verbindung unserer
ländlichen Widerständigkeit mit anderen sozialen Kämpfen, weltweit. Um
zu diskutieren, uns auszutauschen, zusammen zu leben, voneinander zu
lernen, uns Mut zu zusprechen, uns zu wehren und unser Leben in die
eigenen Hände zu nehmen.
Und das taten wir. Wir, dass waren
Menschen aus wirklich allen Ecken des Kontinents. Im mild-sonnigem
Spätherbst führten uns schließlich nicht Enden wollende Serpentinen auf
dem idyllischen südfranzösischen Gehöft bei Minerve zusammen. Auf dem
weitläufigen Gelände tauchten immer mehr Zelte und Wägen auf. Das ganze
Camp über, fanden sich Menschen in kleinen Grüppchen zusammen. Mal ganz
informell, mal in konkreten Workshops. Politisch motivierte Übersetzer
sorgten mit teils moderner aber nicht ganz so zuverlässiger Technik für
Übersetzungen ins Englische, Spanische und Französische. Damit fielen
auch die Sprachbarrieren. Das Camp organisierte sich selbst. Hier
kochten einige (regional, bio und vegan versteht sich) und schenkten
Wein aus, dort bauten jene die letzte Infrastruktur auf oder begrüßten
Neuankömmlinge und wieder andere säuberten täglich die Solarduschen und
Kompostklos. Bis tief in die Nacht knisterte das Lagerfeuer und die
Geigen und Quetschkomoden kamen zum Vorschein. Erst leise und
zurückhaltend, begleiteten die Musiker_Innen bald leidenschaftlich die
nächtlichen Kreistänze. Einen anderen Abend führte die Delegation aus
Südamerika ein ganz eigenes Theaterstück um uns ihre Situation nahe zu
bringen.
Und am Tag danach immer wieder Fragen, und viele verschiedene Antworten:
Was heißt es heute Bäuer_In zu werden? Wie kann Land wieder
entprivatisiert und als Gemeingut, jungen Menschen zur Verfügung
gestellt werden? Welche Rechts- und Finanzierungsformen gibt es in
unseren Regionen? Wie erlangen wir Zugang zu Land? Sollten wir es den
Landlosen in Südamerika gleich tun und mit Besetzungen beginnen? Wer
besitzt das Land in unseren Regionen? Neugründer und Abgebende müssten
zusammen gebracht werden war ein oft gehörtes Credo. Eine Delegation
aus Ungarn berichtete über die vollkommen andere Sitution bei sich vor
Ort und in Osteuropa allgemein. Die geschichtlichen Hintergründe wurde
erläutert; Wirkungslosigkeit von Moratorien gegen Landnahme durch
externe Investoren und Landflucht als heutige Probleme benannt.
Wie können sich zukünftige Bäuer_Innen Wissen aneignen? Welche
Bildungsmöglichkeiten gibt es? Und: Wie kann eine alternative
Ausbildung aussehen die sowohl unseren Ansprüchen als auch jenen der
erfahrenen Bäuer_Innen gerecht wird? Dieser Frage gingen wir in meiner
Kleingruppe auf den Grund. Viele wünschten sich ein möglichst
gleichberechtigtes Verhältnis und einen reflektierten Umgang mit den
bestehenden Wissenshierarchien in der Ausbildung. Es war ein starker
Bedarf für eine gute und strukturierte Vermittlung von bäuerlichem
Wissen trotz der vielen ökonomischen Zwänge fühlbar und der Wunsch nach
mehr Bewusstsein auf den Höfen, dafür was es heißt in diesen
kapitalistischen und autoritären gesellschaftlichen Umständen gute
Landwirtschaft betreiben zu wollen und deshalb schließlich auch dir
Hoffnung auf mehr Bereitschaft sich gegen diese Umstände zur Wehr zu
setzen. Zusammen mit den "Lernenden".
