Nach vielen Jahren, nachdem Hamm (Westfalen) zu einem wichtigen Aufmarschort der Naziszene geworden war, ließ der Oberbürgermeister (CDU) eine Studie zum "Rechtsextremismus" in Auftrag geben. Ein halbes Jahr später als angekündigt lieferte die Autorin Claudia Luzar (bis zu ihrem Rauswurf im April 2014 Leiterin der Opferberatungsstelle "Backup" in Dortmund) jetzt eine Studie namens "Hammer Verhältnisse. Eine Analyse zum Radikalismus und sozio-kulturellen Konflikten".Die Studie ist eine Zumutung: Methodisch nicht nachvollziehbar, wissenschaftliche Standards ignorierend und inhaltlich fragwürdig. In Hamm haben sich schon viele Aktive zur Studie geäußert. Sie kritisieren, dass die Studie ein falsches Bild der Hammer Naziszene abbildet, die zivilgesellschaftliche Gegenwehr nicht würdigt und die Antifa dämonisiert. Das antifaschistische Jugendbündnis Haekelclub590 hat einen lesenswerten Kommentar veröffentlicht, den wir hier unten dokumentieren.
Ein Ergebnis hatte die Studie übrigens schon: Luzar hat eine Stelle bei einem neuen vom Bundesprogramm "Demokratie fördern!" gesponsorten Modellprojekt zur "Deradikalisierung" (von Nazis, Autonomen Antifas, Salafisten und Grauen Wölfen gleichermaßen!!) bekommen, dass die Stadt Hamm mit einem Eigenanteil bezuschusst. Eine Hand wäscht bekanntlich die andere... Die Fraktion "Die Linke" und die "Grünen" haben sich über die Stadtverwaltung beschwert, da diese den zuständigen Ausschuss, in dem über den Eigenanteil abgestimmt wurde, erst zu spät informiert habe. Beide Parteien äußerten ebenfalls Kritik an der Studie. "Die Grünen haben nun eine Sondersitzung des Stadtrats beantragt. Der "Stadtanzeiger Hamm" hat sich ausführlich und kritisch mit dem Fall beschäftigt. (lesenswert! siehe Anhang). Im Anhang kann außerdem die besagte Studie eingesehen werden. So können sich alle selbst ein Bild machen...
Kommentar zur Veröffentlichung „Hammer Verhältnisse. Eine Analyse zum Radikalismus und sozio-kulturellen Konflikten“ von Claudia Luzar und Nina Lohmann, 2015
Wissenschaftliche Arbeiten zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Methoden und Ergebnisse von anderen erkennbar und nachvollziehbar sind. Man spricht daher von dem Kriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit. So sollte für Dritte nachvollziehbar sein, wie Daten erhoben und interpretiert wurden, Begriffe und Fachtermini müssen definiert und in Bezug zum wissenschaftlichen Diskurs gesetzt werden. Diese Grundlage wissenschaftlichen Arbeitens erfüllt die vorliegende Arbeit nicht. In der Einleitung wird behauptet, dass das vorliegende „Gutachten“ auf einem empirischen Befund basiere, der aus 52 qualitativen Interviews und 24 teilnehmenden Beobachtungen gewonnen worden sei. In der Arbeit werden keinerlei Aussagen zu den angewandten Methoden gemacht. Es ist nicht ersichtlich, nach welchen methodischen Modellen die „qualitativen Interviews“ und „teilnehmenden Beobachtungen“ geführt wurden. Auf die in den empirischen Sozialwissenschaften existierende Methodendiskussion und die unterschiedlichen Modelle für qualitative Interviews und teilnehmende Beobachtungen wird nicht Bezug genommen. Das Vorgehen der Autor*innen bei Interviews und Beobachtungen ist somit intransparent. Aus diesem Grunde ist unklar, wie die Daten erhoben wurden. Welche Form von Interviews wurden geführt, welche Fragekomplexe wurden abgefragt, sind die verschiedenen Interviews miteinander vergleichbar? Es findet sich auch ein keiner Stelle der Arbeit eine Auflistung darüber, wer überhaupt interviewt worden ist und nach welchen Kriterien die interviewten Personen ausgewählt worden sind. Datenschutz kann hier kein Argument sein, denn schließlich hätten Informationen zu den Interviewpartner*innen in anonymisierter Form dargestellt werden können. Es fehlen selbst basale Informationen wie Geschlecht/Alter/Tätigkeits- bzw. Arbeitsfeld zu den interviewten Personen. Es heißt lediglich, es seien „demokratische Akteure der Stadtgesellschaft“ und „rechtsextreme Personen“ (S. 3) befragt worden. Ebenso ist unklar, wie (mit welchen Methoden) die erhobenen Daten ausgewertet wurden.
