Ein Bursche kommt selten allein

Erstveröffentlicht: 
08.12.2015

Auch im Thüringer Bildungsministerium ist die Germania präsent - und wird es wohl bleiben
Vor Tagen erst sorgte ein Germania-Burschenschaftler in Thüringen für Aufsehen, weil der Mann aus dem Landtags-Innenausschuss flog. Dabei arbeitet ein Verbandsbruder im Thüringer Bildungsministerium.

 

Von Sebastian Haak, Erfurt

 

Was unterscheidet Matthias Wirt (Name geändert) von Torben Braga? Immerhin fällt doch vor allem eine Gemeinsamkeiten zwischen beiden Männern auf: Sie sind beide Mitglied in der Marburger Burschenschaft Germania - einer Vereinigung, die die LINKE-Innenpolitikerin Katharina König für »äußerst rechts« hält. Ein Unterschied zwischen beiden: Braga, der seit einigen Tagen als Praktikant der AfD-Landtagsfraktion arbeitet, flog aus dem Innenausschuss des Thüringer Landtages, weil die rot-rot-grüne Ausschussmehrheit das so wollte.

Wirt aber arbeitet seit Jahren für das Thüringer Bildungsministerium, das früher Kultusministerium hieß. Im Wesentlichen unbehelligt. Thüringens (inzwischen nicht mehr ganz neue) Bildungsministerin Birgit Klaubert jedenfalls sah nach Angaben eines Sprechers ihres Ressorts keinen Grund, den Mann nach Amtsübernahme der rot-rot-grünen Landesregierung irgendwie zu versetzen; obwohl sie der gleichen Partei angehört wie König.

Und Wirt hätte bisher sogar ein noch ruhigeres Leben führen können, wenn er nicht seine Dienst-Mail-Adresse innerhalb der Burschenszene als Kontakt-Möglichkeit angegeben hätte - was König im Sommer 2013 dazu bewog, diese Sache im parlamentarischen Rahmen einer Kleinen Anfrage zu thematisieren.

Dass der eine Marburger Bursche aus dem Innenausschuss fliegt, sein Bundesbruder aber in einem Thüringer Ministerium arbeitet, darin wollen trotzdem weder König noch ein Sprecher des Bildungsministeriums einen Widerspruch erkennen. Ein Beamter könne wegen seiner politischen Einstellungen nur dann aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden, wenn er durch sein Verhalten dokumentiere, dass er sich nicht oder nicht mehr auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewege, sagt ein Sprecher des Klaubert-Ministeriums. Das sei bei Wirt nicht der Fall. Unabhängig von dieser Personalie sehe Klaubert die »Deutsche Burschenschaft«, kurz: DB - also jenen umstrittenen Dachverband, in dem auch die Marburger Germania Mitglied ist - aber kritisch. Nach dem verstärkten Austritt von liberal-konservativen Burschenschaften aus dem Verband, sei die DB auf zum Teil extrem rechte Burschenschaften zusammengeschrumpft, die sich an einem Volkstum-bezogenen Vaterlandsbegriff orientierten.

 

Der direkte Bezug beziehungsweise Nicht-Bezug der beiden Männer zur DB wiederum macht aus Sicht Königs den großen Unterschied aus, weshalb es richtig gewesen sei, Braga aus dem Innenausschuss zu schicken, während Wirt gleichzeitig weiter ungestört Akten bewegen darf. Braga habe als Bundessprecher der DB eine wichtige öffentliche Funktion in dem Dachverband inne und sei eine Person des öffentlichen Lebens. Die Sprecher-Funktion entspricht bei der DB der seines Vorsitzenden. Wirt dagegen habe als einfaches Mitglied einer DB-Burschenschaft »für mich nicht denselben Status«, sagt König. Seit der nicht autorisierten Nutzung seiner Dienst-E-Mail-Adresse sei Wirt zudem nicht mehr aufgefallen.

So sehr ihr die politischen Einstellung Wirts nicht gefalle, so richtig sei es deshalb doch, ihn - anders als Braga - im Ministerium seine Arbeit machen zu lassen, sagt König. »Wenn wir über einen bestimmten Punkt hinausgehen, kommen wir sonst ganz schnell in Richtung von Berufsverboten aus ideologischen Gründen.« Das könne niemand wollen. Außer Wirt, sagt der Sprecher des Ministeriums, arbeiteten keine anderen Marburger Burschen im Ressort von Klaubert.

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Nutzung von Ministeriums-E-Mail-Adresse für Korrespondenz mit rechter Szene?
Kleine Anfrage 3209 vom 26. Juni 2013

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