Namhafte Unternehmen und Landesbehörden in Niedersachsen nutzen Billiglöhnerei hinter Gittern – Lohn- und Sozialdumping an Gefangenen

Gefangenen-Gewerkschaft

Presse-Mitteilung der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)
Berlin, 28. September 2015 – Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Auswertung unserer „Aktivierenden Untersuchung“ zur Betriebslandschaft in den Haftanstalten Niedersachsens hat ergeben, dass nicht nur zahlreiche Landesbehörden die Arbeitskraft Inhaftierter zum faktischen Nulltarif verausgaben, sondern auch namhafte Unternehmen in der „Billiglohninsel Knast“ sozialabgabenfrei produzieren lassen.


Von engagierten inhaftierten Gewerkschafter_innen haben wir eine Reihe von Informationen erhalten, die belegen, dass die Arbeitsorganisation in den JVA-Betrieben auf Ertrag und Quote aus ist. Haftanstalten sind Produktionsstätten und Werkshallen, in denen eine umfassende sozial- und arbeitsrechtliche Diskriminierung gegenüber den inhaftierten Beschäftigten stattfindet.


Dass die von den arbeitenden Gefangenen verrichtete Tätigkeit keine „richtige Arbeit“ sei, sondern einem „resozialisierenden Behandlungskonzept“ folge, stellt aus Sicht der GG/BO die große Lebenslüge des bundesdeutschen Strafvollzugs dar. Unser Bundessprecher, Oliver Rast, bringt es auf den Punkt: „Ausbeutung ist keine Wohltat!“ Und weiter führt Rast aus: „Vor dem Hintergrund, dass unter Akkordbedingungen und Pensumsvorgaben Aufträge von Landesbehörden und externen Unternehmen abgearbeitet werden, fordern wir eine faire Entlohnung und soziale Absicherung für unsere inhaftierten Kolleg_innen.“


Über die eigens eingerichtete so genannte Justizvollzugsarbeitsverwaltung (JVAV) wirbt das Land Niedersachsen mit ihrer Ministerin Niewisch-Lennartz (Grüne) mit der staatlich sanktionierten Billiglöhnerei hinter den Gefängnismauern. Auf deren Homepage heißt es wie in einem Werbeprospekt: „Wir sind ein moderner und leistungsstarker Landesbetrieb mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung. Unser Anliegen ist die Stärkung der regionalen Wirtschaft. Hierzu steht Ihnen in unseren Fertigungs- und Lohnarbeitsbetrieben in Niedersachsen ein breites Angebot an Dienstleistungen, Handwerk und industrieller Produktion zur Verfügung.“ Die BILD-Zeitung, die gemeinhin nicht als besonders gewerkschaftsnah gilt, berichtete bereits vor anderthalb Jahren von den „Millionenumsätzen aus der Knastfabrik“ in Niedersachsen.


Folgend wollen wir einige Schlaglichter auf die Betriebswelt hinter Gittern werfen:


Ein aktuelles Beispiel liefert die niedersächsische Justiz selbst. Ein Großteil der Innenausstattung des neu errichteten Justizzentrums in Hannover wurde in den Handwerksbetrieben der JVA Sehnde gefertigt.


Die Wäscherei der JVA Sehnde wird zudem vom Deutschen Roten Kreuz ausgiebig angesteuert, damit die dort Beschäftigten Kleidung, Bettwäsche und weiteres für etwa ein Dutzend Rettungswachen waschen, mangeln und legen. Und der Waschmaschinenhersteller Miele aus Lehrte bei Hannover lässt die Kleidung von Mitarbeiter_innen waschen und legen.


In der JVA Oldenburg und in der JVA Meppen lässt der größte deutsche Hersteller von Windkraftanlagen Enercon über das Unternehmen ETB Gehrmann aus Oldenburg elektronische Bauteile für Windkraftanlagen zusammensetzen. Pikantes Detail: Der Enercon-Chef Bernhard Aloys Wobben  ist als „Betriebsratfresser“ für seine jahrelange Praxis des Union Busting bekannt.