Obwohl immer wieder auf Aussagen aus den Interviews Bezug genommen wird, finden sich im gesamten Text keinerlei Verweise und Belege zu den Interviews. Sämtliche Standards wissenschaftlicher Zitation werden in Bezug auf die Interviews unterlaufen. Im Literatur- und Quellenverzeichnis werden die Interviews folglich ebenfalls nicht aufgeführt. Längere direkte Zitate aus den Interviews – wie sie für eine Interpretation von qualitativen Interviews üblich sind - finden sich an keiner Stelle der vorliegenden Arbeit. Dies nährt den Verdacht, dass die Interviews nicht nach wissenschaftlichen Kriterien erhoben und ausgewertet wurden und keine Transkriptionen dieser Interviews vorliegen.Der gleiche Befund muss für die teilnehmenden Beobachtungen gezogen werden. Hier ist unklar, wann und wo sie stattfanden und welche Methoden zur Erhebung und Auswertung genutzt wurden. Es gibt keinerlei nachvollziehbare Verweise auf diese teilnehmenden Beobachtungen im Text. Auf die bestehende Fachdiskussion zum Thema Rechtsextremismus, Rassismus sowie Salafismus wird kaum Bezug genommen. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der vorliegenden Literatur ist nicht erkennbar. Zudem werden viele Begriffe – wenn überhaupt – knapp definiert. In einzelnen Kapiteln (bsp. zum Türkischen Nationalismus) wird die im großen Umfang vorhandene wissenschaftliche Literatur vollständig ignoriert. Zudem finden sich im Text Literaturverweise, die keine Entsprechung im Literaturverzeichnis haben. Umgekehrt wird im Literaturverzeichnis Literatur aufgeführt, auf die im Text nicht verwiesen
wird.
Die Aussagen des „Gutachtens“ stützen sich vor allem auf die Interviews. Andere Quellen und Wissensbestände – vor allem bestehende Fachliteratur und Medienberichterstattungen - werden nicht hinzu gezogen, obwohl sie zugänglich wären. Sowohl in der Fachliteratur zum Rechtsextremismus, in der lokalen wie überregionalen Medienberichterstattung als auch in den Veröffentlichungen von Initiativen und Gruppen finden sich zahlreiche Informationen zur Neonazi-Szene sowie zu der Auseinandersetzung mit selbiger in Hamm. Eine Einbeziehung dieser Wissensbestände hätte eine notwendige Kontextualisierung der Aussagen aus den Interviews ermöglicht.
Im „Gutachten“ werden die Aussagen zur Neonazi-Szene aber vor allem aus den Äußerungen von aktiven oder „ausgestiegenen“ Neonazis entwickelt, denen höchstens noch Angaben des Staatsschutzes zur Seite gestellt werden. Die Deutungen der Neonazis bleiben meist unwidersprochen. Eine Quellenkritik – ebenfalls ein Kriterium wissenschaftlichen Arbeitens – ist an vielen Stellen nicht erkennbar. Von den Interviewten angeführte „Tatsachen“ werden nicht überprüft. Der Wahrheitsgehalt der Aussagen ist so nur schwerlich nachvollziehbar, außerdem führt dieses Vorgehen zu Verzerrungen.
