Im vergangenen Jahr gab es 2 Hausbesetzungen für ein Centro Sociale und ein Refugee Welcome Center in Wuppertal. Beide Besetzungen wurden still vorbereitet und moblisiert und wurden am gleichen Abend geräumt. In Berlin gab es vor einiger Zeit eine Veranstaltung, bei der Menschen den Ansatz, zukünftige Wohnungs- und Hausbesetzungen öffentlich anzukündigen, diskutiert haben. Wir haben einiges aus einem Artikel darüber diskutiert und auch für dieses Schreiben benutzt. Offen mobilisierte Besetzungen, ein interessanter Ansatz, auch für Wuppertal.
Der Ansatz, Besetzungen öffentlich
anzukündigen soll dazu dienen, in eine gesellschaftliche Offensive
zu kommen und breitere Bevölkungsschichten in konkreten Widerstand
miteinzubeziehen. Wir wollen dabei bewusst und gezielt über den
appellativen Charakter einer Kundgebung oder Demonstration hinaus,
die gemeinsamen Forderungen konkret umsetzen. Wir halten dies für
eine Notwendigkeit, wenn wir der neoliberalen Politik der
Stadtspitze, die zugunsten von Investoren und einigen Konzernen
handelt, ein Ende setzen wollen.
Dass öffentliche Räume
nicht länger für Konsumtempel wie Primark weichen müssen, werden
wir nur selbst bewerkstelligen können. Auch die zunehmende
Ghettoisierung von Stadtteilen, wie die der Wuppertaler Nordstadt,
werden wir nur dann stoppen können, wenn wir tatsächlich anfangen,
die Stadt selbst zu gestalten.
Bei aller Kritik gab es
auch sehr viel Sympathie in der Stadt für die Besetzungen in der
Marienstraße. Viele Menschen haben aber Schwierigkeiten, Zugang zu
unseren Strukturen zu finden. Dies könnten wir durch viel offenere
und offensivere Aktionen durchbrechen. Jede(r) der unsere Forderungen
mitträgt, kann Teil einer offen angekündigten Besetzung
sein.
Besetzen ist kein Selbstzweck. Im Moment geht es uns
darum, nach den 13.000 Unterschriften gegen die Mehrkosten der
Baumaßnahmen am Döppersberg, den tausenden Unterschriften gegen die
Eröffnung des Primarks, den Demonstrationen und anderen Aktivitäten
gegen dieses neoliberale Prestige-Projekt der Stadtspitze und dem
Investor Signature Capital Ltd von einem apellativen Protest zu
konkretem Widerstand zu kommen. Offen mobilisierte Besetzungen aber
auch das Durchführen von Sitzblockaden von z.B. einem Bauplatz wie
am Döppersberg könnten dabei eine wichtige Rolle spielen.
Wir
sind nicht naiv. Es ist uns bewusst, dass eine öffentlich
angekündigte Besetzung durch die Staatsmacht beantwortet werden
wird. Aber auch eine im kleinen Kreis vorbereitete Besetzung
muss sich mit der repressiven Antwort der Staatsmacht
auseinandersetzen.
Bei einer still mobilisierten Besetzung sind
die Besetzer*Innen oft zu wenige Menschen, um sich gegen eine Räumung
wehren zu können und durch den geschlossenen Kreis, sind sie oft
auch politisch schlechter geschützt, was die Gefahr von Repression
erhöht. Wir denken, dass bei einer öffentlich mobilisierten
Besetzung sich mehr Menschen einbringen und sich auch eher als Teil
der Bewegung fühlen können und Menschen dadurch besser geschützt
werden.
Eine breit aufgestellte Besetzung stellt nicht nur die
Eigentumsfrage, die die kollektive Aneignung von öffentlichem Raum,
oder aber Wohn- und Soziale Räume propagiert, sie versucht auch dazu
zu animieren aktiv gegen Projekte wie die am Döppersberg zu
handeln und damit die Stadt selbst zu gestalten. Wahrscheinlich kann
ein Gelände oder ein Haus bei einer offenen Besetzung nicht besetzt
werden, wenn die Aktivist*Innen vor einer großen Polizeikette
stehen. Doch wenn wir mehr werden, könnte diese Art der
Auseinandersetzung zu einer breiten Debatte in der Stadt führen, die
den politischen Druck auf die Stadtspitze erhöhen würde.
