Die anarchistische Osterbotschaft

Die anarchistische Osterbotschaft

Die Kirchengeschichte liefert viele Argumente für einen atheistischen Anarchismus. Doch auch viele biblische Texte lassen sich (mehr oder weniger) problemlos anarchistisch verstehen. So auch die Passion und Auferstehung Jesu Christi. Das soll hier mal versucht werden.

 

Die krassestmögliche Repression, die einem Menschen angetan werden kann ist die Todesstrafe. Viele Rechtssysteme, die Todesurteile vorsehen, unterschieden bzw... unterschieden die Art der Hinrichtung nach dem angelasteten Vergehen. Im alten Rom war die ganz spezielle Strafe für politische "Übeltäter", also Aufrührer und entlaufene Sklaven, der langsame Erstickungstod am Kreuz.

Warum ich das so betone?
Ich bin überzeugt, dass dieser Aspekt hilft, die Passion Jesu ebenso wie die Osterbotschaft bei all ihrer mythologischen Erhöhung und Auslegung auch als linksradikale Geschichte zu erschließen.

Jesus von Nazareth lehnte Herrschaft unter Menschen ab.
Genaueres dazu findet sich u.a. in dem Buch "Christlicher Anarchismus" von Sebastian Kalicha (Hg.), erschienen 2013 im Verlag Graswurzelrevolution.

Thema dieses Textes soll sein, was Jesu Leben und Wirken auch für heutige Kämpfe zum Umgang mit Repression aussagt.
Bereits früh finden wir Sprüche, die im historischen Kontext recht eindeutig sind. So in Mt. 5,28-41: [1]

38Ihr habt gehört, dass Gott gesagt hat: Auge um Auge und Zahn um Zahn. 39Ich lege euch das heute so aus: Leistet dem Bösen nicht mit gleichen Mitteln Widerstand. Vielmehr, wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, halte ihm auch die andere Backe hin. 40Und wenn jemand gegen dich prozessiert, um dein Hemd zu bekommen, gib diesem Menschen auch deinen Mantel. 41Wenn dich jemand zur Zwangsarbeit für eine Meile Weg nötigt, gehe mit ihm zwei.

Ein Schlag auf die rechte Backe, ausgeführt mit der als rein verstandenen rechten Hand ist lediglich eine schwere Beleidigung,
während ein Schlag auf die linke Backe durchaus schwere Verletzungen nach sich ziehen kann.
Das damalige Pfändungsrecht erlaubte den Mantel erst als allerletztes und nur tageweise zu pfänden, damit er nachts als Decke dienen konnte.
Wer zum Hemd den Mantel gibt, setzt sich bewusst und offensiv der Nacktheit aus.
Römische Soldaten durften Zivilisten zwingen, für eine Meile ihr Gepäck zu tragen.
Die zitierte Stelle ruft also genau dazu auf, was heute als /kreative Antirepression durch Überidentifikation/ bezeichnet würde.

Am deutlichsten wird Jesu Botschaft in Lk 22,24-30.

Da entflammte ein Wetteifer unter ihnen, wer von ihnen am größten sei. 25Er sagte zu ihnen: »Die Könige und Königinnen der °Völker °herrschen, indem sie Gewalt über die Menschen ausüben und sich doch ›Wohltäter‹ nennen lassen. 26Ihr nicht! Vielmehr sollen diejenigen unter euch am größten sein, die am kleinsten sind, und die Führenden sollen °Dienende sein. 27Wer ist größer: Wer sich bedienen lässt bei Tisch oder wer selbst dient? Ist es nicht, wer bei Tisch liegt? Ich bin unter euch wie ein Dienender.

Indem er so eine Gesellschaft entwirft, die ohne Hierarchien unter den Menschen auskommt, bringt er sowohl die jüdische Tempelelite als auch die römischen bzw... von Rom eingesetzten weltlichen Herrscher gegen sich auf.

Die angebliche Anklage der Gotteslästerung (aufgrund der unterstellten Selbstbezeichnung "Gottes Sohn") ist insofern unglaubwürdig,
als dass jüdische Könige lange vorher alle derartigen Ehrentitel inklusive "Messias" und "Sohn Gottes" trugen.
So dürfte für die Verurteilung der Vorwurf wesentlich wichtiger gewesen sein, das Volk aufzuhetzen oder von der Steuerzahlung abzuraten (Lk 23,2).

