Knapp über 200 Menschen haben am am 21. März 2015 in Sinsheim mit einer Kundgebung gegen Neonazis demonstriert. Unter den vielen anwesenden BürgerInnen waren zahlreiche VertreterInnen von Gewerkschaften, Parteien, GemeinderätInnen, aber auch AntifaschistInnen aus der Region.
Aufgerufen hatte unter anderem Sinsheims Oberbürgermeister Albrecht. Unter dem Motto „Buntes Sinsheim“ sollte für „Wachsamkeit und Hinschauen“ demonstriert werden - ohne jedoch im Aufruf darauf hinzuweisen, dass an diesem Samstag auch die NPD demonstrieren will. Wachsam waren nur die, welche sich aufmachten, um direkt bei der Nazi-Demo genau hinzuschauen und zu protestieren.
Die Nazis
Insgesamt 44 Nazis von NPD, „Freien Nationalisten Kraichgau“ und anderen rechten Zirkeln trafen sich an diesem Samstag zum sechsten Mal zu ihrer „Mahnwache gegen Kinderschänder“. Die Demonstration in der Südstadt setzte sich aus den „üblichen Verdächtigen“ zusammen, die bereits seit Jahren den Weg in die Große Kreisstadt im Kraichgau finden. VertreterInnen der NPD Rhein-Neckar waren ebenso dabei wie die Pirmasenser Nazis-Blase mit ihrer gelben Rostlaube. Aus dem Stuttgarter und Karlsruher Raum waren ebenfalls ein paar „Kameraden“ gekommen.
Als RednerInnen traten neben Ricarda Riefling, Bundesvorsitzende der NPD-Frauengruppe RNF, Markus Walter, NPD-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz, Jan Jaeschke, NPD-Kreisvorsitzender Rhein-Neckar und Benjamin Hennes, Kreisvorsitzender der NPD in Ludwigsburg/Stuttgart, auf. Die Reden unterschieden sich nicht wirklich von dem Gelaber der vergangenen Jahre.
Die Außenwirkung des rechten Demozugs war zudem gleich null. AnwohnerInnen nahmen kaum Notiz von der braunen Truppe und werkelten stattdessen lieber im Vorgarten, kärcherten die Einfahrt oder schraubten am Auto.
Bullen unterstützen Nazi-Demo
Von der BürgerInnen-Kundgebung machten sich kurz nach der Rede des OB mehrere Pulks – insgesamt rund 100 Leute – auf den Weg in Richtung Südstadt. Dort wollten sie direkt gegen die Demo der NPD protestieren. Die Polizei hatte für die GegendemonstrantInnen alle Wege auf die andere Seite der Gleise blockiert. Sie verhinderte damit wieder einmal jeglichen Protest in Hör- und Sichtweite der Nazis. Dieser eindeutige Verstoß gegen die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung stellt erneut einen massiven Einschnitt des Demonstrationsrechts dar, der in der jüngsten Vergangenheit von BRD-Gerichten bereits mehrfach als „rechtswidrig“ erkannt wurde. Mindestens vier AntifaschistInnen wurden von den Bullen vorübergehend in Gewahrsam genommen; sie mussten ihre Personalien abgeben und erhielten Platzverweise. Eine weitere Gruppe von rund zehn GewerkschafterInnen, die sehr nah an die Nazi-Kundgebung herangekommen war, musste ebenfalls ihre Personalien abgeben und wurde weggeschickt.
Sinsheim - wie immer
Inzwischen echauffiert sich die Fraktion „Wegschauen statt hingucken“ (aka „Bratwurst gegen Rechts“), namentlich einige LokalpolitikerInnen aus Sinsheim, dass sich engagierte Nazi-GegnerInnen (darunter viele GewerkschafterInnen, Leute von Die Linke und Antifas) aufgemacht hatten, um der NPD direkt zu zeigen, was von ihr zu halten ist.
Die Nazis freuen sich über den Schutz durch die Bullen und behaupten, es hätte keinen Widerstand gegeben. Es stimmt, sie sind ungestört gelaufen. Doch über alledem schwebt wieder einmal der alte Spruch: „Deutsche Polizisten schützen die Faschisten!“ Mittlerweile scheint es jedenfalls Usus zu sein, dass ganze Stadtteile für NPD und Konsorten protestfrei gehalten werden.
Die TeilnehmerInnenzahl auf Seiten der Nazis ging jedenfalls seit der größten Kundgebung mit rund 120 Rechten im März 2012 kontinuierlich zurück. 2013 kamen noch rund 80 FaschistInnen. Im April 2014 waren es 47.
Kontinuität und Verbindlichkeit schaffen!
Und für Sinsheim bedeutet die Kundgebung – auch wenn sie sich des Eindrucks einer Alibi-Veranstaltung (Stichworte: „Bratwurst gegen Rechts“ und „Gemeinderatsausflug“) nicht ganz erwehren kann – allemal mehr, als das letztjährige Rolladen-Runterlassen nach städtischer Aufforderung. Hingeschaut haben große Teile Sinsheims, auch der Kommunalpolitik, trotzdem nicht. Es ist - auch das wird immer wieder bei solchen Aktionen offenbar - einfach bequemer, weitab jeglicher Konfliktlinie Lippenbekenntnissen der lokalen Prominenz zu lauschen.
Die vielen Menschen, die sich am 21. März aufmachten, um sich den Nazis entgegenzustellen, sind für Sinsheim ein Schritt in die richtige Richtung. Auf diesem Potential lässt sich aufbauen. Es gibt kein ruhiges Hinterland!
Faschos vor Ort
Anwesende Faschos waren u.a.:
Jean Christoph Fiedler
Johannes Bachmann
Manuel Bachmann
Timo Feldpausch
Reinhard Schätz
Gabriel Reiß
Markus Walter
Benjamin Hennes
Ricarda Riefling
Josef Niedermayer
Nico Just-Kraft
Tina Kraft
René Schrade
Jan Jaeschke
Marco Kister