Gegen jede Blockade der Vereinigungsfreiheit und Koalitionsfreiheit in der JVA Untermaßfeld (Thüringen)

Gefangenengewerkschaft

Liebe Kolleg_innen und Kollegen,

nachdem die „Thüringer Allgemeine“ in ihrer Print-Ausgabe vom 27. August 2015 einen Artikel zu den anstaltsinternen Schikanen in der JVA Untermaßfeld gegen unseren dortigen Sektionssprecher David Hahn unter dem Titel „Gefangenen-Gewerkschaft kritisiert Postzensur und Zellenrazzia“ veröffentlichte, haben wir verschiedene positive Reaktionen innerhalb als auch außerhalb von Haftanstalten erhalten.

Es stehen indes weiterhin mehrere Vorwürfe unsererseits gegen die JVA-Leitung in Untermaßfeld und letztlich das Justizministerium des Freistaats Thüringen im Raum, die längst nicht ausgeräumt sind. Im Gegenteil.

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) in den bundesrepublikanischen Haftanstalten eine legitime selbstorganisierte Gewerkschaftsinitiative von inhaftierten Gewerkschafter_innen ist, die durch die grundgesetzlich verankerte Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 und 3 GG gedeckt ist. D.h., dass die von dem Thüringen Justizministerium angeführte Gefangenenmitverantwortung in den JVA's keine abschließende Interessenvertretung von Inhaftierten darstellt, sondern eine von mehreren Optionen ist. Die GG/BO ist eine dieser Optionen.

Ungeklärt ist, warum es in der JVA Untermaßfeld in den vergangenen Monaten wiederholt zur Postzensur gekommen ist. Bestimmte Passagen in Briefen mussten von unserem Sektionssprecher unkenntlich und geschwärzt werden, bevor sie die Anstaltstore verlassen konnten. Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Verzögerung der Aushändigung oder Verschickung von Gewerkschaftspost, sondern um eindeutige Fälle von Zensur. Hierdurch wurde eine wesentliche Initiative der GG/BO in der Südthüringer Haftanstalt, die „Aktivierende Untersuchung“ zur Betriebslandschaft hinter Gittern, blockiert. Mit dieser „Aktivierenden Untersuchung“ wollen wir als GG/BO die sprichwörtlich unter Verschluss gehaltene Arbeitswelt in den JVA's in das öffentliche Blickfeld rücken. U.a. geht es in diesem Fragenkatalog um den Arbeitsschutz in den JVA-Betrieben. Wir fragen: Auf welcher rechtlichen Grundlage oder mit welcher sonstigen Motivation werden Ausführungen unseres Sektionssprechers zur Einhaltung oder Nicht-Einhaltung von Arbeitsschutzrichtlinien im Rahmen der JVA-Postkontrolle zensiert?

Und eine weitere zitierte Aussage des Ministeriumssprechers lässt aufmerken, wonach persönliche und Gewerkschaftsunterlagen des Kollegen Hahn „nicht [sic!] durchwühlt und zerrissen wurden.“ Hier liegt unserer Ansicht nach eine reflexhafte Entgegnung ohne Prüfung des Sachverhalts der Ministerialbürokratie vor. Erstens ist uns nicht bekannt, dass sich Offizielle aus dem Ministerium selbst ein Bild von der Lage gemacht haben. Zweitens irritiert die Aussage, dass im Zusammenhang von Zellenrazzien bei Inhaftierten „etwas kaputt gehe[n]“ könne. Unseren Informationen zufolge, führte der am 19.8.2015 diensthabene Beamte die Durchsuchung bei David Hahn allein durch. Es sollte anhand der Dienstpläne in der JVA ein Leichtes sein, zu ermitteln, welcher Beamte hiermit nur gemeint sein kann.
Unsere Fragen: Werden beschädigte persönliche Gegenstände oder (Gewerkschafts-)Unterlagen durch die Bediensteten, die den Schaden verursacht haben, dokumentiert? Wie verhält es sich mit einem Schadensersatz durch die Vollzugsbehörde? Oder haben Inhaftierte etwaige „Verluste“ einfach wortlos hinzunehmen?

