Farbanschlag auf Polizeiwache: Verdächtiger meldet sich zu Wort

 Zwei der Farbbeutel-Schmeisser haben dem «Megafon» ein Interview gegeben. Bild: Screenshot Megafon
Erstveröffentlicht: 
17.09.2015

Die Aussage eines Mannes, der am Farbanschlag auf die Polizeiwache im Februar beteiligt gewesen sein soll, wirft ein schlechtes Licht auf die Ermittlungsarbeit der Polizei.

 

«Sie scheinen sich nicht für mich zu interessieren», so der Mann, der am Farbanschlag auf die Berner Polizeiwache im Februar beteiligt gewesen sein soll. Dabei wurde auch ein Beamter verletzt. Mit «sie» meint der Mann die Polizei.

Gegenüber der Wochenzeitung «WOZ» sagt der vermeintliche Täter anonym, er habe sich telefonisch auf der Polizeiwache gemeldet, nachdem am 19. August seinetwegen zwei Häuser an der Murtenstrasse durch die Polizeieinheit Enzian durchsucht worden waren. In beiden Fällen war den betroffenen beschieden worden, man sei auf der Suche nach einem bestimmten Mann, den sie namentlich nannten.

Der gesuchte Mann, in der «WOZ» Beat genannt, sagt, er hab sich darauf bei der Polizeiwache gemeldet: ‹«Ich bin der, den ihr sucht.› Der Telefonist konnte mir nicht weiterhelfen. Er sagte, ich solle am nächsten Tag nochmals anrufen. Seither habe ich nichts mehr gehört. Bei mir zu Hause ist die Polizei bis heute nicht aufgetaucht.»

Ermittlungsarbeit in der Kritik

Die Aussage wirft erneut Fragen auf zur Ermittlungsarbeit der Polizei, die bereits zuvor für Kritik gesorgt hatte. Insgesamt waren im Zusammenhang mit den Farbanschlägen bereits im April Zwischennutzungen unter einem massiven Polizeiaufgebot durchsucht worden. Damals war die «Familie Osterhase» in Ostermundigen sowie ein Haus an der Moserstrasse in Bern Ziel der Beamten. In beiden Fällen wurden die Häuser gestürmt, und den Bewohnern die Augen verbunden sowie die Hände gefesselt. Am 19. August wurde das Haus der «Osterhasen»gleichzeitig wie das an der Murtenstrasse abermals durchsucht. Die Polizei war in diesem Fall auf der Suche nach einem mutmasslichen Dieb, der laut den Osterhasen aber auch nicht dort wohnhaft ist.

Die Vorwürfe der Besetzer über die Unverhältnismässigkeit der Einsätze kommentierte die Medienstelle der Polizei jeweils mit dem Verweis auf die Staatsanwaltschaft: «Die Durchsuchung erfolgte rechtskonform gestützt auf einen Beschluss der Staatsanwaltschaft», so Corinne Müller, Mediensprecherin der Kantonspolizei, im August gegenüber dem DerBund.ch/Newsnet. Gegenüber der «WOZ» lässt der Berner Strafrechtsprofessor Martino Mona daran Zweifel aufkommen. «Dieser massive Eingriff in (...) Grundrechte lässt sich nicht mit dem Tatverdacht gegenüber einer anderen Person legitimieren», so Mona. Er würde eine externe Untersuchung begrüssen.

Interpellation eingereicht

Die Vorkommnisse rufen auch die Politik auf den Plan. Der grüne Grossrat Hasim Sancar fordert am Donnerstagmorgen in einer Interpellation an den Regierungsrat eine Antwort auf die Frage «Was ist der eigentliche Zweck der Polizeirazzia bei den Zwischennutzungen wie von Familie Osterhase in Ostermundigen?». Sancar spricht von «eindeutigen Grundrechtverletzungen, die untersucht und geklärt werden müssen».

(hjo)

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Amtlich bewilligter Polizeiterror - WoZ Nr. 38/2015 vom 17.09.2015
Die schwer bewaffnete Berner Spezialeinheit Enzian stürmt wiederholt zwischengenutzte Häuser, hinterlässt verstörte BewohnerInnen und hohe Sachschäden. Ein Strafrechtsprofessor zweifelt an der Rechtmässigkeit des Vorgehens.
http://www.woz.ch/1538/bern/amtlich-bewilligter-polizeiterror