Griechenland: Beendigung des Hungerstreiks, Erklärung von Nikos Maziotis, Mitglied Revolutionärer Kampf

Nikos Maziotis

Am 5. April 2015, kündigte der anarchistische Gefangene Nikos Maziotis das Ende seines Hungerstreiks an.

Nach 35 Tagen des Kampfes, beende ich den Hungerstreik, den ich am 2. März zusammen mit anderen GenossInnen begann. Ich habe beschlossen, dies zu tun nicht aufgrund der Tatsache, dass ich die Grenzen meiner Belastbarkeit erreicht habe, sondern weil ich glaube, dass die Entwicklungen im Kontext dieses Kampfes abgeschlossen sind und das diesbezügliche Potenzial erschöpft ist, auch unter Berücksichtigung der Solidaritätsbekundungen die stattgefunden haben.

 

Ich habe beschlossen den Hungerstreik jetzt auszusetzen, nachdem das Justizministerium den Gesetzesentwurfs vorgelegt hat und sehe keinen Sinn darin, noch mindestens 10 Tage bis nach Ostern zu warten, bis es zur Abstimmung kommt. Ich bin aber weiterhin sehr misstrauisch betreffend alle Änderungen, die das Ministerium in Bezug auf das Vermummungs- oder DNA-Gesetz vorlegt; weil die Regierung bereits gezeigt hat, wie unzuverlässig sie bei der Erfüllung ihrer Proklamationen ist.


Ich habe am Hungerstreik mit einem gebrochenen Arm teilgenommen, eine Verletzung die mir während meiner Festnahme zugefügt worden ist. Eine Fraktur, deren Heilung einige Zeit dauern wird, Monate vielleicht oder mehr als ein Jahr. Die Forderungen, die ich zusammen mit anderen inhaftierten GenossInnen unterstütze haben rein politischen Charakter, da sie gegen den "Anti-Terror" und repressiven Kern des Staates gerichtet sind. Ich hatte von Anfang an keine Illusionen, dass alle Forderungen, wie zum Beispiel die Abschaffung des 187A Antiterrorgesetzes und das Gesetz 187 über kriminelle Vereinigungen, "realistisch" erreichbar sind, aber sie mussten aus politischen Gründen vorgebracht werden.


Der Lauf der Ereignisse zeigte, dass die SYRIZA-Regierung sich in einer sehr schwierigen Lage befand, aber gleichzeitig nicht so anfällig für politischen Druck durch den Kampf der politischen Gefangenen und solidarischen Menschen ist, wie manche glauben möchten. Stattdessen ist sie anfälliger für Druck vom rechten Flügel, wo es eine grössere Sensibilität für Fragen des "Anti-Terror" und repressive Politik gibt. Diejenigen, die, während sie in der Opposition waren, angeblich für die Rechte von Gefangenen "kämpften" und sich gegen die "Anti-Terror" Gesetze äusserten, wie die jetzigen Minister für Justiz und öffentliche Ordnung. Die, die sich gegen das Vermummungsverbot stellten, sind jetzt an der Macht und führen die Regierung. Sie wurden mit dem ersten Hungerstreik der politischen Gefangenen konfrontiert, der auf eine Durchsetzung ihrer Bekenntnisse hinweist.


Jetzt an der Macht, haben sie in sehr kurzer Zeit alles widerlegt, was sie vor den Wahlen in Bezug auf das Memorandum und die Schulden sagten und es wird erwartet, dass sie die Antiterrorgesetze intakt lassen. Nachdem sie alles akzeptiert haben - das Memorandum, die Schulden, die Troika, die Auswertung – die sie als sie in der Opposition waren ablehnten, nachdem sie die Abhängigkeit vom Internationalen Währungsfonds und ausserdem die Abhängigkeit von den USA akzeptiert haben – bedeutet dies auch, dass es unmöglich ist, für die Aufhebung der Anti-Terrorismus Gesetze zu sein - wählten sie eine Verzögerungstaktik beim Kampf durch Hungerstreik politischer Gefangener, und legten bereits nach einem Monat einen angekündigten Gesetzentwurf mit Änderungen vor, mit dem Schaden für die Gesundheit und das Leben von inhaftierten GenossInnen riskiert wird, wie im Fall des Genossen [Michalis] Nikolopoulos, der dem Tode nahe kam und vielleicht bleibende Schäden erlitten hat. Sollte dies so sein, so wird dieser Kampf mit einem hohen Preis bezahlt; darüber hinaus wird es eine "Leistung" der linksgerichteten Regierung von SYRIZA sein, so dass sie eine unauslöschliche Spur hinterlassen, weil keine andere griechische Regierung in der Vergangenheit einen Hungerstreikenden bleibende Schäden hat erleiden lassen.


