++ Demo gegen die Fleischindustrie
++ 50 bis (zwischenzeitlich) 100 Teilnehmer_innen
++ Protest direkt vorm Schlachthof
++ Fackelmarsch
Wir hoffen, dass dieser Artikel "erfrischender" und "mal was Anderes" ist, als die ganzen sachlichen Demo-Berichte, die hier sonst immer zu finden sind... Natürlich freuen wir uns über inhaltliche Ergänzungen! (Simone, die Protagonistin des Textes, kann als Personifikation von mehreren Menschen gesehen werden, die tatsächlich bei der Demo waren.)
12. Dezember 2009, 6 Uhr morgens. Der Wecker klingelt. Nach dem Aufstehen werden schnell noch ein paar vegane Brote geschmiert, bevor es losgeht. Simone muss sich beeilen, damit sie pünktlich am Bahnhof ist. Heute hat sie gemeinsam mit einigen Genoss_innen eine lange Zugfahrt vor sich. Nach Wittlich soll es gehen. Dort findet heute die vom "Bündnis für die Schließung des Schlachthofs Wittlich" (BSSW) veranstaltete Demonstration gegen den von der "Simon Fleisch GmbH" betriebenen Schlachthof in Wittlich und die gesamte Fleischindustrie statt. Obwohl Wittlich ein Kaff mit etwas mehr als 17.000 Einwohner_innen ist und Simone stundenlange, ungemütliche und überteuerte Zugfahrt ertragen muss, hat sie sich dazu entschlossen, die Genoss_innen in Wittlich zu unterstützen. Simone ist Anarchistin und Veganerin und will ihre Ideen einer herrschaftsfreien Welt, in der die Menschen respektvoll mit ihren Mitlebewesen und der Umwelt umgehen, in die Öffentlichkeit tragen. Da kommt so eine Demo gerade richtig. Diesen Samstag hat sie sowieso nix Anderes vor.
Nach einer anstregenden Zug- und Busfahrt kommt Simone mit ihren Genoss_innen auf dem "Platz an der Lieser" an, wo die Auftaktkundgebung stattfindet. Dort fällt ihr Blick als erstes auf die aufgebaute Videoleinwand. Zu sehen sind Bilder von Schlachtungen, Legebatterien und anderen Tierausbeutungsbetrieben. Dazu ist veganarchistische Rap-Musik zu hören. Simone kennt dieses Video. Vor einigen Jahren wurde sie durch genau dieses Video Veganerin. Noch heute gehen ihr diese Bilder sehr nahe. Auch an einigen uniformierten Vertreter_innen der Exekutivgewalt des Staates scheinen diese Szenen nicht spurlos vorbeizugehen: Ein Polizist hat Tränen in den Augen, als er sieht, wie einer Kuh die Kehle aufgeschlitzt wird. „Ob er daraus Konsequenzen zieht und aufhört Leichenteile zu essen?“, fragt sich Simone. Nachdem der erste Schreck über die gezeigten Bilder überwunden ist, beäugt Simone die anderen Demoteilnehmer_innen. Ihr Blick fällt auf einen Aufnäher. „Schwarzer Block – Solidarisch. Praktisch. Gut.“ ist darauf zu lesen. „Sind ja doch einige vernünftige Leute hier“, denkt Simone. Auf dem Platz sind drei Infostände aufgebaut. Dort wird neben Buttons, Aufklebern und Aufnähern eine vielfältige Zahl von Flugblättern, Zeitschriften und veganen Rezepten angeboten. „Revolution starts in your kitchen“, heißt eine kleine aber feine Rezeptesammlung. „Das Rezept für veganes Tiramisu werde ich gleich morgen ausbrobieren!“, denkt Simone. Sie ist entrüstet, als ihr die Bücher "Animal Liberation" von Peter Singer und "Für die Tiere ist jeden Tag Treblinka" von Charles Patterson ins Auge fallen. Denn Singer befürwortet Euthanasie und Patterson setzt den Mord an Tieren mit der Shoah gleich. Simone hält diesen Vergleich für absolut unangemessen, weil dabei die (politischen) Intentionen völlig ausgeblendet werden und die Singularität der Shoah in Frage gestellt wird.