Dadurch, dass sich die Argumentation im Wesentlichen auf die Aussagen der Interviewpartner*innen stützt, ist das Bild der Neonazi-Szene in Hamm unvollständig. Organisationen, Vernetzungen und Aktivitäten, die von den Interviewpartner*innen nicht genannt wurden, finden auch keine Erwähnung im „Gutachten“. Das soll kurz an vier Beispielen deutlich gemacht werden:
1) Dass die „Kameradschaft Hamm“ Gründungsmitglied des 2004 gebildeten „ Aktionsbüro Westdeutschland “ (AB-West) war, eines landesweiten Zusammenschluss der Neonazi-Kameradschaften, welcher die „Demonstrationspolitik“ und Strategie der Freien Kameradschaften in NRW steuerte, findet keine Erwähnung. Dabei lässt sich daran zeigen, dass die KSH bereits zu einem frühen Zeitpunkt ihres Bestehens zu den führenden Freien Kameradschaften im Land gehörte. Dies hatte Auswirkung auf die Situation in Hamm. Hamm entwickelte sich in den Jahren 2004 bis 2006 zu einem der wichtigsten Aufmarschorte für Demonstrationen der Neonazi-Szene. Aber selbst zur Anzahl der Neonazi-Demonstrationen finden sich in dem „Gutachten“ keinerlei Informationen.
2) Zweimal wird mit Bezug auf die Interviews mit (ehemaligen) Neonazis von einem gewaltsamen Überfall von Antifas auf Neonazis im Jahre 2004 Bezug genommen. Hier wird die Sicht der Neonazis vollständig übernommen, selbst die eher unwahrscheinliche Behauptung, „Antifaschisten aus Berlin“ seien beteiligt gewesen, wird erwähnt. Nicht erwähnt wird der Zusammenhang der Auseinandersetzung: 15 bis 20 Neonazis wollten eine Informationsveranstaltung für die Gegenproteste gegen den Neonaziaufmarsch im Januar 2004 im Hammer Gewerkschaftshaus stürmen, die Polizei fand bei ihnen Bewaffnung wie einen Teleskopschlagstock. Der Neonazi-Angriff wurde abgewehrt, im Zuge der Auseinandersetzung wurde u.a. ein Neonazi verletzt. Hier hätte es der wissenschaftlichen Sorgfaltspflicht bedurft, in Gegenrecherche die Interview-Angaben zu verifizieren oder zu hinterfragen.
3) Die Autor*innen bezeichnen die Hammer Neonazi-Szene als „[...] eine Gruppe männlicher Aktivisten“ (S. 10) bzw. „vornehmlich [...] jungen männlichen Akteuren“ (S. 55). In dem Gutachten fehlt somit gänzlich ein Blick auf die weiblichen Aktivistinnen. Hier folgen die Autor*innen dem üblichen Bild des jungen, männlichen Neonazis und vergessen dabei vollkommen, dass es in der Neonazi-Szene in Hamm sehr wohl auch aktive Frauen gibt, welche nachweislich Mitglied in der KSH waren und später auch in der „RECHTEN“ aktiv geworden sind. Als Beispiel ließe sich hier die Kandidatin für die Europawahl anbringen.In der Fachliteratur zu Frauen und Rechtsextremismus wird immer wieder daraufhin gewiesen, wie wichtig es ist auch Frauen und Geschlechterverhältnisse in der extremen Rechten zu untersuchen. Sanders und Jentsch weisen in ihrem Aufsatz „AN und gender“ auf diese Problematik
bisheriger Analysen sowohl der AN als auch der gesamten extremen Rechten hin: „Sie [die Soziologie; Anmerkung Autor*innen] nimmt das männliche Exemplar ihres Untersuchungsgegenstandes als Prototyp und macht den Neonazi an sich zum Mann.“
