Faire Bezahlung MangelwareWie "Lohnklau" allen schadet

Erstveröffentlicht: 
05.03.2015

Seit der Ölkrise ist das Verhältnis von Arbeit auf der einen und Kapital auf der anderen Seite dramatisch gekippt: Unternehmen verdienen immer mehr, Angestellte und Arbeiter immer weniger. Die vergangenen dreißig Jahre waren für viele Beschäftigte in der westlichen Welt verlorene Dekaden, schreibt Wirtschaftsjournalist Mark Schieritz in seinem Buch "Der Lohnklau. Warum wir nicht verdienen, was wir verdienen, und wer daran schuld ist".


Selbst in wirtschaftlich guten Zeiten sind Arbeiter und Angestellte leer ausgegangen. Ihr Lebensstandard liegt oft unter dem der Elterngeneration. Reichte früher das Geld eines Erwerbstätigen der Mittelschicht vielleicht aus, um der Familie den Traum von einem Reihenhäuschen zu erfüllen, buckeln sich heute oft zwei Erwerbstätige hierfür ab. Noch viel schlimmer sind die schwindenden Möglichkeiten, eine vernünftige Altersvorsorge aufzubauen.


Die Finanzkrise hat diese Schieflage verschärft: Die lockere Geldpolitik und die damit einhergehenden Niedrigzinsen haben Sparer und Inhaber von Lebensversicherungen schlicht enteignet. Umgekehrt werden die, die Aktien und Immobilien besitzen, immer reicher. Denn die Preise von Wertpapieren, Wohnungen oder Häusern sind extrem gestiegen. Es ist diese immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich, die Unmut schürt. Bereits 50 Prozent der Deutschen beklagen sich über ein zu niedriges Einkommen. Die Entwicklung ist nicht nur ungerecht, sondern volkswirtschaftlicher Unsinn, sagt Schieritz. Im Gespräch mit n-tv.de erklärt er, wie es dazu gekommen ist und welche Folgen man dabei bedenken muss.


n-tv.de: Hierzulande haben Arbeitnehmer und –geber jahrzehntelang ausgleichende Lohnverhandlungen geführt. Deutschland war hier geradezu beispielhaft. Wann ist das gekippt?


Mark Schieritz: Der Interessenausgleich zwischen Arbeit und Kapital war in Deutschland in der Tat über Jahrzehnte hinweg vorbildlich. Das ist ein wichtiger Grund für die Stärke der deutschen Wirtschaft, denn dadurch sind gesellschaftliche Verteilungskonflikte nicht in dem Maße eskaliert wie in vielen anderen Ländern. Um die Jahrtausendwende allerdings hat sich das verändert. Nach der Wiedervereinigung waren die Löhne zu stark gestiegen, das musste korrigiert werden. Bei dieser Korrektur ist man allerdings über das Ziel hinausgeschossen - auch, weil durch die Reformen der Agenda 2010 die Verhandlungssposition der Arbeitnehmer geschwächt wurden. Im Ergebnis sind die Löhne über Jahre hinweg zu langsam gestiegen beziehungsweise in einzelnen Branchen nach Abzug der Inflation sogar gefallen.

 

Sie sagen, die Finanzkrise hat dieses Ungleichgewicht massiv verschärft. Erklären Sie das bitte.


Die Stagnation der Löhne war eher eine der Ursachen für die Finanzkrise. Das gilt vor allem für die USA: Weil die Gehälter nicht mit der Entwicklung der Produktivität Schritt hielten, konnten die Amerikaner das für ein Wachstum der Wirtschaft nötige Konsumniveau nur aufrechterhalten, indem sie sich verschuldeten und zum Beispiel ihr Eigenheim mit immer höheren Hypotheken belasteten. Als diese Kredite nicht mehr bedient werden konnten, nahm die Finanzkrise ihren Lauf.

 

Man kann Lohndumping als unsozial oder unmoralisch bezeichnen. Sie gehen darüber hinaus. Sie sagen, dass es volkswirtschaftlich schädlich ist. Warum?