Interessant ist bei der Lektüre der Evangelien auch, dass zumindestens die Synoptiker von kaum einer Aussage Jesu während der langen und qualvollen Verhöre
vor den Hohepriestern, Pilatus und Herodes berichten.
Lediglich auf die Frage "Bist du Gottes Sohn?" antwortet er in allen Erzählungen: "Ihr sagt es." Die Bibel in gerechter Sprache übersetzt bei Lukas 22,70 und Lk 23,3 sogar noch ausweichender: "Ihr sagt es, dass ich es bin" bzw.. "Das sagst du."
Nur bei Johannes spricht Jesus mehr als diese Worte.
Gegenüber den Hohepriestern streitet er den Sinn der Befragung ab, da er "nichts im Geheimen gesagt" habe (Joh 18,20-23)
Vor dem Richter Pilatus gibt er eine Prozesserklärung ab:

36Jesus antwortete: »Mein °Königreich gehört nicht dieser Welt an. Wenn mein Königreich dieser Welt angehören würde, würden meine Leute kämpfen, damit ich nicht der jüdischen Obrigkeit ausgeliefert werde. Mein Königreich ist aber nicht von hier.« 37Da sagte Pilatus zu ihm: »Bist du also doch König?« Jesus antwortete: »Du sagst, dass ich König bin. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Alle, die der Wahrheit angehören, hören auf meine Stimme.« (Joh 18,36f)

Die darauffolgende Folter und Demütigung lässt Jesus über sich ergehen, bis er am Kreuz neben zwei anderen Verurteilten stirbt.
Sechs Stunden lang erleidet er - zur weiteren Erniedrigung nackt ausgezogen - Höllenqualen. Während in unmittelbarer Nähe sein letzter Besitz zum Preis eines Würfelspiels wird und die Menschen ihn verspotten, erleidet er, nur an drei Nägeln hängend, die durch Hand- und Fußgelenke getrieben worden sind, ein Hängetrauma, dass wegen der ausgebreiteten Arme zum Erstickungstod führt. Am 9.April 27 um 15:00, er ist 33 Jahre alt, (soweit die historische Rekonstruktion) spricht er mit letzter Kraft den traditionellen Todespsalm und stirbt.
Da die Saduzzäer nicht nur willige Kollaborateure der römischen Besatzer, sondern auch geschickt im Umgang mit den mosaischen und weltlichen Gesetzen waren, mussten nicht nur die Römer die Hinrichtung übernehmen (in den übertrieben römerfreundlichen biblischen Erzählungen ist diese Stelle noch krasser als im wahrscheinlicheren historischen Gefüge, das oben beschrieben wurde), sondern die Hinrichtung musste bis zum Sonnenuntergang abgeschlossen sein, da der heilige Sabbat begann. Darum beschleunigte man den Tod der noch nicht verstorbenen Delinquenten durch Brechen ihrer Beine, damit sie sich nicht mehr abstützen konnten. Da Jesus bereits tot war, entging er dieser zusätzlichen Qual und Schmähung.
Dem hingerichteten Jesus wurde dann noch in aller Schnelle ein ordentliches Grab zugebilligt, ein Höhlengrab, das mit einem schweren Stein verschlossen wird. Laut Matthäus erreichten die Hohepriester sogar, dass das Grab versiegelt und bewacht wurde, damit niemand den Leichnam stehlen konnte.

Und jetzt kommt der geniale Teil der Geschichte.
Dass er wahrscheinlich eher Mythos als historische Wahrheit ist, tut der Botschaft keinen Abbruch.

Dieser Mensch, dessen Herz fast zwei Tage vorher aufgehört hat zu schlagen, der so tot war wie ein Mensch nur sein kann, wofür die Soldaten gewissenhaft gesorgt haben, er findet sich mit seinem Tod nicht ab, sondern steht einfach auf und haut ab! Ein Engel Adonajs hilft ihm, erweckt ihn zu neuem Leben und befreit ihn aus seinem Grab. Ein himmlischer Fluchthelfer, eine wundersame Gefangenenbefreiung.
Wer ihm (dem Auferstandenen) wann und wie noch begegnet, bleibt in der mythologischen Uneinigkeit der Evangelisten verborgen.
Sicher ist nur, dass Jesus sich selbst von seiner eigenen Hinrichtung nicht abhalten lässt, weiterzumachen.