Welche Dynamiken gibt
es in kollektiven Hofgemeinschaften (Aus der BRD waren u.a. da:
Karlshof, Ulenkrug und die Garten-Kooperative Freiburg)? Wie können wir
einander helfen? Wie kann eine solidarische, nicht-kommerzielle
Produktion aussehen? Kooperativen aus der Schweiz, Frankreich und
Spanien stellten sich vor und erläuterten ihre Versuche dem Prinzip
"Jeder gibt was er_sie kann und bekommt was er_sie braucht" gerecht zu
werden. Praktiziert werden die Einbindung der "Konsumenten" in die
Produktion, kollektive (finanzielle) Jahresplanung und schließlich die
bedingungslose zur Verfügung-Stellung der hofeigenen Produkte in der
CSA / Wirtschaftsgemeinschaft und den Kooperativen.
Was heißt
bäuerliche Landwirtschaft und Ernährungssouveränität? Welche
Anbaumethoden passen dazu und welche nicht? Hier wurden Konzepte wie
Permakultur, organisch-biologisch und bio-dynamischer Landbau,
Agrarökologie und bäuerliche Landwirtschaft vorgestellt und trotz
verschiedener Schwerpunkte als sich gut ergänzende Denksysteme
anerkannt. Andere Kleingruppen trafen sich in fachspezifischeren
Kreisen: Imkerei, Tier- oder Pflanzenzüchtung. Ein offener
Saatgut-Tausch ließ die Solidarität praktisch werden.
Und
wohin nun? Nun geht es wohl darum diesem Aufbruch eine Kontinuität zu
verleihen. "Zu Hause" aktiv zu werden und uns immer wieder
auszutauschen. Als nächstes beim gemeinsamen Widerstand in Kopenhagen
gegen die Klimazerstörung durch die industrielle Landwirtschaft und
dann beim nächsten Camp in Ungarn 2010.
Und in der BRD? Nun ja, bei der Tagung "Zukunftsfähige Landwirtschaft" des AgrarBündnisses ( http://www.agrarbuendnis.de/)
fanden sich alle Akteuere außer "uns". Dem was mensch wohl
"Aktivist_Innen aus sozialer Bewegung" und "politisch-bäuerliche
Jugend" nennen könnte. Klar, ein Netzwerk gibt es noch nicht. Aber was
nicht ist kann ja noch werden. Also: Meldet euch Jungbäuer_Innen und
bildet Banden!
Und auch ihr, widerständige Bäuer_Innen: Nehmt
Kontakt auf und werdet aktiv, wenn ihr Interesse habt an einem
alternativen Ausbildungsverbund oder dem Austausch zu explizit
politischem Leben auf dem Land, alternativen Wirtschaftsformen oder den
vielen anderen Themen.
In diesem Sinne: "Semons des Alternatives" - "Lasst uns Alternativen säen".
Infos zum letztjährigen Camp: http://www.reclaimthefields.org/content/pictures-camp-and-action
Reclaim the Fields in Kopenhagen: http://www.reclaimthefields.org/content/rtf-cop-15-text-pics-videos
Infos Allgemein: http://www.reclaimthefields.org/
Wann ist das nächste Camp?
Der Artikel weißt auf das nächste Camp 2010 in Ungarn hin. Leider habe ich auf der Internetseite reclaimthefields.org nur einen Termin über das nächste Treffen in Barcelona gefunden. Deswegen wollte ich den Autor fragen, ob schon ein Datum und andere Informationen für das Camp feststehen?
Camp
Ich weiss nicht was das Ergebnis des Treffens in Barcelona ist. Ich habe in Kopenhagen (Dezember) mit einer Initiatorin von Reclaim the fields gesprochen. Sie meinte, dass für 2010 kein Camp im Stil von dem in Südfrankreich vorgesehen wäre. Die Priorität schien bei der Verfestigung von lokalen Initiativen und regionalen Vernetzungen zu liegen. Später, vielleicht 2011, wäre eher ein größeres Camp denkbar.
Hier drei audio Beiträge zu Reclaim the Fields aus Kopenhagen 1 | 2 | 3
In Freiburg gibt es eine Gruppe, die eine Initiative mit ähnlichen Zielen lanciert hat, die Gartencoop: www.gartencoop.org
Das macht Sinn
Eine sehr sympathische Bewegung. Undogmatisch und pragmatisch, so wie es sein muss. Wie albern wirken dagegen die urbanen Szeneautisten, für die ideologische Grabenkämpfe der Hauptbestandteil ihrer politischen Existenz sind. Diese Grabenkämpfe machen dem Kapitalismus bestimmt ganz große Angst.