Ich werde nicht von Begriffen wie Sieg oder Niederlage sprechen. Unabhängig vom Ergebnis ist der Kampf der politischen Gefangenen von grosser Bedeutung und grossem Wert. Es ist der erste Hungerstreik der politischen Gefangenen, und wie ich schon sagte, geht dieser Kampf weit über seine direkte Bedeutung. Es ist die einzige kämpferische politische Mobilisierung, mit der die SYRIZA-Regierung bisher konfrontiert wurde. Dieser Kampf hat die Illusionen einer linken Fassade der Macht, einer linken Krücke des Kapitalismus, einer linken Regierung der Krise ausgeräumt. Das ist das grosse politische Erbe, das dieser Kampf hinterlassen hat und in dieser Hinsicht sind wir auf jeden Fall die GewinnerInnen.


Nikos Maziotis, Mitglied des Revolutionärer Kampf

Domokos [Typ C] Gefängnis

 

weitere Infos: www.political-prisoners.net | www.rhi-sri.org | de.contrainfo.espiv.net

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Die totale Entsolidarisierung einiger Anarchisten nervt. Syriza hatte bisher kaum Zeit und Möglichkeit, zu zeigen dass sie wirklich die "linke Krücke des Kapitalimus" sind. Im Gegenteil, solche vorschnellen Zuschreibungen sind eher das Wunschdenken einiger skuriler Anarchos, von denen man auch nicht weiß, ob wo sie tatsächlich stehen. Wo sind deren politischen Konzepte, was für eine Gesellschaft wollen diese Leute? Bei Syriza zeigt sich deutlich, dass sie einerseits eine Poltik für die verarmten Massen machen wollen, andererseits die Eurogruppe, also die Kapitalisten, nicht völlig vergraulen können, denn ohne deren Billigung wird es für Syriza MOMENTAN schwer, überhaupt irgendetwas zu machen. Im Fall einer Staatspleite würde Syriza sofort die Mehrheit verlieren, und das würde den Anarchos und anderen Linken garnichts bringen, außer konkrete militante Außeinandersetzung mit den dann erstarkenden Nazis. Syriza muss erstmal eine Bevölkerungsmehrheit hinter einen explizit linksradikalen Kurs bringen und dazu braucht sie einige Monate. Strategisch sinnvoll wäre es, wenn die Anarchisten eine Doppelstrategie fahren, in dem sie einerseits der Syriza auf die Finger schauen, aber andererseits eine linksradikale Politisierung in der Bevölkerung unterstützen, und zwar FÜR Syriza oder meinetwegen für eine anarchistisch-kritische Solidarität. Eine Entsolidarisierung zum jetzigen Zeitpunkt spielt letztlich nur den Nazis in die Hände, genau wie vor 1933 in Deutschland. Im übrigen wird das Syriza-bashing in Griechenland u.a. auch von als Anarchisten getarnten Nazis betrieben, genau aus dem Grund der damit praktizierten Spaltung. Anarchismus heutzutage bedeutet auch nicht, Parlamentarismus per se abzulehnen, weil Staaten und Regierungen ja schon immer scheiße waren - das ist einfach reaktionäres Geschwätz derer, die gar kein Interesse an der Realität haben und das hat mit Anarchismus rein garnichts zu tun!

Das undialektische Syriza-Bashing einiger Anarchos ist zwar wirklich kontraproduktiv, und ja, parlamentarische Mühlen mahlen nunmal langsam. Aber so einfach wie "Syriza hatte noch keine Zeit" kann man es sich leider wirklich nichtmehr machen. Syriza ist seit einigen Monaten im Amt, und was sie bisher geleistet hat ist erwartungsgemäß alles andere als vorzeigbar. Es bringt natürlich nichts von einer parlamentarischen Partei Dinge zu verlangen welche diese aufgrund der systemimmantenten Sachzwängen nicht erfüllen kann. Dennoch sollte man nicht nur eine (anarchistisch oder auch kommunistisch bzw. klassenkämpferisch)-kritische Solidarität oder gar eine Unterstützung für Syriza propagieren, das wäre plumper Opportunismus.

