Bildungsstreik Mainz: Besetzung und 3000 Leute auf Demo

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Zur Demo am 17. November kamen in Mainz 3000 Leute zusammen. Zumindest ein bisschen Action gab es auch und das Atrium ist seit 9 Tagen weiterhin besetzt. Eine Zeitung, die über die Besetzung berichtet, gibt es auch...

 

Vor neun Tagen, am 10.11. besetzten Studierende der Uni Mainz das Atrium Maximum und das Atrium Minimum in der alten Mensa neben dem Audi Max (über q-kaff) in Mainz. Es handelt sich um einen Anlaufpunkt, wo es Informationen, Vokü und natürlich viel zu tun gibt. Neben Arbeitsgruppen werden die Probleme im konsensorientierten Plenum besprochen. Neben der Besetzung hängen auf dem Campus Transpis und Plakate. Eine Räumung der Besetzung ist nicht derzeit nicht in Sicht, obwohl schon mehrere Feiern, Messen und andere VIP-Veranstaltungen abgesagt oder verlegt werden mussten. Im Gegenteil, bei den Verhandlungen zwischen den BesetzerInnen und dem Präsidenten der Uni Krausch geht es vor allem darum, welche Forderungen der BesetzerInnen wie erfüllt werden.

Bereits am Montag, den 16. 11. sprach sich die Vollversammlung der Studierenden für den Streik, die Besetzung und die Demo aus.

Zur Demo am international students day (17.11) mobilisierten aber auch die FH, die KFH, diverse SchülerInnenvertretungen, soziale Bewegungen und politische Gruppen.

Im strömenden Regen liefen etwa 300 Studis vom Campus zum HBF und trafen dort bereits auf über 1000 Demonstrierende. Während Redebeiträgen sammelten sich immer mehr Leute. (Insgesamt nahmen wohl 3000 leute an der demo teil). Während der Demo wurde recht zu beginn das "RAMA-Gymnasium" gestürmt und viele SchülerInnen beteiligten sich daraufhin an der Demo. Das Wissenschaftsministerium und das Abgeordnetenhaus des Landtags, das im Juni zeitweise besetzt wurde, war daraufhin verschlossen auch von einer größeren Menge PolizistInnen bewacht. Hier gab es eine kurze Diskussion mit einem Staatssekretär des Ministeriums. Anschließend ging es weiter, wobei ein Teil der Demo die Route verließ und zum Sitzungssaal des Landtags rannte, leider kamen nur etwa 100 Leute durch, die direkt vor dem Landtag Parolen riefen, der Eingangsbereich war jedoch von mehreren hundert PolizistInnen geschützt, so dass sich die DemonstranntInnen auch recht schnell wieder zurückzogen. Nach einer Abschlusskundgebung zog eine Spontandemo mit anfangs vielen hundert Leuten noch durch die Stadt, von denen etwa 150 Leute schließlich auf dem Campus ankamen.

Den AktivistInnen geht es um ein besser finanziertes Bildungssystem, eine dereguliertere freiere Bildung für alle und um eine emanzipatorische Bildungs- und Gesellschaftspolitik.

Fast jeden Tag berichtet eine Zeitung über die BesetzerInnen, in eher satirischer Art...

sie ist zu finden unter:
http://brandsatz.blogsport.de/

aktuelle infos unter
http://mainz.akprotest.de/

zu den früheren aktionen zum bildungsstreik in mainz
http://bildungsstreikmainz.blogsport.de/

und allgemein
www.bildungsstreik2009.de

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hier der redebeitrag der "kritischen Linken" der auf der demo verlesen wurde:

 

Die Forderungen des bundesweiten Bildungsstreiks umfassen neben anderen die Abschaffung von Studiengebühren und die Abschaffung des Bachelor-/Mastersystems, in dem sich eine Ökonomisierung des Bildungssystems zeige. Viele Leute sind der Auffassung, es gebe in Rheinland-Pfalz keine Studiengebühren. Das stimmt so nicht. Schon seit der Einführung der Langzeitstudiengebühren im Wintersemester 04/05 ist das Studium in Rheinland-Pfalz gebührenpflichtig. Es gibt lediglich ein begrenztes Guthaben auf dem Studienkonto. Im Juli 2006 verabschiedete die Landesregierung die sog. „Landeskinderregelung“, die Studiengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester einführte. Dies betrifft Studierende, die ihren Wohnsitz außerhalb von Rheinland-Pfalz angemeldet haben. Das entsprechende Gesetz wird derzeit bloß nicht angewendet. Davon unabhängig zahlen alle Studierenden jedes Semester mehrere Hundert Euro Verwaltungsgebühren. Auch im Bachelor-/Mastersystem machen viele Menschen besonders starke Einflüsse aus der Privatwirtschaft auf die Universitäten aus.