4) Die schon sehr lange bekannten Verbindungen der Hammer Neonazi-Szene in die RechtsRock-Szene tauchen in der Studie nicht auf. Während Rechts-Rock in der Studie selbst als „kulturelles Bindemittel“ und als eine Art „Einstieg in die rechtsextreme Szene“ (beide S. 13) beschrieben wird, finden sich keine Angaben dazu, wie sich die Situation in Hamm entwickelt hat. Hier beschränken sich die Autor*innen auf die Auflistung bekannter rechter Bands (vgl. S.13). Während die Autor*innen gerade bei Musik auch auf „mögliche Andockungs- und damit Rekrutierungsfelder der Rechtsextremisten“ (S.41) hinweisen, findet eine Analyse des Rechts-Rock für Hamm nicht statt.Beispielhaft wäre die Gruppe „Sleipnir“ zu nennen: zwei Mitglieder der Band kandidierten schließlich für die Partei „Die Rechte“ bei der Kommunalwahl in Hamm. Die Autor*innen machen sich im zweiten Beispiel ebenso wie an anderen Stellen die Sichtweise der Neonazis zu eigen. Es fehlt die Einbeziehung der Sichtweise anderer Beteiligter, vor allem der zahlreichen Betroffenen der neonazistischen Gewalt.
4. Tendenzielle Verharmlosung der Neonazis
Durch diese Schwerpunktsetzung auf die Deutungen der beteiligen Neonazi-Akteure wird der Neonazismus in Hamm tendenziell verharmlost. Dies zeigt sich vor allem in Bezug auf rechte Gewalt. Es wird zwar erwähnt, dass es rechte Gewalttaten gegeben habe, Quantität und Qualität der Taten werden aber nicht ersichtlich. Sich durch besondere Brutalität und Willkür auszeichnende Gewalttaten, wie beispielsweise die mehrfachen Körperverletzungen während des Cityfestes am 6. Mai 2006, begangen von Christoph Drewer, werden nicht erwähnt. Er verletzte mehrere Personen, u.a. zertrümmerte er einem Jugendlichen mit einem Schlagring das Gesicht, so dass dieser mehrere Tage im Krankenhaus behandelt wurde. Gleichzeitig darf der (ehemalige) Anführer der „Kameradschaft Hamm“ unwidersprochen behaupten, er lehne Gewalt in der politischen Auseinandersetzung ab und er würde sich lediglich in Notwehr verteidigen (S.36). Dies steht im Widerspruch zur Gewaltstrategie der Neonazis, deren Höhepunkte in den Jahren 2004 bis 2006 sowie 2009 bis 2011 zu verzeichnen waren, im Zuge derer zahlreiche Personen angegriffen wurden, es zu organisierten Angriffen auf Veranstaltungen des politischen Gegners kam, gegen Rechts Engagierte an Wohnorten und Schule terrorisiert wurden und zahlreiche Sachbeschädigungen an Parteibüros und Gewerkschaftshäusern verübt wurden.Insgesamt zeigt sich, dass vor allem die Ereignisse der Jahre vor 2010 im „Gutachten“ kaum Erwähnung finden. Doch auch die Analyse der jüngeren Zeit, vor allem der Aktivitäten von „Die Rechte“, ist unzureichend und tendenziell verharmlosend. Ein Beispiel: So heißt es, „Die Rechte“ sei im Kommunalwahlkampf „durchgängig mit lokalen Slogans und Motiven ('Heimat – wir bleiben treu' unter lokalen Fotomotiven; ein Plakat, dass allerdings für jede Wahl in Hamm funktionieren könnte)“ aufgetreten. (S. 32) Unterschlagen wird, dass „Die Rechte“ ebenfalls ein gewaltverherrlichendes Plakat mit dem Slogan „Wir hängen nicht nur Plakate“ verbreitete, an dem sich eine lokale Diskussion entzündete. So wird auf das durch die „Fraternitas Germania“ und eines Mitglieds der Rechten angemietete Gewerbeobjekt am Kentroper Weg in der Studie lediglich am Rande hingewiesen, die der Rechten in Hamm gleichsam als Treffpunkt dient, in dem ihre Mitglieder nunmehr die Tradition der Kameradschaftsabende fortsetzt.“ (S.29). Gänzlich unterschlagen wird, wie wichtig ein solch sicherer Veranstaltungs- und Rückzugsort für die rechte Szene ist. Hier können ungestört Aktivitäten geplant werden, Konzerte und Schulungsveranstaltungen durchgeführt und persönliche/politische Beziehungen gepflegt werden.