 

Das Argument "Syriza oder Nazis" (goldene Morgenröte) hat natürlich seine Berechtigung und sollte mitbedacht werden, darf aber nicht herhalten für jegliche Politik nicht-faschistischer Parteien. Sonst kann man auch ganz schnell die Politik der CDU rechtfertigen. Daher ist es auch absolut richtig Syrizavon links außerparlamentarisch weiter unter Druck zu setzen, wie dies eben auch die Genossen des Revolutionären Kampfes wie der Genosse Nikos Maziotis es tun. Im Gegensatz zu manchen deutschen Idealisten-Anarchos tun sie dies ganz konkret, gezielt, ohne falsche Erwartungen oder Projektionen und eben auch wie der Text zeigt mit einer dialektischen Herangehensweise. Dafür gebührt ihnen vielfachen Respekt, Anerkennung und Dank!

 

Viel Erfolg für Syriza im parlamentarischen Kampf, auf dass sie nicht zu kompletten Opportunisten werden!

Und noch mehr Erfolg den außerparlamentarischen Kräften wie dem Revolutionären Kampf, auf dass sie nicht in einen stumpfen Linksradikalismus abrutschen!

ich schrieb, "Syriza hatte bisher kaum Zeit und Möglichkeit", damit soll aber nichts entschuldigt werden. Der Druck der Eurogruppe war allerdings enorm und selbst sozialdemokratische Syriza-Mitglieder waren vom extremen Gegenwind der Kapitalisten überrascht. Es ist offensichtlich, dass Syriza die letzten 3 Monaten fast ausschließlich mit Abwehrkämpfen beschäftigt war, einerseits um eine Staatspleite zu vermeiden und andererseits um Sympathien in der Bevölkerung zu erweitern. Da blieb also wirklich nicht viel Zeit für linke Politik. Andererseits muss sich Syriza natürlich den Vorwurf gefallen lassen, warum wirklich einfache Dinge und linke Minimalstandards, wie die Verbesserung der Haftbedingungen oder die Auflösung der Flüchtlingslager nicht sofort  umgesetzt werden. Für die Haftbedigungen wurde ein Gesetzesentwurf eingebracht, kann sein dass der in 2 Wochen durch ist und das Thema erledigt. Bei den Flüchtlingslagern spielt wiederum sowohl der Druck der Eurogruppe als auch die Rechte in Griechenland eine Rolle. Trotzdem hätte Syriza hier und auch an anderer Stelle ein klares Zeichen setzen können bzw. müssen. Die radikale Linke wird sich das Schauspiel sicherlich noch ein paar Wochen anschauen und dann ggf. eine innerparteiliche Opposition aufbauen, welch die Partei durchaus spalten kann. Allerdings zu behaupten, wie einige Anarchos das tun, die Syriza sei eine sozialdemokratisierte zweite Pasok ist völliger Schwachsinn. Wenn die Leute wirklich in der Realität leben, dann sollten sie sich mit den linksradikalen Syriza-Leuten an einen Tisch setzen und diskutieren, wie man unterschiedliche Standpunkte überwinden kann und gemeinsam gegen das Kapital und die Systemaffirmation der Partei agieren kann, anstatt den Syriza-Büros die Scheiben einzuschmeißen oder irgendwelche linken Radiosender mit durchaus gutem Programm zu besetzen, um anschließend selbst ein verbalradikales Schwachsinnsprogramm zu veranstalten.

Schon klar, wer Syriza von links kritisiert ist wie im spanischen Bürgerkrieg die "5 Kolonne von Franco" und gehört eigentlich an die Wand gestellt. Man mus sich in das links-sozialdemokratische Projekt einreihen, da die Goldene Morgenröte schon vor der Tür steht. Wann verstehen diese politischen Gefangenen denn das endlich? Klappe halten und zurück in die Isolationszellen, aber zack zack!

Wer schreibt was von "an die Wand stellen" außer du selbst? Du hast wirklich ziemlich viel verstanden...