In Frankreich schlägt die Homo-Ehe hohe Wellen. In Notre-Dame erschoss sich ein Mann – weil er gegen Schwule protestieren wollte. Der Tote hat den lupenreinen Lebenslauf eines intellektuellen Rechten.
Die Konterrevolution schreitet voran. Wenigstens in Frankreich. Ein spektakulärer Selbstmord in der Pariser Kathedrale Notre Dame ist die jüngste Etappe. Die Identität dessen, der sich vor wenigen Tagen dort erschoss, ist inzwischen geklärt, seine Motive sind bekannt. Der da Selbstmord im Dom verübte, heißt Dominique Venner. Er tat es aus Gram um die Schwulenehe. Das versichern seine Freunde. Er empfand das Sakrament der Ehe als beschmutzt.
Nun muss man allerdings sagen, dass in keinem Land Europas die Widerstände gegen die Homo-Ehe so massiv sind wie in Frankreich. Hunderttausende sind dagegen auf die Straße gegangen. Muss man die "France profonde" (das eigentliche Frankreich) tatsächlich als tiefer im christlichen Glauben verwurzelt betrachten als das ländliche Spanien, die deutsche Provinz? Oder ist einfach nur der Hass auf die moderne Zivilisation, zu der eben auch die Sichtbarkeit von Homosexuellen gehört, besonders groß? Der Grund für den spektakulären Selbstmord dürfte ein anderer sein. Er liegt in der Person von Dominique Venner begründet.
Sohn eines französischen Faschisten
Der 78-Jährige war der Sohn eines französischen Faschisten und Nazi-Kollaborateurs. Er tat sich als Fallschirmspringer im Algerienkrieg hervor. Später gehörte er zum Umfeld von Alain de Benoist und seiner "Neuen Rechten", die um 1980 über erheblichen publizistischen Einfluss verfügte. Als der abflaute, verlegte sich Venner auf das Verfassen von Büchern zur Militärgeschichte. Es handelt sich also um einen lupenreinen rechten Intellektuellen-Lebenslauf, wie es ihn in Europa so wohl nur noch in Frankreich gibt.
Und Venner huldigte zwei deutschen Göttern, die mit der Geschichte der französischen Nazi-Kollaboration eng verknüpft sind: Ernst Jünger und Friedrich Sieburg. Beide werden von den französischen Rechten umstandslos dem Nationalsozialismus zugeschlagen. Was ein bedauerlicher Irrtum ist. Ernst Jünger kam nach Frankreich, weil er die Nazis hasste. Er mied sie, so gut es ging.
Ernst Jünger und Friedrich Sieburg als Leitfiguren
Sieburg war allerdings verführbarer. Der Starjournalist ging Kompromisse ein, auch aus Karrierekalkül – allerdings mochte auch er in Nazi-Deutschland nicht leben und zog Frankreich vor. Und nach 1945 hat er als Sprachrohr des universalistischen Frankreich die intellektuelle Westbindung Nachkriegsdeutschlands zu seinem Projekt gemacht, was seine persönliche Art darstellte, Buße zu tun.
Von Homophobie kann bei den beiden deutschen Autoren gleichfalls keine Rede sein. Sieburg hat anlässlich einer Huldigung an Antoine de Saint-Exupéry (den Verfasser von "Der kleine Prinz") sogar gestanden, er wäre selbst gern schwul gewesen, um diesen tollen Typen lieben zu können. Und er hat in der homophoben Adenauer-Ära viel Verständnis für schwule Autoren wie André Gide oder Herman Bang artikuliert. Kurzum: Venner war ein Opfer seiner selektiven Wahrnehmung: Er hat seine deutschen Lieblingsautoren so wenig begriffen wie die Welt von heute.
Alter Artikel von 2013
Einen so alten Artikel unter "Presse" zu veröffentlichen ist etwas verwirrend, es sollte dann wenigsten unter "Erstveröffentlichung" das korrekte Datum (23.05.2013) stehen.
Stimmt
Wir haben das Datum geändert.
Konterrevolution
"Die Konterrevolution schreitet voran" - indem ihre Mitglieder Selbstmord begehen? Wenn das so ist, dann kann die Konterrevolution gerne so weit voranschreiten, bis nichts mehr von ihr übrig ist.
Ich finde: Der Mann ist ein Vorbild für seine Glaubensgenossen. Hätte er sich nicht erschossen, sondern angezündet, könnte man sogar von einem "leuchtenden Vorbild" sprechen ...