Das Kapitel zum „Türkischen Nationalismus“ („Graue Wölfe“) stützt sich ausschließlich auf zwei Interviews mit „Türkischen Nationalisten“. Deren Sicht wird weitestgehend übernommen, der Türkische Nationalismus somit verharmlosend dargestellt, wenn ihnen eine „dezidierte Abgrenzung von deutschen Neonazis und vom Extremismus“ (S. 65) bescheinigt wird.
5. Dämonisierung der Antifa
Durch das gesamte „Gutachten“ zieht sich die These, dass die Antifa in Hamm gewaltbereit sei und der deshalb entstehende „Links-Rechts-Konflikt“ ursächlich für die Gewalt der Neonazi-Szene sei. Hier wird der Antifa eine Mitschuld an der im „Gutachten“ nur unzureichend beleuchteten Gewalt der Neonazis zugeschrieben. Zudem sei der ebenfalls der Antifa zugeschrieben „radikal geführte Protest gegen Rechtsextremismus eine der Ursachen für die Passivität der restlichen Zivilgesellschaft“ (S.86). Stichhaltige Belege für diese Thesen werden nicht aufgeführt. Eine der vordringlichsten Empfehlungen der Autor*innen ist aber die Ausgrenzung der Antifa aus dem „haekelclub590“. Belege für die besondere Gewaltbereitschaft der Antifa werden nicht angeführt - weder in Hinblick auf die Proteste gegen Demonstrationen noch auf Gewalttaten gegen einzelne Neonazis. Es findet sich im Text lediglich mehrfach der Hinweis auf die weiter oben bereits geschilderte gewaltsame Auseinandersetzung 2004 sowie einer dem Staatsschutz zugeschriebenen, nicht belegten und überprüfbaren Aussage, wonach die Antifa „zweifelsfrei gewaltbereit“ (S.74) sei.
Zudem wird anhand von zwei Zitaten aus dem Selbstverständnis der Antifa Hamm versucht dieser „Extremismus“ nachzuweisen. Allerdings sind die Zitate nicht geeignet zu begründen, dass sich in ihnen die von den Autor*innen unterstellte „grundsätzliche Negation der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ (S.74) ausdrückt. Das im zitierten Satz aufgeführte politische Ziel (“ Wir wollen in einer klassenlosen und herrschaftsfreien Gesellschaft leben. Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Wir wollen ein gutes Leben für alle! Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte, seine Überwindung angesichts der sozialen und ökologischen Katastrophen, mit denen wir fast täglich konfrontiert werden, ist notwendiger denn je“) steht nicht im Widerspruch zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, da diese keine Aussagen zur Organisation der Wirtschaft macht. Kapitalismus hat keinen Verfassungsrang.
