[Wien] Anti-Anti! Zur Hölle mit dem "Marsch der Familie"!

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Sexismus, Antisemitismus, Homophobie und ihren Prediger_innen den Mund verbieten!

Am 20. Juni erwartet uns nach dem Akademikerball, PEGIDA und den „Identitären“ nun die nächste Zusammenrottung homophober, rassistischer, sexistischer und faschistischer Banden. Die „Plattform für die Familie“ mobilisiert wie jedes Jahr zu einer Gegendemonstration gegen die Wiener Regenbogenparade. In den letzten Jahren gab es unter dem Motto „Anti-Anti“ bereits Proteste und Blockadeversuche dagegen. Letztere scheiterten am unnachgiebigen Willen der Wiener Polizei, Rechtsextremen aller Couleur immer wieder aufs Neue den Weg freizuprügeln. Dass dabei beispielsweise die Faschisten der „Europäischen Aktion“ laufen, einige Antifaschist_innen jedoch festgenommen wurden, gilt in Wien mittlerweile als trauriger Klassiker.

 

Neben christlichen Fundamentalist_innen, „Väterrechtler“ und Pro-Vita-Abtreitungsgegner_innen ist wieder mit der Beteiligung der Europäischen Aktion zu rechnen. Ebenso begleiten die Rechtsextremen von gloria.tv den Aufmarsch jährlich mit ihrer Kamera. Auch die polnisch-nationalistische WIN (Wiedenska Inicjatywa Narodowa), die 2014 versuchte, Linke zu attackieren und heuer einen Vortrag des Shoah Überlebenden Zygmunt Bauman mit antisemitischen Sprechchöre störte, ruft heuer wieder zur Beteiligung auf. 

Neu dabei in der Melange des Grauens dürfte am Samstag der „Identitäre“ Aktivist und Ex-Presse-„Sprecher“ der PEGIDA, Georg Immanuel Nagel, mit seinem neuesten Projekt – der Gruppe gegen Dekadenz und Werteverfall – sein. Sein Mobilisierungsfaktor kann jedoch als extrem gering eingeschätzt werden.

 

Gänzlich lächerlich oder unbedeutend ist der Aufmarsch trotz seiner quantitativen Schwäche nicht: inhaltlich werden hier durchaus mehrheitsfähige Positionen zugespitzt propagiert. Auch in Zeiten von Ampelpärchen und Conchita Wursts ist die Gabalier-Republik meilenweit von einer sexuellen Selbstbestimmung entfernt. Zum Einen werden Menschen außerhalb der heteronormen Vorstellungen bürgerliche Rechte (Adoption, Ehe, Anerkennung als Trans*-Rechtssubjekt) verwehrt, zum Anderen haben sie mit Repressalien (Übergriffe, Beleidigungen, Gewaltakte) zu rechnen. Hinter der regenbogenfarbenen Fassade der Republik steckt die Realität: eine Trans-Person würde wahrscheinlich in wenigen „traditionellen“ Wiener Cafés eine Anstellung finden. Hier halten es die Bertreiber_innen wohl wie die meisten Bürgermeister_innen mit Geflüchteten: „Asylunterkünfte? Ja, gerne, nur nicht bei uns!“. Was Feminismus angeht, ist Nagels Sprech von „Genderfaschismus“ – wenn auch in andern Worten – durchaus gängige Meinung der meisten Österreicher_innen. Der antifeministische Backlash wird immer stärker und sexistische Schönheitsnormen, repressive Vorstellungen weiblicher Sexualität oder eine Mainstream-Kultur, die als „rape culture“ beschrieben werden kann, sind nur wenige Beispiele dafür, dass nicht einmal die offensichtlichsten Ausformungen des Sexismus erkannt, geschweige denn bekämpft werden.

 

Zum Zusammenhang von Kapitalismus, Subjektform und Homophobie

Die Anforderungen an das bürgerliche vergeschlechtlichte Subjekt innerhalb der kapitalistisch verfassten Arbeitsgesellschaft mit all den Entsagungen und Kränkungen, die damit einhergehen, führen notwendigerweise zu Projektionen, an denen die vom Subjekt abgespaltenen Regungen (in der Verfolgung) ausgelebt und gegeißelt werden können.

Gegen die Individualisierung und damit partielle Befreiung der Lust, die mit Ausschweifung und Sittenverfall gleichgesetzt wird, werden von religiösen Fundamentalist_innen ein rigider Moralkodex und ein strenges Sittengesetz errichtet, die sich neben den Frauen und deren „verderblichen Reize“ auch gegen die Homosexuellen richtet, welche mit ungehemmten und damit „gemeinschaftsschädlichen“ Triebregungen identifiziert werden.