 

Adam Smith - der Begründer der Volkswirtschaftslehre - hat einmal gesagt, dass der Endzweck jeder Produktion der Konsum ist. Wenn ein Unternehmen seine Produkte nicht los wird, dann wird es nichts produzieren und dann entstehen auch keine Arbeitsplätze. Wenn die Löhne nicht Schritt halten mit der Entwicklung der Produktivität, dann fehlt die Kaufkraft, um die von den Unternehmen produzierten Waren und Dienstleistungen absetzen zu können. Wenn die Arbeitsplätze erhalten werden sollen, dann bleibt nur der Weg in die Verschuldung. Wie eben in den USA.

 

Wir leben in einer globalisierten Welt. Das eröffnet ungeahnte Absatzmöglichkeiten. Wenn die Deutschen nicht genug kaufen können, also der Absatz im Binnenmarkt wegen niedriger Löhne nicht funktioniert, dann wird eben exportiert. Was ist falsch daran?


Das bedeutet doch nur, dass sich jemand anders verschulden muss, denn irgendwo muss die Kaufkraft ja herkommen. Wenn ein Land – wie Deutschland – dauerhaft mehr Waren an das Ausland verkauft als es von dort bezieht, dann baut dieses Land in der Höhe der Differenz finanzielle Forderungen gegenüber seinen Handelspartnern auf. Den hohen Überschüssen der Deutschen stehen als entsprechende Defizite anderer Staaten gegenüber. Das geht so lange gut, wie diese Staaten ihre Schulden an uns auch zurückzahlen können. Der Fall Griechenland zeigt, dass das nicht selbstverständlich ist. Zugespitzt formuliert: Indem wir die Welt mit unseren Waren überschwemmen, zwingen wir sie in die Verschuldung.

 

Problem erkannt, aber nicht gebannt. Die Gewerkschaften sind nur noch ein Schatten ihrer selbst.


Das ist das Problem. Deshalb glaube ich, dass eine Stärkung der Gewerkschaften - oder anderer Formen der Arbeitnehmervertretung - ein Schlüssel zu einer gerechteren und stabileren Wirtschaftsordnung sind. In Deutschland ist man da mit dem Mindestlohn schon auf dem richtigen Weg. So sehr wir uns über Streiks ärgern, sie haben auch ihr Gutes.

 

Sie plädieren für Bildungsmaßnahmen gegen Lohndumping. Reicht das aus?


Nein, das reicht nicht aus. Bildung ist die erste Verteidigungslinie gegen den Lohnklau. Viele Routinetätigkeiten sind beispielsweise in der Vergangenheit durch die Automatisierung weggefallen, zugleich sind aber auch neue Stellen entstanden, die eine höhere Qualifikation erfordern. Es gibt allerdings keinen Automatismus, der dafür sorgt, dass diese Stellen angemessen entlohnt werden. Auch deshalb ist es so wichtig, dass Arbeitnehmerrechte gestärkt werden.

 

Sie zitieren Studien, wonach etwa die Hälfte aller Jobs in Deutschland in den kommenden 20 Jahren der Automatisierung zum Opfer fallen könnte. Wie muss man sich das Erwerbsleben der Zukunft vorstellen?


In der Tat bedroht der technische Fortschritt inzwischen auch höherwertige Jobs. Es gibt Theorien, wonach die menschliche Arbeit irgendwann komplett überflüssig ist, so wie mit der Einführung von Traktoren das Pferd aus der Landwirtschaft verschwunden ist. Wenn aber niemand mehr arbeitet, gibt es auch keinen Arbeitslohn mehr. Um zu verhindern, dass die Wirtschaft dann an einem Mangel an Kaufkraft kollabiert, müssten die Gewinne dann staatlich umverteilt werden – zum Beispiel über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ich glaube aber, dass wir von einer solchen Situation noch weit entfernt sind. Der Ruf nach mehr Staat ist häufig nur der Versuch, Personalkosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Wir sollten uns von Szenarien über eine Machtergreifung der Maschinen nicht einschüchtern lassen! Auch im 19. Jahrhundert dachten einige, dass die Arbeit bald ausgehen würde. Es kam bekanntlich anders.

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Steuerklau/Verweigerung

Konsumverweigerung

Selbstversorgung

 

Mag fuer manche fremd oder entsetzlich klingen, aber der westliche Lebensstandard ist nur mit Kapitalismus, Ausbeutung und Verschuldung erhaltbar. Nur das bis vor einigen Jahren die Leuten im Norden es nicht selbst gespuert haben.

 

Es gibt keinen oeffentlichen Verkehr, der uns zum Schlaraffenland faehrt.