Des Weiteren erwarten wir eine Aufklärung darüber, weshalb der Kollege Hahn von seiner Arbeit in der JVA Untermaßfeld abgelöst wurde. Die von der JVA-Arbeitsverwaltung ins Feld geführten Krankmeldungen Hahns beurteilen wir als Scheinargument, um einen aktiven Gewerkschafter aus seiner Kollegenschaft herauszureißen und in den Stand eines Taschengeldbeziehers zu drücken.
Engagierte Inhaftierte der GG/BO sind in verschiedenen Haftanstalten der Bundesrepublik mit der subtilen und informellen Disziplinarstrafe konfrontiert, in die knastinterne Arbeitslosigkeit geschickt zu werden. Auch das ist aus unserer Sicht eine Methode des „Union Busting“, der Bekämpfung von Gewerkschaftsinitiativen und Gewerkschafter_innen in der Haft.

Wir haben die Ernennung Dieter Lauingers (Grüne) zum Justizminister der Landesregierung unter Bodo Ramelow (Linke) mit einem Reformprojekt des Thüringer Strafvollzugs in Verbindung gebracht. Allerdings kommen angesichts der sich wiederholenden Vorfälle gegen GG/BO-Aktivisten in den Haftanstalten begründete Zweifel auf. Dennoch: Jede Verbesserung der Situation der inhaftierten Beschäftigten und Beschäftigungslosen ist aus unserer Sicht zu begrüßen. „Wir sind gleichfalls offen für einen Dialog mit der JVA-Leitung in Untermaßfeld und dem Justizministerium im Freistaat Thüringen, um die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit für inhaftierte Gewerkschafter_innen gewahrt zu sehen,“ betont unser Bundessprecher, Oliver Rast. Und er fügt an: „Die JVA-Leitung in Untermaßfeld wird sich an den Umstand gewöhnen müssen, dass auch 'ihre' Haftanstalt seitens der Gefangenen keine gewerkschaftsfreie Zone mehr ist.“

 

Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)

 

Berlin, 30. August 2015

 

PRESSE-MITTEILUNG DER GEFANGENEN-GEWERKSCHAFT/BUNDESWEITE ORGANISATION (GG/BO)

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GG/BO-Kontaktdaten:

Gefangenen-Gewerkschaft/Bunesweite Organisation (GG/B0), c/o Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin

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Pfändungsschutz für Inhaftierte in Thüringen und anderswo

GG/BO-Mitglieder in der Südthüringer Haftanstalt Untermaßfeld, die seit einigen Tagen ein (kleines) Politikum ist, fordern einen Pfändungsschutz für den Minimalverdienst aus der verpflichtenden Gefangenenarbeit.
Die bisherige Praxis, dass finanzielle Eingänge aus der Beschäftigung vom Eigengeldkonto der Inhaftierten bei vorliegenden Pfändungen komplett Monat für Monat seitens der Vollzugsbehörde abgeräumt werden, verschärft die prekäre Situation selbst arbeitender Gefangener in der Haft enorm.
Inhaftierte haben uns über unseren Sektionssprecher, David Hahn, bereits mehrmals mitteilen lassen, dass neben der Billiglöhnerei hinter Gittern der fehlende Pfändungsschutz in den Haftanstalten Thüringens unter den Inhaftierten ein soziales Dauerthema ist. Die Arbeitskraft der Gefangenen wird nicht nur beinahe zum Nulltarif mitunter im Akkord ausgebeutet, nein, das geringe Salär, was die Haftarbeiter_innen einspielen, landet zum Großteil in der Justizkasse.
Ein sozialer Absturz ist bei einigen Inhaftierten oder Entlassenen zudem deshalb vorprogrammiert, da in Thüringen das so genannte Überbrückungsgeld abgeschafft wurde.

Unsere Devise ist klar: Pfändungsschutzgrenze einziehen und Armutsspirale im und nach dem Knast stoppen!

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