Die mit der rigiden Moral und dem strengen Sittenkodex nicht in Deckung zu bringenden Triebansprüche werden projiziert und am (beispielsweise homosexuellen) Ersatzobjekt gewaltsam bekämpft und sollen mit diesem vernichtet werden. „Regungen, die vom Subjekt als dessen eigene nicht durchgelassen werden und ihm doch eigen sind, werden dem Objekt zugeschrieben: dem prospektiven Opfer.“ (Horkheimer/Adorno, Dialektik der Aufklärung) Die akribische Beschäftigung mit Sexualpraktiken von Homosexuellen, welche bei manchen Anti-Gay Pride Protesten sogar bildlich zur Schau gestellt, aber immer nur in Verbindung mit den Strafen für dieses sündige Verhalten thematisiert werden, ist bemerkenswert.

Das triebhafte Verlangen wird nicht sublimiert sondern bekämpft. Das Idealbild des den diesseitigen Gelüsten völlig enthobenen Menschen kann aber notwendigerweise niemals erreicht werden. Die Anstrengung gegen sich selbst erweist sich so als zwanghafte Form der Verdrängung, die ohne pathische Projektion nicht auskommen kann: Sie benötigt zwangsläufig das Feindbild, dem all das aufgebürdet werden kann, was das Selbst als eigenes nicht wahrhaben will. Die Anstrengung gegen die sündigen Triebe, mittels dessen sich der Einzelne zu einem gottgefälligen Exemplar der Gemeinschaft zurichten soll, entpuppt sich so als Kampf gegen innere und äußere Feinde.

 

Die Strafphantasien, die gegen die projektiven Feindbilder ausgelebt werden, dienen solcherart der Herstellung von Gemeinschaft. Die störenden und verunsichernden Impulse werden mittels Projektion als von außen, durch die „westliche Dekadenz“ oder die „Homolobby“, in das an und für sich harmonische Kollektiv eindringende imaginiert.

Die sich im Hass auf Homosexuelle ausdrückende Verteufelung des Triebes und der Sexualität ist nur in Vermittlung mit dem antizivilisatorischen und antisemitischen Ressentiment zu denken. Der zutiefst sexuell konnotierte Hass auf die Zivilisation, der sich letztendlich im antisemitischen Ressentiment ausdrückt, findet in den Homosexuellen notwendig ein weiteres Ersatzobjekt: Diese werden von den religiösen Fundamentalist_innen aller Couleur als vollständig verkommene Menschen imaginiert, die, von den Verlockungen der „befreiten Triebe“ in Versuchung geführt, den wahren Glauben verraten. Sie werden imaginiert als Menschen, die sich bloß ihren Gelüsten überlassen, womit sie zu „Gemeinschaftsschädlingen“ erklärt werden. Es ist ein Kampf gegen weltliche Freuden, gegen Ausschweifung und Sinnlichkeit, gegen Genuss und Hingabe. Was den Einzelnen in der kapitalistischen Gesellschaft nicht zu Teil werden kann, und was sie in weiterer Folge auch sich selbst versagen, das soll auch keinem anderen zukommen. Gegen die Versprechungen gleichberechtigter Liebe und selbstbewusster Sexualität ohne Reproduktionszwang, die in der modernen Gesellschaft immer auch mit Verunsicherungen und Kränkungen einhergehen, wird die „kulturell eingebundene Sexualität“ samt dem ihr notwendig immanenten Hass auf alles Abweichende verteidigt.

Homosexualität gefährdet in dieser Logik eine naturalisierte, patriachale Gesellschaftsordnung. In Reaktion wird männliche Homosexualität „verweiblicht“ und attackiert, weibliche Homosexualität ausgeblendet. In patriarchalen, kapitalistischen Verhältnissen hat es lange Tradition, weibliche Sexualität, die nicht in Abhängigkeit von Reproduktion und Objektivierung steht, zu negieren oder zum Objekt sexualisierter Projektion zu machen.

 

Die christlichen Fundamentalist_innen sind daher nur im Zusammenhang mit dem Ganzen der kapitalistischen Vergesellschaftung, ihrer Subjektform und der daraus erwachsenden Ideologie, sowie den wahnhaften Denkformen zu kritisieren. Die uneingelösten Versprechungen der modernen Gesellschaft, welchen die religiösen Fundamentalist_innen den Garaus machen wollen, sind einzig der Vorschein auf das, was möglich wäre.

 

Auch wenn uns der Umsturz des patriarchalen Kapitalismus am Samstag kaum gelingen wird, können wir den Fans dieser und noch schlimmerer Gesellschaftsordnungen ein ordentlich deftiges „FUCK YOU“ ins Gesicht brüllen!

Wir rufen deshalb dazu auf, den Aufmarsch der Sexist_innen und ihrer rechtsextremen Kamerad_innen zum regelrechten Desaster zu machen. Der Kampf gegen Sexismus und Homophobie ist ein Kampf ums Ganze: Staat, Nation, Kapital, Patriarchat überwinden! Für Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen!

SAMSTAG, 20.06., 14 UHR, STEPHANSPLATZ
„Marsch für die Familie“ verhindern!
ALERTA ANTISEXISTA!

 

Twitter Hashtag für Samstag wird wieder #antianti sein!

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