Brandanschläge auf Ticketautomaten

Erstveröffentlicht: 
06.08.2015

Der Protest gegen die alljährliche Preiserhöhung der LVB schlägt in militante Aktionen um. Hintergrund sind Forderungen nach einem kostenlosen Nahverkehr.


Im Zuge der Preiserhöhungen des MDV am 1. August gab es mehrere Brandanschläge auf Ticketautomaten. Die Gruppe „service champion“ bekennt sich zu der Aktion auf der Internetplattform "linksunten indymedia". Sie begründet ihr Vorgehen damit, dass trotz steigender Einnahmen der LVB die Ticketpreise jedes Jahr steigen. Frühere Diskussionen und Petitionen im Stadtrat konnten bisher nichts bewirken. Einen kostenlosen Nahverkehr wird es in nächster Zeit wohl nicht geben. In den nächsten Jahren wird es wohl auch nicht zu einem kostenlosen Nahverkehr kommen. Die Gruppe entschied sich zu den militanten Aktionen, um den Ticketkauf für eine gewisse Zeit zu erschweren und Diskussionen in der Öffentlichkeit neu anzuregen. Im Vergleich zu früheren Anschlägen auf Automaten deutet die Tat auf eine linkspolitische Aktion hin. Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz.

Forderungen nach einem kostenlosen Nahverkehr

In Tallinn, Templin und Lübben wird der kostenlose Nahverkehr schon ausprobiert. Tübingen plant ebenfalls, sich diesem anzuschließen. Befürworter sprechen von einem Verkehrsverlagerungseffekt, der dadurch stattfindet. Autofahrer steigen vermehrt auf den Nahverkehr um, sodass es einen Rückgang der Umweltbelastung und der Unfallrate gibt. Zudem könnte kostenloses Bahnfahren eine Entlastung für viele Menschen im Niedriglohnsektor bedeuten, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind.


Finanzierung

Die Finanzierung könnte nach dem Modell von Studententickets erfolgen. Da alle Studenten verpflichtet sind sich ein Ticket zu kaufen ist es für alle günstiger. Zwar müssten alle etwas bezahlen, dies würde aber bei Weitem nicht die Kosten, wie beispielsweise zur Erhaltung und Nutzung von PKW, übersteigen. Viele der potenziellen Veränderungen sind bisher jedoch nur Prognosen. Änderungen der Kostenstruktur können nur vermutet werden und verschiedene Finanzierungsmodelle müssten ausgetestet werden. Vor allem schwierig einzuschätzen sind weitere Faktoren, die neben dem Preis darauf einwirken, warum jemand den öffentlichen Verkehr nutzt und ob der kostenlose Nahverkehr so zum Erfolg oder Misserfolg wird.

 

Bürgerticket in Leipzig?

Die Finanzierungsfrage des öffentlichen Nahverkehrs in Leipzig steht schon länger im Raum. Die Finanzierung lastet immer mehr nur auf den Kommunen. Preiserhöhungen sind so kaum zu verhindern. Eine Entlastung würde durch die Kostenverteilung auf mehrere Schultern erreicht. Ein Bürgerticket könnte bedeuten, dass jeder eine Nahverkehrsabgabe zu leisten hätte. 20 Euro im Monat würde es jeden Bürger der Stadt kosten, um fahrscheinlos unterwegs zu sein. Von vielen Seiten wird das Ticket jedoch als „Zwangsticket“ kritisiert. Werden Alternativen jedoch nicht gefunden, sind weitere Preiserhöhungen auf Kosten der Bürger unumgänglich.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Wer täglich zur Arbeit fahren muss oder 1500 Euro netto ausbezahlt bekommt, für den solch ein Bürgerticket eine feine Sache. Günstiger kommt man an ein Monatsticket nicht.

Wer jedoch von Harz4 seinen Lebensunterhalt bestreitet oder gar noch gegen Sanktionen kämpft, für den sind selbst 20 Euro im Monat eine sehr große Hürde. Darüber hinaus gibt es viele Menschen, welche nicht aus ihrem Viertel hinaus müssen oder wollen. Für die ist ein Bürgerticket ebenfalls ein teurer Luxus.

 

Man kann natürlich an vielen Schrauben drehen, damit sich das System finanzieren lässt. Möglich wäre ein Zwei-Klassen-Modell. Ein günstiges Sozial-Bürgerticket und ein teureres Arbeiter-Bürgerticket. Doch ob man damit die Akzeptanz bei denen fördert, welche die sozial Benachteiligten zum großen Teil mitfinanzieren müssen?

 

Gern wird Tallinn als funktionierendes Beispiel genannt. In Tallinn funktioniert das Bürgerticket aus mehrfacher Hinsicht:

- geringere Arbeitslosenquote, d.h. die Lastverteilung trifft weniger sozial Benachteiligte

- weitaus höhreres Bevölkerungswachstum, d.h. die Zahl der Zahlenden wächst schneller als das ÖPNV-System

- weniger Einwohner. Dies macht eine Berechenbarkeit einfacher und auch die Verfügbarkeit nicht so aufwendig.

- sehr viel kleineres ÖPNV-System. Es gibt in Tallinn nur Busse und Straßenbahnen. Die fahren täglich von 6 Uhr bis 23 Uhr.

 

p.s.: Lasst Eure angestaute Wut weiter ruhig an den Fahrkartenautomaten aus. Solange nicht verstanden wird, wieso ein Bürgerticket hier nicht ganz so einfach umzusetzen ist, ist dies wohl die beste alternative Demonstrationsdarbietung.