Auftragnehmer der teilprivatisierten JVA Bremervörde ist die BAM PPP JVA Bremervörde Projektgesellschaft, ein Unternehmen der niederländischen Royal BAM Group, das mit einem Jahresumsatz von über acht Milliarden Euro zu einem der größten Baukonzerne Europas zählt.


Der gesamte Verpflegungssektor in der JVA Bremervörde untersteht vertraglich der Dussmann-Gruppe, die u.a. den Küchenbetrieb und externen Einkauf abdeckt. In anderen JVA-Betrieben werden z.B. Fan-Artikel von Bundesligavereinen wie dem FC Bayern München verpackt und an die Handelskette REWE ausgeliefert. Büromaterialien für Geldinstitute wie die Postbank oder die Sparkasse werden in einem weiteren Betrieb der JVA Bremervörde hergestellt.


In der JVA Lingen fabrizieren Gefangene für den Automobilzulieferer OKE Group Kunststoffkomponenten u.a. für die PKW-Marken Audi und Porsche. Die ebenfalls in Osnabrück ansässige Valmet Automotive GmbH vergibt über die JVA Arbeitsaufträge an inhaftierte Beschäftigte, um Sicherheitsgurte und Cabriolet-Bowdenzüge unter Pensumsvorgaben und ständiger Qualitätskontrolle anfertigen zu lassen.


In der JVA Celle tritt das Unternehmen Conpac GmbH & Co.KG an, um Verpackungsmittel aus Papier, Karton und Pappe von Gefangenenhand erstellen zu lassen. Und die Prisma Textil Produktions- und Vertriebs-GmbH nimmt die Produktionsstätte der JVA Celle (und der JVA Sehnde) in Anspruch, um Material für Bügelbrettpolster und -bezüge schneiden und verpacken zu lassen.


Der Plas-tech Spritzgiesstechnik GmbH, die sich im Kunststoffspritzguss und Werkzeugbau einen Namen gemacht hat, ist der Fertigungsort JVA Celle gleichfalls ein Begriff.


Abschließend der Kollege Rast: „Unser Fazit nach der Auswertung der Rückläufe aus der ´Aktivierenden Untersuchung´ fällt klar aus: In den Eigen- und Unternehmerbetrieben in den Haftanstalten Niedersachsens versammeln sich diverse Landesbehörden und externe Unternehmen, die vom beispiellosen Sozial- und Lohndumping an den gefangenen Arbeiter_innen profitieren. Selbst Minimalstandards werden im ´Mikrokosmos Knast´ ausgehebelt. Wir bekräftigen unsere Kernforderungen nach der Einbeziehung der arbeitenden Gefangenen in den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn und das Sozialversicherungssystem. Zudem wenden wir uns gegen jegliche Einschränkung der im Grundgesetz verankerten Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, die auch für inhaftierte Beschäftigte und Beschäftigungslose gelten.“


Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)
https://www.gefangenengewerkschaft.de // info@gefangenengewerkschaft.de
facebook.com/Gefangenengewerkschaft

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Die folgenden Passagen sind nicht erfunden, hier ist nichts hinzu gedichtet; nein, das ist Originalton der niedersächsischen Knast-Industrie:

 

Die Arbeitsbetriebe der niedersächsischen Justiz - Partner der Wirtschaft

Guten Tag,
wir freuen uns, dass Sie die Internet-Seite der Justizvollzugsarbeitsverwaltung des Landes Niedersachsen (JVAV) besuchen. Die JVAV wurde zur Umsetzung und Förderung der Beschäftigungsbedingungen für die Gefangenen in den niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen eingerichtet.
 