Die Dämonisierung der Antifa gelingt nur, weil die Gewaltbereitschaft nur behauptet und nicht belegt wird, und weil die Aktivitäten der Antifa nicht umfassend dargestellt werden. So wird zum einen behauptet, die Antifa sei vor dem Haekelclub590 in „keinerlei zivilgesellschaftliche Zusammenschlüsse eingebunden, was dem autonomen Konzept dieser Antifa-Gruppen entsprach.“ (S. 72) Hier wird unterschlagen, dass sich die Antifa-Gruppe seit 2003 aktiv in den Protesten gegen Neonazidemonstrationen engagiert, z.B. im zivilgesellschaftlichen Bündnis „Hamm stellt sich quer“. Aktivitäten wie Bildungsveranstaltungen, Ausstellungen und Konzerte werden ebenso unterschlagen wie die verschiedenen Publikationen, in denen sich mit der Neonazi-Szene in Hamm auseinandergesetzt wurde. Um die den Autor*innen vorgenommene Spaltung in einen guten, unterstützenswerten „haekelclub590“ und in eine bösen, abzulehnende Autonome Antifa durchhalten zu können, werden sogar Fakten unterschlagen und Sachverhalte falsch dargestellt. So wird behauptet, dass „Vereinshaus“ der „Kameradschaft Hamm“ in der Werler Straße sei durch den „Haekelclub590“ enttarnt worden. Tatsächlich machte eine Recherche und Presseinformation der Antifaschistischen Aktion Hamm und der Antifa UNited diesen Neonazi-Treffpunkt publik.
Es ist zudem ein absolut unzulässiger Rückschluss zu behaupten, die Verweigerung der Antifa ein Interview mit den Studienautor*innen zu führen, sei „Beleg ihrer autonomen Organisationsform“. (S. 73) Insgesamt ist es bezeichnet, wie viel Raum der Kritik an der Antifa in einem „Gutachten“ zum Rechtsextremismus in Hamm eingeräumt wird und wie oft die Forderung nach Ausgrenzung der Antifa aus den zivilgesellschaftlichen Bündnissen gefordert wird.
6. Zivilgesellschaftliches Engagement wird nicht gewürdigt
Das zivilgesellschaftliche Engagement in den unterschiedlichen Phasen der Auseinandersetzung wird mit Ausnahme des „haekelclubs590“ weitestgehend ignoriert bzw. als unzulänglich bewertet. Es wird der Eindruck erzeugt, dass es erst in jüngster Zeit eine Auseinandersetzung mit der Neonazi-Szene in Hamm gebe. Dass es aber seit Gründung der „Kameradschaft Hamm“ und mit Beginn der rechten Demonstrationspolitik eine kontinuierliche und vielfältige Auseinandersetzung gibt, wird verschwiegen. Aktivitäten früherer Bündnisse wie „Hamm stellt sich quer“ finden keine Erwähnung. Dem „Runden Tisch“ wird bescheinigt, dass „dessen ursprüngliches Ziel allerdings einem politischen Selbstzweck gewichen ist, der zu keiner Problemlösung führt.“ (S. 75) Darüber hinaus finden andere Initiativen – etwa der Einsatz von Schüler*innen in Projekten wie 'Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage' – keine Erwähnung. Gerade seit dem Verbot der 'Kameradschaft Hamm' haben sich viele Menschen in Hamm mit der extremen Rechten aktiv auseinandergesetzt. Auch hier zeigt sich deutlich der oberflächliche Charakter der Auseinandersetzung.
Von dem Text gibt es auch eine PDF-Version inklusive weiterführender Fußnoten.
Ergänzende Informationen
Vorgeschichte
Die jetztige Studie entstand, weil im Herbst 2012 Die Linke und die SPD von der Stadt Hamm Anträge zur Einrichtung von Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus forderten. Daraufhin legte die Stadt Anfang 2013 ein "Handlungskonzept" vor, das massiv kritisiert wurde. Der Oberbürgermeister lengte daraufhin ein und gab zu, dass Hamm sehr wohl ein Problem mit Nazis hat. Eine Studie sollte deshalb erstellt werden.
