Angriff gegen türkisches Generalkonsulat in Zürich

Symbolbild Explosion

Wir haben in der Nacht vom 25.08 auf den 26.8.2015 ein Auto auf dem Gelände des türkischen Generalkonsulats an der Weinbergstrasse 65 in Zürich mit einem Sprengkörper angegriffen, nachdem der türkische Staat in den vergangenen Wochen einen Grossangriff mit Rückendeckung der USA, der NATO und dem Barzani-Clan im Irak gegen die fortschrittlichen Kräfte in der Region lanciert hat. Wir solidarisieren uns mit dem Kampf für ein freies Rojava und dem Kampf der revolutionären Bewegung in der Türkei!

 

Nach einer längeren Zeit der Strategie der Spannung und dem Massaker von Suruc am 20. Juli, wo mehr als 30 GenossInnen verschiedener politischer Tendenzen starben und Dutzende verletzt wurden, hat der türkische Staat zum offenen Angriff gegen die fortschrittliche Bewegung geblasen. Einerseits ist dieses Vorgehen Kontinuität in der Kollaboration der AKP mit dem "Islamischen Staat" und im Kampf der AKP gegen die fortschrittlichen Kräfte. Denn seit die Stadt Kobane an der syrisch-türkischen Grenze im Herbst vergangenen Jahres massiv vom "IS" angegriffen wurde und die militärische Auseinandersetzung sowie die Befreiung Kobanes zu internationalen Bezugspunkten im revolutionären Prozess wurden, zeigte sich immer wieder wie der türkische Staat die Gangs des "IS" begünstigte, während die KämpferInnen der YPG/J möglichst sabotiert wurden. Dies zeigte sich beispielhaft am Umgang mit den Verletzten aus Syrien, während "IS"-Angehörige problemlos in die Türkei transportiert werden konnten und dort keine grosse Befürchtungen haben mussten, mussten KämpferInnen der YPG/J über die Grenze geschmuggelt werden und dann damit rechnen, im Spitalbett verhaftet zu werden. So wurden vor kurzem gar sechs verletzte YPG/J-KämpferInnen durch die Türkei an die Al-Nusra-Front ausgeliefert! Andere Beispiele sind das Verweigern eines humanitären Korridors nach Kobane für Medizin oder Nahrungsmittel, die dokumentierten Waffenlieferungen an den "IS" durch den türkischen Geheimdienst MIT oder das offensichtliche Dulden von Rekrutierungszentren des "IS" in der Türkei. Insofern ist der Angriff in Suruc am 20. Juli (währenddem Kobane zeitgleich mit Autobomben angegriffen wurde), der in dieser Stadt nur mit Unterstützung des MIT und anderer Sicherheitsorgane des türkischen Staats möglich war, nur die konsequente Fortführung der Politik der AKP gegen die Bewegung.

Andererseits ist dieser Angriff natürlich auch eine Eskalation, eine qualitative Veränderung im Angriff gegen die revolutionäre Bewegung in der Region. Es war nicht der erste "IS"-Angriff gegen die fortschrittlichen Kräfte in der Türkei im Rahmen einer staatlichen Strategie der Spannung (erinnert sei an die Bomben gegen Veranstaltungen der legalen HDP, aber auch an den hinterhältigen Angriff auf Kobane am 25. Juni von türkischem Boden aus), aber in seiner Qualität und Zielsetzung explizit gegen die Solidarität dennoch verschiedenartig zu vorher. Dies zeigt sich auch in dem, was die AKP-Regierung nun damit macht. Das Massaker von Suruc war der Auftakt zu einem grossangelegten Angriff des türkischen Staats gegen alle revolutionären Kräfte (während der Staat zuvor via dem "IS" die Bewegung angriff, tut er es jetzt offen mit seinen eigenen polizeilichen und militärischen Kräften). Dieser Angriff wird wohl von (mindestens) zweierlei Motivationen getrieben.

Zum einen wird Erdogan darauf spekulieren, dass in einem Klima des Kriegs und der Angst bei Neuwahlen die AKP den Stimmenanteil erhält, welcher ihnen die Einführung eines präsidialen Systems nach ihrem Gusto ermöglicht. Zum anderen geht es aber sicherlich auch ganz grundsätzlich darum, dass eine Möglichkeit gewittert wurde, dem dortigen revolutionären Prozess einen Riegel zu schieben. Nebst der geostrategischen Bedeutung der Gegend an sich, wo es allgemein im Interesse der imperialistischen Kräfte wäre, ihnen wohlgesinnte Gruppen an die Macht zu setzen (wie der Barzani-Clan im Nordirak), hat der Kampf um Kobane und dann Rojava auch eine politische Dimension erreicht, welche den Herrschenden ein Dorn im Auge ist. Denn der Kampf dort zeigt, dass eine Perspektive abseits von kapitalistischer und imperialistischer Logik möglich ist.

Diese Dimensionen gilt es nicht ausser Acht zu lassen, wenn man die aktuellen Geschehnisse einzuordnen versucht. Und so ist es nur konsequent, wenn die USA und die NATO die Luftangriffe der Türkei gegen Kandil oder die polizeilichen und militärischen Angriffe gegen Städte oder Quartiere mit einer starken Präsenz revolutionärer Kräfte billigt. Nicht nur weil ihnen die Benutzung des Flugplatzes Incirlik in der Türkei erlaubt wurde, sondern auch weil es ihnen durchaus in den Kram passt, wenn Rojava von Kräften wie dem Barzani-Clan beherrscht werden würden, welche in ihrer Geschichte immer wieder ihre Treue gegenüber imperialistischen Kräften bewiesen haben.

Trotz oder gerade wegen der zunehmenden Komplexität in der Auseinandersetzung in der Region, darf das Grundlegende nicht vergessen gehen. Die Bewegung in Rojava ist ein emanzipatorischer Moment mit einer unheimlichen Kraft, es gilt nicht abseits zu stehen, sondern solidarisch diesen Weg zu begleiten. Dasselbe gilt für die revolutionären Kräfte in der Türkei, deren Erstarken auch massgeblich durch die Erfahrungen im Kampf um Gezi-Park und jetzt durch die Inspiration aus Rojava begünstigt wird, und die es angesichts von Angriffen des türkischen Staats, welche mithin Exekutionen von Militanten beinhalten, selbstverständlich zu unterstützen gilt. Internationale Solidarität ist praktisch und nicht einfach abhängig von saisonalen Schwankungen, sondern getrieben durch die Notwendigkeit der Praxis aufgrund politischer Bezugspunkte und Prinzipien. Wir stehen nicht heute hier, morgen dort, sondern an der Seite der revolutionären Kräfte im Kampf für eine Gesellschaft mit sozialistischen Elementen. Es gibt darin verschiedene Formen der internationalen Solidarität, eine war die Unterstützung der Verteidigung von Kobane durch massiven Druck auf den Strassen Europas, andere sind die Unterstützung im militärischen Kampf (wie im Rahmen der kommunisischen Internationalen Freiheitsbrigade) oder beim Wiederaufbau der zerstörten Städte (wie es die Kampagne der am 20. Juli in Suruc angegriffenen Föderation sozialistischer Jugendverbände war, welche verschiedenste Kräfte zusammenführte). Schliesslich ist es ein Beitrag, den revolutionären Prozess hier voranzutreiben und ihn mit dem revolutionären Prozess dort zu verbinden, um gemeinsam voranzugehen.

Solidarität und Kraft allen KämpferInnen für ein freies Rojava!
Solidarität und Kraft allen im Kampf für eine revolutionäre Perspektive!

Für eine revolutionäre Perspektive