Wir sind ein moderner und leistungsstarker Landesbetrieb mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung. Unser Anliegen ist die Stärkung der regionalen Wirtschaft. Hierzu steht Ihnen in unseren Fertigungs- und Lohnarbeitsbetrieben in Niedersachsen ein breites Angebot an Dienstleistungen, Handwerk und industrieller Produktion zur Verfügung.
 
In den Eigenbetrieben fertigen Gefangene unter der Anleitung qualifizierter Handwerksmeister - je nach Bedarf mit hochmodernem Maschinenpark - Halbfertigfabrikate und Serien-Produkte im Kundenauftrag. Die jeweiligen Gewerke der Standorte finden Sie unter den weiterführenden Links.
In den Dienstleistungsbetrieben führen Gefangene unter der Anleitung fachlich vorgebildeter Betriebsleiter Lohnarbeiten aller Art aus.

Komplexe Aufgabenstellungen werden zentral koordiniert und zielführend auf unsere 13 Hauptanstalten mit den jeweiligen Abteilungen verteilt.

Zuverlässigkeit bei der professionellen Abwicklung der übernommenen Aufträge steht bei uns an erster Stelle. Sie konzentrieren sich auf das Kerngeschäft – wir übernehmen die Randprozesse bis hin zur „verlängerten Werkbank". Kundenorientierung, Verlässlichkeit und erhöhte Wertschöpfung sind unsere Alternativen zu Experimenten in Richtung Auslandsproduktion.
Wir unterstützen Sie durch Einbindung in die kundeneigenen Produktionsprozesse.
Ihre Vorteile:

  • Verringerung des Ressourceneinsatzes
  • Kosteneinsparpotenziale
  • Sicherung von Arbeitsplätzen durch das Outsourcing niederschwelliger Arbeiten

mit allen logistischen, qualitätsbezogenen, dispositiven und kundenorientierten Aspekten.
Klicken Sie sich durch unser Angebot und reden wir über mögliche Konzepte zur Steigerung Ihrer Produktivität im Rahmen einer Kooperation.
- kompetent - zuverlässig - wirtschaftlich -

-> http://www.jva-shop-business.de/frontpage-style1/die-arbeitsbetriebe-der-niedersaechsischen-justiz-partner-der-wirtschaft.html

Hier gibt es eine sehr unvollständige Liste von am Knastbau und Betrieb Beteiligten. Mehr ging gerade nicht, würden uns freuen, wenn sie erweitert wird und die Liste nicht nur Liste bleibt.

 

JVA Bremervörde (public-private-partnership):

-BAM PPP JVA Bremervörde Projektgesellschaft mbH (Am Seedamm 44 60489 Frankfurt)

-PPP-Dienstleister: BAM Deutschland AG(Tochter von Royal BAM Group)

-Architekt/Planung: Frick Krüger Nusser Plan2 GmbH

-Bauherr: Niedersächsisches Justizministerium

-Finanzierung: DZ BANK, NIBC Bank, DekaBank, Volksbank Osterholz-Scharmbeck

-Betrieb: Müller-Altvatter Gebäudemanagement GmbH (Facility Managements, des technischen, infrastrukturellen und kaufmännischen Gebäudemanagements sowie der Gefangenenbetreuung), Hectas Gebäudedienste Stiftung & Co KG

 

JVA Frankfurt a.M. I

-Generalplaner/architekt: Frick Krüger Nusser Plan2 GmbH , ARGE mit den Büros ARUS und Dittmar

-Bauherr: Hessisches Baumanagement

 

JVA München (ppp):

-architekt: Frick Krüger Nusser Plan2 GmbH

-Planungs-, Bau- und Lieferleistungen: BAM Deutschland AG

-Bau: Müller-Altvatter Bauunternehmung GmbH, Stuttgart

-Facility Management: Müller-Altvatter Gebäudemanagement GmbH, Stuttgart

-Finanzierung: Südleasing GmbH, Mannheim

 

JVA Hünfeld (ppp):