 

Jetzt allerdings von einer Ökonomisierung der Bildung zu sprechen, legt fälschlicherweise nahe, dass Bildung bisher frei von ökonomischen Zwängen gewesen sei. Dabei sind Kindergärten, Schulen und Hochschulen generell nicht aus einer Gesellschaft auszuklammern, die vom kapitalistischen Zwang der Konkurrenz bestimmt ist. Dies zeigt sich schon daran, dass Bildung als Investition in die eigene Zukunft gesehen wird und das faktisch auch ist. Durch Bildung wird der Wert der eigenen Ware „Arbeitskraft“ als Durchsetzungschance auf dem Arbeitsmarkt erhöht. Letztendlich ist nicht das Wissen relevant, sondern das entsprechende Zertifikat. Somit entsteht der ökonomische Zwang, das persönliche Interesse hinter die eigene Verwertbarkeit zurückzustellen. Auf den ersten Blick erscheint Bildung nicht als warenförmig organisiert. Dies ist aber nur aufgrund staatlicher Umlagefinanzierung durch Steuern der Fall, die z.B. Schulbesuche als kostenfrei erscheinen lässt und per Gesetz sogar erzwingt. Denn der unentgeltliche Schulbesuch sichert über die Heranbildung bürgerlicher Subjekte nicht nur den Weiterbestand der staatlichen Organisationsform, sondern garantiert dem nationalen Standort auch einen Grundbestand an halbwegs brauchbaren – ergo qualifizierten – Arbeitskräften.


 

Diese Funktion von Bildung wird nicht von mächtigen Cliquen oder den politischen Parteien im Geheimen ausgehandelt, sondern ist das Produkt einer in Kapitalismus und Nationalstaat organisierten Welt. Deswegen ist es falsch, der Regierung Ausverkauf der Bildung vorzuwerfen; es werden immer nur so viele Menschen ausgebildet, wie gerade benötigt werden. Bildung dient, wie das Gesundheits- und Sozialsystem, zwar auch der Bedürfnisbefriedigung der und des Einzelnen, aber nur solange sie ebenso der Verwertbarkeit des Individuums zuträglich ist. Gerade Menschen, die bereit sind, für eine gute Berufsqualifikation Studiengebühren zu zahlen, folgen lediglich der Logik der herrschenden Gesellschaft, nämlich der der Marktförmigkeit – schließlich „kostet alles Geld“.

 

 

In diesem Sinne erscheint der Protest gegen die aktuellen Reformen – aus der Sicht derer, die sie befürworten – als unverschämte „Besitzstandswahrung.“ Protest, der sich jenseits der Straßenverkehrsordnung bewegt oder etwa in der Besetzung von Uni-Räumen ausdrückt, wird deswegen als unangemessen und gewalttätig diffamiert. Es scheint vielen nicht in den Kram zu passen, wenn sich Menschen für ihre eigenen Interessen einsetzen und dabei anscheinend dem Zwangskollektiv und Standort Nation schaden. Aber auch im Kreise derer, die sich gegen die angesprochenen Hindernisse im Studium aussprechen und die auch die bisherigen Formen des Protests als legitimes Mittel erachten, sieht man traurigerweise immer wiederDemonstrantInnen, die sich mit der Nation gemein machen und skandieren, dass die derzeitige Umstrukturierung der Bildung Deutschland schaden würde. Sie befürworten somit indirekt den Zwang der Verhältnisse und fordern, sich doch bitte für Deutschland abrackern und -studieren zu dürfen, was ihnen durch diese Reformen verunmöglicht werde.

 

 

Die wenigen Freiheiten, die ein Studium heute noch zulässt, werden weiter beschnitten. Diese Einschränkungen gilt es auch in unserem und deinem eigenen Interesse abzuwenden, weil sie eine weitere Verschärfung der ohnehin bekackten Lebensumstände bedeuten. Bildung soll nicht nur eine monetäre Frage sein, nicht nur eine kapitalistische Investition. Bildung erzeugt im Idealfall kritische Geister, aufgeklärte Menschen, die in der Lage sind gesellschaftliche Zustände zu hinterfragen und Forderungen zu entwickeln. Bildung muss keine Quälerei sein – sie darf auch einfach Spaß machen.

 

 

Wenn wir also im Rahmen des bundesweiten Bildungsstreiks heute auf die Straße gehen, fordern wir nicht einfach mehr Geld für Bildung, sondern sprechen uns für eine emanzipatorische Bildungspolitik aus, die den Weg zu einer nicht-kapitalistischen Gesellschaft zumindest ermöglicht.

 


In diesem Sinne: No border, no nation – free education