Gleichzeitig könnte Konzernen wie Primark durch weitere kreative
Aktionen die Lust am Standort Wuppertal genommen werden. Dadurch
könnten sich die Kräfteverhältnisse verschieben, die die
Gegenseite zu anderen Entscheidungen zwingen.
Unserer Meinung
nach zwingt eine offen angekündigte Besetzung die Verantwortlichen
des neoliberalen Umbaus unserer Stadt in die Defensive. Vermutlich
wird die Stadtspitze versuchen, mit massiven Polizeieinsätzen und
anderen Repressionsmitteln unseren offenen Ansatz zu bekämpfen. Wir
wissen, warum die Polizei mit aller Härte gegen die Besetzer*Innen
der Marenstraße 41 gleich 2 mal für den erneuten Leerstand und die
weitere Ghettoisierung der Wuppertaler Nordstadt vorgegangen ist. Wir
wissen, dass wenn wir die Eigentumsfrage stellen, die Polizei dazu da
ist, die Interessen von Investoren, Eigentümern und Stadspitze zu
verteidigen. Wenn wir einen langen Atem haben, kreativ sind und vor
allem mehr werden, erreichen aber auch die Mittel der Staatsmacht
irgendwann ihre Grenzen.
Wenn wir den Slogan "Die Stadt
gehört uns allen!" ernst meinen, werden wir uns den
öffentlichen Raum selbst holen müssen. Wenn wir also statt einem
Betonklotz mit Primark Filliale, z.B. einen öffentlichen Platz
und/oder kleinen Park, wo alle Menschen sich auch ohne konsumieren zu
MÜSSEN begegnen können, am Döppersberg haben wollen, dann werden
wir das Primark Projekt stoppen müssen, indem wir aktiv in das
Geschehen eingreifen.
Die Idee einer öffentlich
angekündigten Besetzung soll keine symbolische Besetzung sein. Wir
meinen das Wort Besetzung schon ernst. Aufgrund der zu erwartenden
polizeilichen Maßnahmen gegen eine öffentlich angekündigte
Besetzung anzunehmen, dass diese Besetzung also automatisch nur
symbolisch sei, liegt daran zu glauben, dass wir nicht in der Lage
sind taktisch zu variieren und zu glauben, dass die erste Besetzung
gleich erfolgreich sein müsse. Neben Kreatvität braucht es
Ausdauer, aber auch gute taktische Varianten, um an einem bestimmten
Punkt eine Besetzung erfolgreich durchziehen zu können. Wenn die
Unterstützung der Idee der Aneignung von Räumen wächst und immer
mehr verankert wird und sich daraus ein gemeinsames Handeln
entwickelt, können wir vieles in unserer Stadt ändern.
Vieles
werden wir noch diskutieren müssen, Situationen werden sich ändern
und wir werden auf Dynamiken reagieren müssen. Wir werden immer
wieder reflektieren müssen, wo wir stehen und wie wir uns weiter
entwickeln wollen und können. Nach jahrelangem sozialem Kahlschlag
und einem immer weiter fortschreitenden neoliberalen Umbau der Stadt
wird es Zeit, diesen Prozess nicht nur zu stoppen, sondern auch
anzufangen, die Stadt in der wir alle leben, selbst zu
gestalten.
Wuppertal selbst gestalten heißt auch,
den Döppersberg selbst gestalten! Eine andere Stadt ist
möglich!
Wieso Ghettoisierung?
Netter Ansatz, aber erklärt doch mal, wie ihr auf eine Ghettoisierung der Nordstadt kommt? Das kam in den Texten zur M41 auch immer wieder. Ich seh hier keine, sondern eher eine versteckte kleine Gentrifizierung. Aber zum Glück ist Wuppertal als Ganzes zu sehr im Arsch, als dass sich das "Hip-Sein" der Nordstadt - im speziellen des Ölbergs - drastisch auswirken würde.
Wieso unklar?
Vielleicht weil z.B. auf der Bandstraße die ganze Straße und auch ein Teil des Kinderspielplatzes einfach abgesperrt wurde (und immer noch wird) nachdem dort in 2008 (!!!) ein Haus abgebrannt ist und seitdem einsturzgefährdet.. nur um mal ein Beispiel zu nennen.. Es findet übrigens interessanterweise tatsächlich gleichzeitig auch eine Art kleine Zentrifizerung statt.