Neusprech zur Rechtfertigung neuer deutscher Kriege

Die letzten 25 Jahre der Bundeswehr sind vor allem 25 Jahre der Bombardements, Massaker und Skandale. Es sind aber auch Jahre des Neusprechs. Die Leistungen der unterschiedlichen euphemistisch als „Verteidigungsminister“ bezeichneten deutschen Kriegsherren und Damen auf dem Gebiet der Akzeptanzbeschaffung für Mord und Totschlag als Mittel der Politik sind angesichts des 60. Geburtstags der Bundeswehr eine besondere Laudatio wert.


Der Wegbereiter der „Auslandseinsätze“


Den Anfang macht dabei der CDU-Minister Volker Rühe. Der gute Mann hat eine beeindruckende Erfolgsgeschichte bei der Re-Militarisierung der deutschen Öffentlichkeit vorzuweisen. In nur acht Jahren führte er die Bundeswehr von einer in die Nato-Befehlsstrukturen eingebundene größtenteils zur Verteidigung des eigenen Territoriums vorgesehen Truppe zu ihrem ersten filmreifen Offshore-Kommando-Unternehmen einschließlich Schusswechsel in Albanien.

Der Kriegsminister als Salami-TaktikerIn?


Das besondere: Alle fanden es geil. Seine Strategie für den Umgang mit einer Militär-Expeditionen kritisch gegenüberstehenden Öffentlichkeit hatte Rühe bereits 1992 völlig offen im Spiegel erklärt. Die Spiegel-Redakteure hatten damals gefragt:
„Als Sie Ihr Amt antraten, haben Sie gesagt, man könne in 40 Jahren gewachsene Instinkte in einem Volk nicht einfach wegkommandieren. Warum haben Sie es jetzt so eilig, Ihre Soldaten weltweit kämpfen zu lassen?“
Rühe antwortete: „Ich habe es überhaupt nicht eilig. Ich bleibe dabei, daß wir auf Kampfeinsätze - etwa in der Verantwortung der Vereinten Nationen im Augenblick weder materiell noch psychologisch vorbereitet sind. (…) Aber ich bleibe dabei, daß für alle anderen Maßnahmen - dabei denke ich langfristig an Kampfeinsätze unter dem Dach der Uno oder der KSZE - ein möglichst breiter Konsens notwendig ist.
Spiegel: „Da unterstützt Sie nur eine Minderheit der Bürger.“
Rühe: „Ja, bis jetzt. Wir haben aber schon eine Zweidrittelmehrheit für die Blauhelm-Einsätze.(...)“

Als Mainstream-Medien noch kritische Fragen stellten


Für heutige Lesegewohnheiten überraschend lässt sich die Spiegel-Journis hier nicht vom Politik-Blabla blenden, sondern bohren kritisch weiter: „Weder die Bürger noch die Bundeswehr sind auf solche militärischen Ausflüge vorbereitet.“ Und die dann kommen Antwort des Ministers ist der Knaller: „Deswegen müssen wir Schritt für Schritt vorgehen. Es geht auch nicht nur darum, die Soldaten, sondern die ganze Gesellschaft auf diese neuen Aufgaben vorzubereiten. Bei Blauhelm-Einsätzen ist das schon gelungen: Zwei Drittel der Bevölkerung stimmen zu.“
Spiegel: „Die Bürger sollen sich eines Tages mit Kampfeinsätzen der Bundeswehr abfinden?“
Rühe: „Ich glaube, daß man in die Verantwortung hineinwachsen muß.“ Jaja... weltweit Leute abknallen und wegbomben als besondere deutsche Bürde und Verantwortung. Wie in der guten alten  Zeit. Trotz  dieser für heutige Verhältnisse sehr klaren Ansage wehrt sich Herr Rühe übrigens bis heute dagegen, als „Salami-Taktiker“ bezeichnet zu werden.

Auch rot-grüne Kriegspolitik begann mit einer Lüge


Mit dem rot-grünen Regierungsantritt wurde es entgegen den Erwartungen des linksliberalen Demokratie-TollfinderInnen-Spektrum erwartungsgemäß nicht besser. Nur etwas mehr als ein Jahr brauchte der grüne Außenminister Joseph Fischer, um seine Partei, die zu dem Zeitpunkt noch „Pazifismus“ im Parteiprogramm hatte, in den ersten deutschen Angriffskrieg seit 1945 zu führen. Und was das strukturell anti-amerikanische ach so ökologische deutsche BildungsbüergerInnentum, das gerne auf den Irakkrieg und die damit verbundenen Propaganda-Lügen verweisst, nicht wahrhaben will: Auch der rot-grüne Krieg begann mit einer Lüge.