- Gravierende Mängel im Handlungskonzept der Stadt – haekelclub fordert vollständige Überarbeitung
- Haekelclub590 zur Diskussion 2013
- Fragwürdige Konzepte gegen Rechts – In Hamm wird über kommunale Gegenstrategien gegen die Neonazis diskutiert
Ursprünglich sollte zeitgleich in Hamm ein "Kompetenzzentrum Rechtsextremismus" (KZW) gegründert werden. Hinter dem Konzept steckten Claudia Luzar und Dierk Borstel. Auch hier gab es massive Kritik an der Konzeption:
Schlussendlich wurde der Verein "BackUpComeBack" in Hamm gegründet:
Die Antifa Hamm veröffentlichte 2013 eine umfassende Chronik um zu belegen, dass Hamm sehr wohl ein Naziproblem hat:
Aktuelle Debatte
- WA:Ruhe in rechter Szene - nur Frage der Wahrnehmung? v. 21.2.2014
- WA: Aussteigerkonzept für radikale Jugendliche v. 24.2.2015
- WA: Linken-Fraktion stinksauer über "Hammer Verhältnisse" v. 26.2.2015
- Ruhrbarone: Erklärbär-Pädagogik für Nazis statt Parteiverbote. Claudia Luzar sprach mit Funkhaus Europa v.2.3.2015
- WA: Grüne beantragen Sondersitzung des Rates v. 3.3.2015
- Ruhrbarone: Geldbeschaffung statt Gründlichkeit? – Luzar-Studie weist erhebliche Mängel auf v. 4.3.2015
- WA: Sondersitzung zu Rechtsradikalismus in Hamm v. 4.3.2015
- Ruhrbarone: Luzar -Studie “Hammer Verhältnisse”: Debatte zum Umgang mit Rechtsextremismus oder eine Kampagne? v. 6.3.2015
- WA: Workshop folgt auf umstrittenes Gutachten v. 7.3.2015
Weiterer Pressespiegel
Pressespiegel zur aktuellen Debatte http://haekelclub590.de/wp-content/uploads/Pressespiegel.pdf
Luzar hat recht!
in einem hat Frau doch recht mit ihrer Deradikalisierungsarbeit. Alle sollten viel mehr miteinander reden. Ich habe da ein paar Vorschläge
- Witwenverbrennung: Pro und Contra (mit dem SeniorInnenschutzbund)
- Der Holocaust: Gut oder schlecht? (mit der jüdischen Gemeinde)
- Genitalverstümmelung: Neue Wege der plastischen Chirurgie? (mit medico international)
- Hexenverbrennung: Eine Maßnahme zum Klimaschutz? (mit Greenpeace? Oder dem BUND?)
- Rassismus: Warum nicht? (Mit ?)
........
Schon seltsam, wie diese Frau Luzar sich das vorstellt.
Top off the Pop
Frau Luzar und Herr Borstel stellen die Spitze eines Eisberges dar, bei dem es darum geht im Sektor Antirassismus und Antifaschismus Geld und Karriere zu machen. Koste es was es wolle, zum Schaden der Klienten, der Zivilgesellschaft, der demokratischen Grundwerte. Kennzeichen: Rhetorische Marketingstrategien, mangelnde Sachkenntnisse, wissenschaftliches Halbwissen, enormer Opportunismus, verschlagene Falschheit.
Funktionieren tut dies aber nur, wenn die ArbeitgeberInnen (Verbände, Vereine, etcp.p.), AuftragsgeberInnen (Stadt, Verwaltung, etc p.p.), MitarbeiterInnen, AusbilderInnen usw. genau so funktionieren. Frau Luzar und Herr Borstel sind das sichtbarste Symptom für den narzistischen Karrierejunkie, den man bei den Opferberatungen, Mobilen Beratungen, Aussteigerhilfen, etc. p.p. zu Hauf vorfindet und der genau dafür benötigt wird was Städte und Kommunen am meisten wollen: Ein Feigenblatt.