-Architekt: Frick Krüger Nusser Plan2 GmbH
-Betrieb: Müller-Altvatter Gebäudemanagement GmbH

-Finanzierung: SüdLeasing (LHI),

Bauherr: Roberto Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH

 

JVA Offenburg
-Architekt: Frick Krüger Nusser Plan2 GmbH
-
Auftragnehmer und Projektbeteiligte
Strabag Real Estate GmbH

-Planung: Vermögen und Bau Baden-Württemberg
-
Bau:Ed. Züblin AG

-Bauunterhalt: Ed. Züblin AG

-Finanzierung: Kommunalkredit Austria AG

 

JVA Hamburg Billwerder
-Archtiekt: Frick Krüger Nusser Plan2 GmbH (Entwurf für die Anlage stammt vom Hamburger Büro HPP)
-Auftraggeber: Müller-Altvatter Generalunternehmung

 

Klinik für Maßregelvollzug, Herne

-Bauherr:  Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) Dortmund

-Planung: Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) Dortmund

-bau unternehmen: BAM Deutschland

 

JVA Wuppertal
Der Bau- und Liegenschaftsbetrieb Düsseldorf hat die BAM Deutschland AG in Arbeitsgemeinschaft mit Ed. Züblin AG mit dem Neubau der Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf beauftragt.

-Bauherr: BLB NRW, Niederlassung Düsseldorf

-Planung:  agn Niederberghaus & Partner GmbH

-Arbeitsgemeinschaft mit Fa. ZÜBLIN AG

 

JVA Brandenburg:

-Bauherr: Brandenburgischer Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen

-Planung: DHBT Architekten GmbH

 

Zentrales Justiz- und Verwaltungszentrum Wiesbaden

-Planung: KSP Engel und Zimmermann Architekten
-
Projektentwicklung/-steuerung : OFB Projektentwicklung GmbH
-
Bau: Bilfinger Berger Hochbau AG
-
Facility Management : HSG Technischer Service GmbH
-
Finanzierung: HANNOVER LEASING GmbH & Co. KG

 

Justizzentrum in Chemnitz

-Auftraggeber: Freistaat Sachsen, vertreten durch den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilienund Baumanagement (SIB)

-Auftragnehmer und Projektbeteiligte

Bilfinger Berger AG Hochbau

-Planung: Dömges Architekten AG, Regensburg
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Bau: Bilfinger Berger AG, Hochbau Niederlassung Leipzig
-
Facility Management: HSG Technischer Service GmbH,Niederlassung Dresden
-
Finanzierung: Bayerische Landesbank, München

Justizvollzugsanstalt in Burg

Auftragnehmer und Projektbeteiligte:
-
PJB Beteiligungs-GmbH 90% (100%-ige Tochter der Bilfinger Berger Project Investment GmbH)
Justizdienstleistungen: KÖTTER GmbH & Co. KG

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Planung: Dömges Architekten AG und Ingenieurbüro Rathenow BPS GmbH
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Bau: Bilfinger Berger AG Niederlassung Hochbau Leipzig
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Facility Management: HSG Technischer Service GmbH, KÖTTER Justizvollzugsdienstleistungen GmbH & Co KG
-
Finanzierung: Commerzbank/HSH Nordbank/NordLB

artikel in der neuen osnabrücker zeitung zu den arbeitsbedingngen in den jva-betrieben von niedersachsen:

http://www.noz.de/deutschland-welt/niedersachsen/artikel/621197/haftling...

artikel zum sozial-/lohndumping in niedersachsens knästen in der in oldenburg erscheinenden nordwest-zeitung von heute:

http://www.nwzonline.de/politik/niedersachsen/klage-ueber-billiglohninse...

im niedersächsichen blätterwald rauscht es, seitdem die gg/bo mit ihrer pm an die öffentlichkeit ging; hier der link zum aktuellen artikel in der "hannoverschen allgemeinen" (haz): http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Gefangenengewerkscha...