Seine Methoden haben sich verändert, er agiert jetzt eher klandestin, aber er macht sich weiter stark für eine herrschaftslose Gesellschaft.

Auch wenn sein Name und Andenken in den letzten 2000 Jahren oft beschmutzt worden ist, angefangen bei manchem Pauluszitat über die Konstantinische Wende und die Inquisition bis zu den heutigen Amtskirchen, so inspiriert sein Vorbild durch die Jahrhunderte immer wieder auch Frauen und Männer, mit ihm für die Armen, die Freiheit, für Liebe und Anarchie zu kämpfen und mutig jeder Repression zu widerstehen.

Das ist die anarchistische Osterbotschaft:
Keine Repression ist hart genug, unseren Kampf zu brechen. Im Gegenteil: Jesus hat vorgemacht, dass selbst der Tod keine Macht über uns hat, wenn wir sie ihm nicht selbst einräumen. Und wenn wir doch einmal verzweifeln, dann können wir zurückdenken, wie es Jesus im Garten Gethsemane kurz vor seiner Gefangennahme ging und an Petrus im Hof des Hohepriesters beim Krähen des Hahnes. (z.B. Mk 14,32-35, Mk 14,66-72) Wir sind auch dabei nicht allein.

 

[1] Alle Bibelzitate stammen aus der Bibel in gerechter Sprache.

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Das Konzept eines Gottes der über die Welt HERRSCHT, sie nach Lust und Laune mal bis auf diejenigen dezimiert die seine Moral verkörpern,.. usw. ist bestimmt nicht anarchistisch. Christlicher(Religiöser) Anarchismus ist und bleibt ein Widerspruch! Da könnt ihr noch so oft einzelne Zitate aus dem Kontext des gesamten Buches reissen!

Dieses Gottesbild bestreite ich. Es ist eine Mindermeinung, und warum nur diese Variante nach außen wahrgenommen wird, liegt vielleicht an der Kirchengeschichte, ist aber seltsam. Ich könnte da nochmal einen ganzen Text zu schreiben.

Außer "Gott ist Liebe" kann mensch gar nicht sagen "was Gott ist" sondern immer nur, was SIE nicht ist.

Und wenn es schon um aus-dem-Zusammenhang-reißen geht: Das autoritäre Gottesbild kann nur so entstehen. Einzelne Stellen mögen darauf hindeuten, insgesamt gibt es eine starke Tendenz zur Anarchie.

"Ein Schlag auf die rechte Backe, ausgeführt mit der als rein verstandenen rechten Hand ist lediglich eine schwere Beleidigung,
während ein Schlag auf die linke Backe durchaus schwere Verletzungen nach sich ziehen kann."

-bitte was???

 

"Keine Repression ist hart genug, unseren Kampf zu brechen. Im Gegenteil: Jesus hat vorgemacht, dass selbst der Tod keine Macht über uns hat, wenn wir sie ihm nicht selbst einräumen."

-wer tot ist der ist tot. völlig egal ob man das selbst "einräumt".

 

hau bloß ab mit deinen religiösen verblendungen. du bist kein anarchist. nicht im geringsten.

der glaube an ein höheres wesen wie ein "gott"  ist immer gekennzeichnet durch eine hierarchie zwischen gott und dem menschen. das ist unvereinbar mit anarchismus.

 

was sagst du eigentlich zu anderen religionen? islam? judentum? oder wie wärs mit den polytheistischen religionen? (den ausgestorbenen wie den noch praktizierten)

bist du da auf einmal auch "a-theistisch"?^^

Es gibt nichts unanarchistischeres, als anderen ihren Anarchismus abzusprechen! Solange das Ziel im Weg vorhanden ist, stellt sich der Antrieb als nebensächlich dar.

Faust hoch!

 

Lang lebe die Anarchie!

verzieh dich in deinen bibelkreis du spinner!