Als sich die Teilnehmer_innen gegen halb zwei zu einer Demo formieren, breiten Simone und ihre Genoss_inenn das mitgebrachte Transparent aus. Weil sie sich nicht als Tierschützer_innen oder Tierrechtler_innen, sondern als Tierbefreier_innen verstehen, haben sie das Logo der Animal Liberation Front auf ihr Transpi gemalt. Sie haben großen Respekt vor Menschen, die ihre eigene "Freiheit" aufs Spiel setzen, um das Leben von unschuldigen Tieren zu retten. Die Demo zieht los und bringt mit lauten Parolen gegen Fleischkonsum die scheinbare Kleinstadt-Idylle etwas ins Wanken. Als aus der ersten Metzgerei, an der Halt gemacht wird, ein Mann mit einem Schnitzelbrötchen in der Hand herauskommt und die Demoteilnehmer_innen demonstrativ angrinst, ist nicht nur Simone entrüstet. „Was für ein blödes Arschloch!“, scheinen einige zu denken. Als die Demo weiterzieht, fragt sich Simone, warum die Route fast ausschließlich durch fast menschenleere Straßen führt. "Die Route sollte näxtes Mal besser durchdacht werden", ist sie sich sicher. Vor der zweiten Metzgerei muss sie das sarkastische Grinsen des Metzgers ertragen, der sich die Demonstration aus nächster Nähe ansieht und offenbar belustigt ist, über den Protest, der gegen ihn und seine hanebüchenen Taten geäußert wird.
Nachdem an jeder Metzgerei Redebeiträge gehalten wurden, die über die „Simon Fleisch GmbH“ im Speziellen und Fleischkonsum im Allgemeinen informierten, geht es in das Wohngebiet, in dem der Besitzer des Schlachthofes wohnt. Aufgrund polizeilicher Veranlassung darf die Demo nicht näher als 200 Meter an die Villa des Schlachthofbesitzers heran. Als einige engagierte Menschen in schwarzen Klamotten mit Transpis in Richtung des Hauses gehen, zeigt die örtliche Polizei, dass sie auf Situationen, die nicht dem geplanten Demoverlauf entsprechen, eher dürftig vorbereitet ist. Eine Reihe von Polizist_innen, die sich offenbar in der Ausbildung befinden, läuft stolpernd und sichtlich überfordert über eine Wiese, um den „Ausgebrochenen“ den Weg zu versperren. „Ach so, das war gar nicht die Route!?“, hört Simone eine engagierte Person ihren "Ausbruch" erklären, als alle zurück zum Rest der Demo gehen.
Nach einem kurzen Spaziergang durch die Stadt ziehen die Tierrechtler_innen und Tierbefreier_innen mit Fackeln zum Schlachthof, um ihrer Wut direkt vor Ort Ausdruck zu verleihen. Simone ruft mit anderen zusammen Parolen, um ihrem Ärger zeitweilig Luft zu machen. „Hass! Hass! Hass wie noch nie! Auf die gesamte Fleischindustrie!“, tönt es aus fast 50 Kehlen. Den Schlachter, der zwischenzeitlich auf dem Vorplatz des Schlachthofes erscheint, um sich das Spektakel anzusehen, scheint es kaum zu interessieren, dass es Menschen gibt, die seinen Beruf total scheiße finden. Simone hat - trotz der lauten Parolen - ein komisches Gefühl im Magen. "Irgendwie", denkt sie, "bringt das hier nicht wirklich etwas. Friedlicher Protest ist für die Existenz des Schlachthofes keine große Gefahr." Sie denkt an Aktionen der ALF, bei denen Schlachthöfe abgefackelt wurden und danach nicht wieder aufgebaut wurden. Nachdem sich viele die Seele aus dem Leib geschrien haben, geht es zurück zu den Infoständen, wo die Aktivist_innen mit veganer Kürbissuppe empfangen werden. "So eine warme Suppe ist jetzt genau das Richtige!", freut sich Simone, die ein wenig friert. Nachdem sie und ihre Genoss_innen sich ausreichend mit Suppe gestärkt und gewärmt haben, treten sie die Rückreise an. Auf die ungemütlichen Zugsitze hat Simone schon jetzt keine Lust. Aber was sein muss, muss leider sein. Denn in Wittlich möchte sie sicherlich nicht übernachten.
Als Simone endlich in ihr warmes Bett fällt, lässt sie den Tag revue passieren. Sie ist sich nicht sicher, ob sie zur nächsten Demo in Wittlich fährt. "Es war ja nicht gerade ein Knüller", denkt sie. "Doch wenn ich wieder nix Anderes vor habe, überlege ich es mir."
straight meat for live
straight meat for live
people eating tasty animals
wegen der gesundheit der hühner
ohne singer gelesen zu haben, eine anmerkung zum buch von patterson, was mich sehr berührt hat: ich denke, simone hat das buch von patterson gar nicht gelesen. eine behauptung, ich weiß. aber der titel des buches ist von einem schriftsteller, der sich wundert, daß die erfahrung der shoa bei seinen, wie er sagt mitmenschen/mitjuden, so wenig mit-leid mit den tieren hervorruft. (kommt jetzt bitte nicht mit wörter auf die goldwaage). patterson stellt nicht die singularität der shoah in frage, völliger unsinn. aber, tangiert uns das millionenfache leid der"tiere" wirklich? Heute? sehen wir die gründe dafür und engagieren uns dagegen?...dem chef hallo gesagt, die miete pünktlich überwiesen???...bisschen vegan reicht nicht. vielleicht hart, aber herzlich und anarchovegan