Lügen als grüner Kriegsgrund


Ähnlich wie bei Georg W. Bushs Massenvernichtungswaffen, die als Kriegsgrund für den Irakkrieg herhalten mussten, gibt es bis heute keine Beweise für die Existenz des sogenannten „Hufeisenplan“, den Joskas Außenministerium angeblich vom bulgarischen Geheimdienst erhalten haben wollte und der bei der Bombardierung Serbiens als Kriegsgrund herhalten musste. Für kritische BeobachterInnen des Zeitgeist war es also wenig überraschend, dass die rot-grüne Regierung ihren nächsten Krieg mit Bonmots a la „Deutschland wird auch am Hindukutsch verteidigt“ rechtfertigte.

„Besondere Situation“ und „kriegsähnliche Zustände“?
In Folge dessen fiel nach der Abwahl der Grünen dem CDU-Kriegsminister Josef Jung die undankbare Aufgabe zu, die deutsche Teilnahme am Gemetzel in Afghanistan weiterhin in rot-grüner Manier als nette kuschelige Brunnen- und Brückenbau- THW- Mission zu vermarkten. Seine  humoresken Begriffsschöpfungen zur Vermeidung des Wortes „Krieg“ wurden u.a. durch vielfältige Satire seiner Bemühungen legendär. Kein Wunder, dass der Mann angesichts des rot-oliv-grünen Erbes, das er zu verwalten hatte, vorzeitig zurück getreten ist.

Gewöhnung der Öffentlichkeit an Propaganda
Angesichts der vielfältigen Propaganda-Reden beim Zapfenstreich vor dem Reichstag zum 60. Geburtstag der Bundeswehr zeigt sich, dass die Blabla-Quote von Soldateska und KriegspolitikerInnen in den letzten 25 Jahren in der „Armee der Einheit“ gleichbleibend hoch. Was die Medien-Analyse der Berichterstattung anlässlich des Zapfenstreiches zeigt, ist aber, dass Medien und Öffentlichkeit im Vergleich zu früher deutlich weniger kritisch hinschauen oder berichten. So musste Ex-Bundespräsident Köhler zurücktreten, weil er offen sagte, dass die deutschen Militär-Expeditionen wirtschaftlichen Interessen dienen. Heute ist das völlig normal im deutschen Etablissement.

Mehr Infos:

Adbusting-Aktion am Reichstag zur Zapfenstreich 2015:
http://maqui.blogsport.eu/2015/11/12/adbusting-aktion-in-berlin-anlaesslich-zapfenstreich/

Medien-Analyse zur Berichterstattung über den Zapfenstreich 2015:
http://maqui.blogsport.eu/2015/11/13/vielfaeltige-aktionen-zum-zapfenstreich/

„Freier Welthandel“ als deutscher Kriegsgrund?
http://maqui.blogsport.eu/2015/11/10/von-deutschen-supermaerkten-darf-nie-wieder-krieg-ausgehen/

Salami-Rühes Salami-Interview im Spiegel 1992:
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13855248.html

Das zdf veralbert die „kriegsähnlichen Zustände“ vom Minister für kriegsähnliche Zustände Jung:
https://www.youtube.com/watch?v=4wjawd2ZueQ
 
Peter Struck und die deutsche Verteidigung am Hindukusch
http://www.heise.de/tp/artikel/13/13778/1.html

Mehr Argumente und Aktionen gegen Militär:
http://maqui.blogsport.eu/category/antimilitarismus/

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Die Entgegenstellung Krieg oder Frieden ist erstens praktisch nicht real. es gibt immer beides gleichzeitig.

 

und vor allem ist die Forderung Keinen Krieg isolationistisch und entsolidarisierend:

Es muss heißen:

Nicht gegen Krieg, sondern gegen die Angreifer

Unterstützung der Angegriffenen, je nach dem wie ihnen die Angreifer überlegen sind.